12. November 2015

"Scheißegal, ob jemand echt ist!"

Interview geführt von

Von den Kritikern gefeiert, von den Werten der Gesellschaft genervt und von der um sich greifenden Sehnsucht nach "Echtheit" verwirrt, sprach Fatoni mit uns über die Zusammenarbeit mit Dexter, seine Entwicklung, Identität durch Abgrenzung sowie die vier großen Charaktere in seiner Musik.

Soviel Spaß er daran findet, verschiedene Rollen zu spielen, so wenig Lust hat Fatoni, sich auf eine festlegen zu lassen. Das zeigt der Münchener Rapper und Schauspieler einmal mehr auf dem von Dexter produzierten Album "Yo, Picasso", das nach einer Reihe von sensationell entertainenden Videoauskopplungen am Freitag seine Veröffentlichung feierte.

Du sagst, Dexters Beats würden dich beim Schreiben teilweise richtig einschüchtern, einfach aufgrund ihrer Qualität und ihres Detailreichtums. Habt ihr diese drei Jahre für "Yo, Picasso" auch gebraucht, um euch schreib- und produktionsmäßig aufeinander einzugrooven?

Ja, das war wirklich so. Allerdings habe ich in dieser Zeit auch ein Album mit Edgar Wasser gemacht, und zwei eigene EPs. Dexter hatte ebenfalls mit seinem Album und den Betty Ford Boys zu tun. Das heißt, wir haben zwar drei Jahre an unserem Ding gearbeitet, aber nicht krass fokussiert. Die ältesten Songs wie "ICE Abteil" und "Schauspielführer" sind halt drei Jahre alt. Wir haben ja auch früher schon zusammengearbeitet, aber ... Das klingt so abgedroschen! Es sollte nicht einfach irgendwas werden. Es war schon so, dass ich teilweise nicht mehr zurechtkam, mit den Beats. Entweder, weil Dexter - er meint das dann nicht böse - es nicht auf die Reihe gekriegt hat, was zu schicken, oder es nicht das Richtige war. Er schickt ja nie alles. Das hab' ich irgendwann auch gecheckt und bin dann öfter mal nach Stuttgart gefahren. Dann gings gleich viel schneller voran. Den Beat zu diesem lustigen Trapsong "Kann Nicht Reden Ich Esse" hätte er mir zum Beispiel niemals geschickt. Den wollte er direkt wegskippen und mir gar nicht zeigen! "Was war das denn??? Bist du bescheuert?!" Der geht ab und war genau das, was ich wollte. Man muss einfach hinfahren. Ein Produzent wird dir nie alle seine Beats schicken, sondern immer eine Vorauswahl dahingehend treffen, was aus seiner Sicht zu einem passen könnte. Und da fängt der Quatsch ja schon an.

Der Trap-Hit hat mich auf einem Fatoni-Dexter-Album ja tatsächlich ein wenig überrascht, muss ich sagen. Kommt man 2015 selbst als alter Hase einfach nicht um dieses Phänomen herum?

Wir sind lange dabei, aber nicht hängengeblieben. Ich kenne durchaus Leute, die sich bewusst dem Zeitgeist verwehren, aber das finde ich Quatsch. Wenn einen etwas beeinflusst, dann ist das eben so. Aber ich habe zum Glück nicht das Gefühl, dass "Yo, Picasso" eine zeitgeistige Platte ist, die in ein paar Jahren nicht mehr funktioniert. Das war auch einer meiner Ansprüche an diese Platte. Das ist so ein krasser Beat und ich zeige darauf endlich mal, dass ich flowen kann! Daher glaube ich nicht, dass der irgendwann peinlich wird, im Sinne von "Das hat man damals halt so gemacht!"

Lass uns doch mal über "Authitenzität" sprechen. Was ist denn das?

Das ist der alte Joke mit dem Wort, das alle falsch aussprechen. Ich habe es eigentlich immer richtig ausgesprochen. Bis ich den Song so genannt habe.

Du sagst darauf: "Scheiß auf Authentizität, ich will einfach nur ich selbst sein." Das impliziert ja, dass sich authentisch und man selbst sein gegenseitig ausschließt.

In erster Linie fand ich das einen total geilen Satz, in den du das jetzt reininterpretiert hast. Aber klar, das stimmt. Das ist da natürlich mit drin. Ich finde halt, dieses Thema Authentizität wird im Rap sowieso, aber auch generell im Showbusiness völlig überbewertet. Die Leute haben so eine krasse Sehnsucht danach. Unter den Konsumenten hat dieses Wort einen wahnsinnig hohen Stellenwert.

