laut.de-Kritik
R'n'B ohne seifige Streicher, Hip Hop ohne dicke Hose.
Review von Dani FrommSolcherlei Verblüffung lass' ich mir gerne öfter bescheren: Was von außen betrachtet wirkt, als halte man den x-ten Erguss einer der zahllosen austauschbaren R'n'B-Sängerinnen in der Hand, entpuppt sich von Anfang an als überaus wohltuende Überraschung. "Wait A Minute!" Mehr als "Just A Touch" braucht es nicht, um festzustellen: Estelle ist ... anders.
Nicht nur, dass die Lady, die jüngst ihre verregnete Heimatstadt London gegen New York eintauschte, wundervoll klar, schnörkellos und ohne unschuldige Vokale zu Tode zu jodeln singt, dass einem das Herz aufgehen möchte. Zudem entpuppt sie sich als überaus fähige Rapperin, der die Zeilen zwar nicht besonders abwechslungsreich, dafür aber flüssig und in exzellent adaptierter Oldschool-Manier über die Lippen sprudeln. Hier hat jemand Roxanne Shanté, Queen Latifah und den Ladys von Salt'n'Pepa aufmerksam zugehört und dabei selbst das Beste für sich heraus gepickt.
Kein Wunder, dass sich die Produzenten- und Featuregast-Liste von "Shine" liest wie das Who-is-Who der aktuellen Urban-Szene. Unter anderem schieben Will.I.Am, Wyclef Jean, Jerry Duplessis, Mark Ronson und Swizz Beatz die Regler. Kanye West, John Legend und Cee-Lo Green, seit Gnarls Barkley nicht länger nur Goodie Mob-Jüngern ein Begriff, unterstützen Estelle am Mikrofon. Nicht zu leugnen: Die Herren beweisen Geschmack!
Der häufig gewagte Spagat zwischen Hip Hop und R'n'B resultiert ausnahmsweise nicht in "Best Of Both Worlds"-Einheitsbrei, sondern pflügt sich mit satt pumpenden Bässen einmal quer durch den Sample-Garten. Will.I.Am tanzt für "Wait A Minute" der Erwartungshaltung der versammelten Zuhörerschaft auf der Nase herum und lässt Screamin Jay Hawkins gegen Edwin Starr antreten.
In "No Substitute Love" verleiht Estelle aus George Michaels "Faith" entliehenen Lyrics einen jamaikanischen Anstrich. Der hier von Wyclef und Jerry Duplessis zu verantwortende wuselige Hintergrund lässt, was zum Schmusesong taugte, den Charakter einer lockeren Strandparty annehmen. Noch mehr Reggae-Lastiges setzt es in "Magnificent": Estelles süßer Gesang steht in reizvollem Kontrast zu den tiefdunklen Bässen nebst dubbig hallender Keyboardklänge.
Ohne ihre stimmliche Leistung geriete die Singleauskopplung "American Boy", zu der Kanye West seinen Senf dazu rappt, mit Verlaub langweilig as fuck. Der schnurgerade Rhythmus sorgt zwar für erkleckliche Tanzbarkeit, interessant ist jedoch anders - beispielsweise die kraftvolle, von Piano und Streichern eingeleitete Nummer "Pretty Please", der die von einer höheren Macht beseelte, blendend gelaunte Dynamik eines Gospel-Gottesdienstes inne wohnt.
John Legend erhebt seine warme Stimme außer im Duett "You Are" noch in mehreren Tracks, hält sich aber überall artig unscheinbar im Hintergrund. Das Rampenlicht gebührt Estelle, die mit "Shine" auf voller Länge eindrucksvoll beweist, dass R'n'B tatsächlich ohne seifige Streicher und bis zur Rotglut strapazierte Chimes auskommt und der Brückenschlag zum Hip Hop nicht unbedingt bedeutet, sich einen gerade angesagten männlichen Kollegen ans Mic zu laden. Wozu auch? Diese Dame weiß selbst am besten, wo der Hammer hängt.
29 Kommentare
Na klar, etwas R'n'B muss für die Quote sein. Aber mit ihrer Mischung aus Rap, Gospel, Funk, jazz und Soul ist Estelle wirklich einzigartig...
HIer ist noch eine weitere Review zu dem Album
http://www.musik-base.de/cds/E/Estelle/Shi…
Hat schon irgendwer einen Verriss gefunden?
die war doch vor n paar tagen bei stefan raab. hat mir gefallen...
ich muss sagen, 4 punkte überraschen mich, hätt ich von laut nicht erwartet, hab das album vor nen monat oder so geholt, fand american boy ziemlich fett, naja, ging ziemlich schnell aus den ohren, dennoch einige nette songs dabei: No Substitute Love, You Are, American Boy oder Magnificent...naja 3/5 hätten gereicht
Estelle ist eine DER Ladies der Rap/RnB/Soul-Szene überhaupt.
Sie hat was seeehr besonderes und John Legend sollte gut auf sie acht geben (und Timbalands und Timberlakes von ihr weit weg halten!).
Ich liebe diese Frau (besonders für ihr wahnsinniges Debut-Album).
LONDON!
hab diese platte ja lange gemieden, da ich mir absolut nicht vorstellen konnte, dass es mir gefallen könnte, weil eigentlich gar nicht so meine richtung.
jetz ist sie mir doch untergekommen und ich muss sagen, ich bin ganz positiv überrascht. also da sind mehr als nur zwei songs die mir außerordentlich zusagen....
Estelle ist und bleibt ne coole Sau.
Hatte beim Konzert in Köln die Möglichkeit gleich zwei Mal mit ihr auf der Bühne zu tanzen. Ein Riesenspaß!