laut.de-Kritik

Der Ex ist scheiße - wir haben es verstanden.

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Geschrieben hat sie schon für Hava, Selmon, Bausa und Katja Krasavice, zusammengearbeitet mit Hochkarätern wie Finch Asozial, Alligatoah, Sido, SDP, Olexesh – dennoch: Die ganz großen Lorbeeren hat Esther Graf trotz zahlreicher Charterfolge nie selbst eingefahren. Mit "Happy Worstday" soll sich das jetzt ändern.

"Über 1 Jahr Vorbereitung & Herzblut" hat sie laut eigener Aussage in die Debütplatte gesteckt. Na dann, hoffen wir mal, dass der Release-Day kein "Worstday" war. Tatsächlich geht es vielversprechend los mit "Esther", in dem die junge Österreicherin eine Dankesrede hält – an sich selbst. Gut so! Vielleicht sollten wir das alle ein bisschen häufiger machen. Und auch ihrer Schwester Leni hat Esther Graf "Ein Lied" gewidmet. Beide Songs sind musikalisch unspektakulär, aber sehr persönlich, eine positive Überraschung.

Über die kurz aufgekommene Euphorie rollt "Kippe Hinter'm Ohr" mit Tiefpunkt Bausa allerdings direkt wieder mit Vollgas drüber. Mir fällt beim besten Willen nichts ein, was den Song noch schlechter hätte machen können. Zu "Star Potential" dafür schon, musikalisch hätte der Song nämlich durchaus Potenzial gehabt für einen atemberaubend beschissenen Mark Forster-Featurepart.

Wo wir es schon von Featuregästen haben: Auch die Tracks mit Montez und Elif überzeugen nicht. Allgemein ist es sehr schade, dass die immergleichen Heartbreak-Stories wieder mal einen viel zu großen Teil einnehmen. Vereinzelt kommt das gut, etwa auf dem eher ernsten "Taube". Beim drölften Mal hat man dann aber auch verstanden, dass sie ihren Ex scheiße findet.

Vor allem, weil es irgendwann nur noch nach Phrasen klingt, statt authentisch. Handelt "Überall" noch davon, dass sie ihn überall sieht und einfach nicht vergessen kann, singt sie in "Vergessen": "Ich hab dich vergessen / Deine abgefuckten Friends und deine Psycho-Mum". Hä?

Warum stattdessen nicht mehr Texte wie "Trash TV", über den Esther im Interview bei Welle 1 erklärte: "Es wirkt vielleicht vom Titel her sehr witzig, aber wenn man sich den Song dann im Detail anhört, hat er so eine deepere Ebene, [...] warum wir Menschen Trash TV gucken und warum wir vielleicht so Gefallen daran finden und warum wir da uns so fallen lassen können." Eine gelungene Abwechslung.

Denn sonst wirken die Lyrics abgesehen von kleinen Sprachspielereien wie "Vitamin D[u]" oft einfach plump: "Du sagst, ich brauch Urlaub, ich glaub, du brauchst ein Gehirn" ("SOS"). Und künstlich jugendlich: "Ihre Attitude ist einfach ihr Style / Lowkey und auf einmal woll'n alle so sein" ("She's So Cool"). Wenn sie keine Musikerin wäre, könnte Esther glatt auch ein Anglizismen-Geschäft aufmachen.

Für die vermeintliche Zielgruppe U14 funktioniert das sicherlich. Gerade musikalisch bewegen sich die meisten Tracks zwischen stampfigem Pop und gerade genug glattgebügelten Punk-Einflüssen, um ein bisschen pubertär-rebellisch zu klingen. Nicht nur musikalisch passt das Album in den Trend, keiner der 15 Songs knackt die Drei-Minuten-Marke. Vermutlich bin ich einfach nicht die richtige Zielgruppe, aber all diese Aspekte machen "Happy Worstday" zu einer sehr normalen und leider sehr wenig besonderen Platte.

Schlecht reden will ich es keinem und doch kommt das Debütalbum für mich nicht über eine 2/5 hinaus, weil es geprägt ist von so vielen verpassten Chancen. Warum eine eigentlich so gute Stimme viel zu sehr in Autotune ertränken? Warum nicht mehr von den gelegentlich durchschimmernden Hip Hop-Einflüssen, die Tracks wie "Geldautomat" 2021 noch so erfrischend gemacht haben?

Im Endeffekt wurden auch in der Produktion zu viele falsche Entscheidungen getroffen. Immerhin der Abschluss-Titeltrack klingt nochmal nach einem netten Pop-Söngchen und transportiert bittersüße Lyrics: "Dieser Tag ist wie 'ne Deadline / Und jedes Jahr werd' ich nicht fertig". Fühl ich. In dem Sinne, euch allen (k)einen happy Worstday, scary christmas and a crappy new year!

Trackliste

  1. 1. Esther
  2. 2. Kippe Hinter'm Ohr
  3. 3. Ein Lied
  4. 4. She's So Cool
  5. 5. Star Potential
  6. 6. Background Check
  7. 7. Überall
  8. 8. Fremde
  9. 9. Vergessen
  10. 10. SOS
  11. 11. Trash TV
  12. 12. Wieso
  13. 13. Vitamin D[u]
  14. 14. Taube
  15. 15. Happy Worstday

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