Ja, aber was ist das denn überhaupt, "authentisch"?

Das habe ich eben auch nicht verstanden und versucht, es mit diesem Song ein wenig herauszufinden. Ich weiß es eigentlich auch nicht, denn dieses Wort hat immer zur Folge, dass etwas erzeugt wird, was das dann versucht zu sein: etwas "Echtes".

Wann wäre denn ein Fatoni beispielsweise authentisch?

Generell ist interessant, dass die Leute das immer suchen. Mich interessiert das, wage ich zu behaupten, wenn überhaupt, nur unterbewusst. Mir ist scheißegal, ob jemand echt ist oder nicht. Nicht nur in Bezug auf Rap. Das ist einfach nicht das, was bei mir auslöst, dass ich es geil finde. Diese Line von Megaloh zum Beispiel, die alle von ihm feiern: "Einzige Mukke, wo man das, was man sagt, auch verkörpern muss" ... supergeiler Rapper, muss ich dazu sagen. Aber diese Line wird meines Erachtens total überbewertet. In meinem Weltbild stimmt das nicht.

Bustla, Ex-Kollege bei Creme Fresh, setzt sich dazu.

Es gibt ja keinen Rapper, der immer "er selbst" ist, wenn er auf der Bühne oder in Interviews ist. Niemand ist ja immer voll der coole Typ, aber ich will weder dir noch auf der Bühne meine schlechten Seiten zeigen. Das wäre doch aber vielleicht authentisch: wenn ich immer so wäre wie zu Hause. Das ist aber ja völlig uninteressant. Wir sind hier im Showbusiness, da will das keiner sehen. Ich verstehs einfach nicht, diese Authi... Authenti... siehste, ich kann das Wort nicht mehr sagen, seit ich diesen Song gemacht hab'!

Bustla: Weißt du, in welchen Momenten du authentisch bist? In den Momenten, in denen du Aufmerksamkeit verlangst. Dessen bist du dir hundertprozentig bewusst. Du machst es aber trotzdem. Das ist großartig. Das funktioniert bei dir jedes Mal!

Fatoni: Das ist grad voll schlimm. Das wird hier zu so einem Creme Fresh-Interview von vor sieben oder acht Jahren. (Gelächter) Da lief das auch immer so, dass wir gegenseitig über uns geredet haben.

"Aber es geht ja auch um Feindbilder!"

Du hast inzwischen deine Festanstellung als Schauspieler am Augsburger Theater aufgegeben, willst die Schauspielerei aber dennoch weiter machen und enger mit dem Rap verbinden.

Schauspielerei weitermachen: voll gerne, aber nicht um jeden Preis. Solche Geschichten wie den "Twinfruit"-Fernsehfilm zum Beispiel finde ich voll geil und würde ich sehr gerne auch öfter machen. Aber ich habe das Gefühl, als Schauspieler ist man immer wahnsinnig passiv und auch abhängig von irgendwelchen Dritten, die einen besetzen oder inszenieren, egal, ob im Theater oder im Film. Das hat viel mit Glück und Vitamin B zu tun und viel mit Willkür.

Meinst du, das ist im Rapgame alles leichter steuerbar?

Ich hab' das Gefühl, ich kann da mein Ding als Rapper machen und es funktioniert. Es gibt einfach auch viel mehr Schauspieler als Rapper und der Markt ist noch viel krasser als in der Musikindustrie, in der ja vieles auch schon krass klischeemäßig läuft. Wenn du Schauspielerin wärst, müsstest du aber mit Leuten schlafen. Also, krass überzogen dargestellt.

Du distanzierst dich gern von der Musikszene. Geht dir das mit dem Schauspielbusiness auch so?

Ich kann die Musikszene auf jeden Fall nicht ernst nehmen. Mich selber aber ja auch nicht, das ist ja ganz wichtig. Aber auch beim Theater, wo ich lange war, drehen diese Leute sich so krass um sich selbst! Das ist wirklich lächerlich. Das ist so eine Blase. Das gilt aber für jede Welt, in der ich mich bisher bewegt habe, sei es Theater, Film, Musik oder auch die Medien, in denen ich ja jetzt mit meiner Radioshow wieder einen Fuß habe. Ich kann das alles nicht ernst nehmen, weil das alles nicht ernst zu nehmen ist. Vielleicht ist das auch eine Charaktereigenschaft. Aber jede Szene und jede Branche ist ein bisschen lächerlich. Gar nicht böse oder arrogant gemeint. Das sind die Menschen. Die nehmen sich alle so wahnsinnig wichtig, gerade diese Künstler-Typen.

Inwiefern möchtest du aber Schauspielerei und Rap stärker verbinden? Auf der Bühne und in den Videos machst du das ja schon.

Ja, das mache ich schon, aber möchte das vor allem in den Videos noch mehr forcieren.

Stammen die Ideen immer von dir? Zum Beispiel Benjamin Button?

Nee, das sind schon oft kollektive Geschichten. Manchmal sind die Ideen komplett, manchmal nur sehr wenig von mir. Zum Beispiel haben wir mit Daniel Hd Schroeder und Edgar Wasser viele Videos gemacht. Benjamin Button war auch eine Kollektividee. Ich mache ja gerade mit Oh My ein paar Videos für das Album. Eigentlich wollten die ein Godzilla-Video drehen, das krass echt aussehen sollte, also eher so Intergalactic-Beastie Boys-mäßig. Das konnten wir aber aus Zeitgründen so auf keinen Fall umsetzen und waren praktisch wieder bei Null. Ich hab' dann den alten Film auf YouTube gekuckt, den Ton ausgemacht, den Song dazu aufgedreht und das alles mit dem Smart Phone gefilmt. Anschließend habe ich das den Oh My-Leuten geschickt und drunter geschrieben: "Fertiges Video." Das war eigentlich mehr ein Spaß, aber die sind voll drauf abgegangen und meinten: "Das ist ja die rettende Idee! So machen wirs."

Du schlüpfst gerne in verschiedene Rollen. Welche würdest du da grob als Hauptcharakter für dich definieren?'

Ich hab' das neulich mit Juse Ju tatsächlich mal eingeteilt. Nicht wirklich ernst, aber irgendwie auch doch. Bis jetzt gibt es: Funny-Rapper-Fatoni, der macht so Sachen wie "C'mon Das Geht Auch Klüger". Daneben gibt es Sad-Toni, der macht Songs wie "Schlafentzug". Und dann arbeite ich gerade noch an Bad-Toni und Mad-Toni, wobei die natürlich manchmal auch ineinander überfließen. So etwas wie "Vorurteile" zum Beispiel ist eine Mischung aus Funny-Rapper-Fatoni und Mad-Toni.

Bustla: Muss man denn verschiedene Leute sein, um verschiedene Emotionen zu haben?

Fatoni: Ja, klar. Im Showbusiness schon. Man ist ja zweidimensional. "Ein Schlechter Mensch" vom Album ist dann zum Beispiel auch Mad- oder Bad-Toni. Diese Charaktere gibt es also bisher. Das ist noch nicht ganz so ausgefuchst wie bei Marshall Mathers und Eminem, aber langsam nimmt das Formen an. Mal kucken, ob man das irgendwann gut vermarkten kann. Wahrscheinlich nicht.

Ein wenig spielst du auch mit deiner Rolle des Losers, was dich mit deinen Freunden, den Antilopen und Juse Ju, verbindet. Eine interessante, da selbsterwählte Darstellung.

Da sind wir wieder bei diesem authentisch-Thema.

Bustla aus dem Off: Authens-Toni.

Fatoni: Ja, es ist eine selbsterwählte Darstellung, aber das kommt ja nicht einfach von irgendwo her. Es ist nicht so, dass die nicht auch aus tatsächlichen Erfahrungen resultieren würde. Ich würde mich, gesellschaftlich gesehen, nicht als einen Loser bezeichnen, aber es gibt Leute, die meinen Lifestyle – und vor allem den, den ich vor ein paar Jahren gepflegt habe, bevor ich mit der Musik mehr im Mittelpunkt stand – ganz klar als Loser-Lifestyle betiteln. Kollegah der Boss, irgendwelche Bänker aus Frankfurt, Menschen mit anderen Werten: Die stehen ja schon auf der Gewinnerseite in unserem System. Jemand wie Kollegah ist ein Gewinnertyp, in seiner Selbstdarstellung wie auch in der Außenwahrnehmung. Er hat krasse Muskeln, er hat krasse Ketten, er fickt die Bitches und hat krass viel Geld. Vor allem Geld kommt an erster Stelle. Das ist ja bei mir alles nicht der Fall. Natürlich ist meine Darstellung überspitzt, ich empfinde mich nicht als Loser. Aber gesellschaftlich gesehen bin ich dreißig und bin freiberuflich Rapper und Schauspieler und habe keinen Plan, was in fünf oder zehn Jahren geht. Klar kann es sein, dass sich das plötzlich ändert, denn der nächste große Hit ist nur den nächsten großen Hit entfernt. Vielleicht mache ich demnächst "Easy". Aber bevor das nicht passiert ...

Ein Stück weit reiht ihr euch aber in deren Wertesystem ein, indem ihr da immer wieder drauf referiert.

Man spielt dann natürlich damit. Aber das ist ja schon auch dieses übergestülpte Wertesystem, das wir über unsere Gesellschaft und das Land, in dem wir leben, mitbekommen. Die Antilopen Gang und Juse Ju machen das ja noch viel dicker. Die machen ganze Songs mit der Überschrift "Wir sind die Armee der Kaputten und der Hässlichen". Da rappt ja Danger Dan sinngemäß in seinem ganzen Zorn: "Damals in der Schule haben mich diese ganzen Arschlöcher gemobbt, die jetzt Anlageberater sind ... Und heute auf dem Juice-Cover sind dieselben hässlichen Hurensöhne! Nur dumme chauvinistische Männer mit viel Geld! Ich will mit euch nichts zu tun haben! Das war damals so und das ist heute so." Ich würde das selber in einem Song so nicht machen, aber eigentlich ist es genau das. Ich finde diese Männer zwar auch irgendwie lustig, aber was die eigentlich repräsentieren, sind Werte, die mir völlig fremd sind. Das ist einfach irgendwelche Scheiße. Ach, ich rede immer über andere Leute in meinen Interviews ... Aber es geht ja auch um Feindbilder! Abgrenzung schafft Identität. Ich empfinde mich selbst nicht als Loser, aber ich empfinde es so, dass gerade Leute aus meinem Genre das Gegenteil von mir als Gewinnertypen darstellen. Also schließe ich daraus, dass wir die Losertypen sind. Allerdings ist das auch ein Gefühl, das ich tatsächlich schon in meinem Leben hatte. Schule mega verkackt, noch nicht einmal Abitur, sondern den miesesten Schulabschluss. Dann habe ich voll lange nicht gewusst, was ich machen soll, weil ich suggeriert bekommen und auch selbst gedacht habe, kein Rapper werden zu können. Eigentlich hat sich das erst geändert, als ich Schauspieler wurde. Das war was Künstlerisches, wo ich dachte: Geil, da kann ich mich doch selbst verwirklichen und muss nicht in eine Bank gehen. Ich hatte immer wahnsinnig Angst davor, in einer Bank zu enden.

Woher kam das?

Weiß nicht. Vorbilder, Eltern. Die sind zwar nicht spießig, aber mein Vater hat halt irgendeinen Job angenommen, weil er Kinder bekommen hat. Was ja auch sehr ehrenwert ist, ihn aber eben nicht glücklich gemacht hat. Mir war immer klar, dass das bei mir auch so wird. Ey, meine ersten Jobs waren jahrelang im Supermarkt Regale einräumen! Ich will mich jetzt nicht zum Tellerwäscher-Jungen stilisieren, war ja auch völlig okay, so etwas mit zwanzig zu machen, aber dieses Gefühl kommt vielleicht von daher. Sicher bin ich mir aber nicht. Vielleicht sind es auch nur Minderwertigkeitskomplexe. Aber die, finde ich, könnte man als Künstler auch haben. Bei anderen kehrt sich das so um, dass sie zu diesem Muskelmann werden. So eine Entwicklung machst du ja auch nicht, wenn du cool mit dir bist.

"Ich kann vielen nicht simpel genug sein"

Du bist kein 20-jähriger Rap-Emporkömmling mehr, sondern hast schon eine ordentliche Bio auf dem Buckel.

Über zehn Jahre Rap, und immer noch Newcomer.

Du hast einen ganz schön langen Atem gebraucht, aber jetzt läufts.

Ja. Nach der Trennung von Creme Fresh war ich an einem Punkt, an dem ich dachte: Das wars jetzt, du wirst nie wieder Aufmerksamkeit für deine Musik bekommen. Aber ich wollte nicht aufhören. Die ersten Gigs waren tot, das war richtig schlimm auf der Bühne. Ich hab dann gemerkt, ich kann erst einmal keine Konzerte mehr spielen, denn das geht so nicht. Inzwischen bin ich immer noch weit entfernt von den Konzerten, die ich gerne spielen möchte, aber ich finde, dass ich das jetzt ganz gut mache. Der richtige Lauf kam aber ja wirklich erst mit Edgar Wasser und wurde bei "Die Zeit Heilt Alle Hypes" plötzlich noch viel größer. Edgar meinte mal zu mir, wie krass das eigentlich sei, dass das so explodiert ist. Da habe ich das selbst erst gecheckt.

Mit der EP hast du dich in der Öffentlichkeit auch sozusagen von ihm emanzipiert. Erst kam Creme Fresh, dann Edgar Wasser und jetzt Fatoni pur.

Ja, voll! Das war auch mega wichtig. Gestern erst hat Dexter in einem Interview, das wir gemeinsam gegeben haben, gesagt, dass ich eine Weile eben immer nur als Sidekick wahrgenommen wurde. Deshalb war sehr wichtig, dass Edgar und ich nicht gleich wieder eine Platte gemacht haben.

Hast du ihn deshalb auch bewusst diesmal nicht als Feature mit auf die Platte geholt?

Ja, schon. Weil der Sidekick mich genervt hat, aber auch, weil ich diesmal keine vorhersehbaren Features wollte. Außer Dexter, der hat darauf bestanden. Es sind daher bewusst nicht die Antilopen Gang, Juse Ju und Edgar Wasser auf dem Album.

Du hast krasse Vorschusslorbeeren von der Musikjournaille bekommen. Haben sich dementsprechend deine Erwartungen geändert? Oder ist dein Hauptziel immer noch das Cover der "Mobil"?

Nein, das Cover der "Mobil" ist für mich eigentlich gestorben, weil ich immer der erste Rapper sein wollte, und das war jetzt Marteria. Das hat er mir einfach weggeschnappt. Aber um ehrlich zu sein: Als Rapper, glaube ich – außer ich mache jetzt eine Entwicklung durch, die ich selber cool finde und werde rappender Tatortkommissar – werde ich nie so Mitte der Gesellschaft, dass ich auf das Cover der "Mobil" komme. Damals, als ich den Song gerappt habe, war ich genau an dem Punkt, wo ich dachte, jetzt geht gar nichts mehr. Da rapp' ich ja: "Ich erwarte nicht mehr viel, aber hab noch ein Ziel ... Cover der 'Mobil'." Das war ja mega ironisch, weil ich gesagt habe: Ich erwarte nicht mehr viel. Aber ich habe wirklich gedacht: Das wars jetzt, ich rapp' jetzt noch ein bisschen dope hier rum, aber zu schätzen wissen wird das keiner.

Sowas kann sich, wie wir wissen, schnell ändern. Gehts jetzt los?

Das weiß man eben nicht. Bei Creme Fresh dachten wir das auch eine Weile. Da haben wir uns dann blöderweise aufgelöst (lacht), da konnte es also nicht losgehen. Aber es ist eben schon ein schnelllebiges Business. Wäre ich jetzt Anfang zwanzig, würde ich auf jeden Fall denken: Ich fick' sie jetzt alle. Aber ich habe so etwas Ähnliches eben schon einmal erlebt. Ich glaube schon, da geht noch mehr, aber ich glaube nicht, dass ich der nächste Marteria werde. Vielleicht bin ich auch pessimistisch, aber ich glaube, eher realistisch. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, es bedeute mir nichts, was die Kritiker schreiben, denn so Leute wie ihr seid ja nicht die Kids, sondern genau die Leute, die es halt checken und die ich damit auch ansprechen möchte. Die Frage ist jetzt nur: Bleibt es bei den Kritikern oder gibt es noch mehr Leute außer denen, die meine Musik eh umsonst bekommen? Wenn es nicht mehr checken, ist das ein bisschen traurig. Andererseits hat man dann auch eine Bestätigung: Dann ist man eben Avantgarde. Das kann man dann ohne peinlich zu sein sagen. Ich habe schon oft das Gefühl, ich kann einfach nicht simpel genug sein für viele Menschen. Ich kann und will es aber auch nicht.

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