laut.de-Biographie
France Gall
Frank Sinatras "My Way" gehört wohl zu den häufigsten auf Beerdigungen gespielten Songs. Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder wünscht sich das Lied beim Großen Zapfenstreich. Ob all diese Menschen wissen, dass es dieses Stück ohne die französische Pop-, Schlager- und Chanson-Sängerin France Gall nicht gäbe?
1966 schreibt Claude François, nach der gescheiterten Liebesbeziehung mit Gall zerfressen von Liebeskummer, den Titel "For You", den er mit leichten Abänderungen unter dem Namen "Comme D'habitude" veröffentlicht. Paul Anka sichert sich die Rechte an einer englischen Version und verfasst den Text, in dem sich heute jeder Möchtegern wiederzufinden glaubt.
Ein Blick in die großen Rehaugen und den schmachtenden Blick von France Gall, und man versteht François' Beweggründe. Die so besungene Dame kommt am 9. Okotober 1947 in Paris als Isabelle Geneviève Marie Anne Gall zur Welt. Ihr Vater schreibt Chansons für Charles Aznavour und Edith Piaf.
Im zarten Alter von fünfzehn Jahren bricht Isabelle die Schule ab und landet mit ihrer ersten Single "Ne Sois Pas Si Bête" und der Hilfe von Papa ihren ersten Hit. Auf Rat ihres Managers wählt sie den Namen France, da dieser Verwechslungen mit der Sängerin Isabelle Aubret befürchtet.
Das französische 'Enfant Terrible' Serge Gainsbourg wird auf die junge Chanteuse aufmerksam. Seine Texte, oft mit doppeltem Boden und erotischen Anspielungen versehen, modelliert er um seine junge und naive Lolita.
Der Bekanntheitsgrad steigert sich im Zusammenspiel mit den Skandalen. "France Gall hat mein Leben gerettet", erinnert sich Gainsbourg an diese Zeit. "Bevor sie meine Lieder sang, war ich bei den meisten jungen Leuten total abgemeldet. Ich bereue diesen Teil meines Lebens überhaupt nicht. Und heute gibt es mich immer noch."
Mit "Poupée De Cire Poupée De Son", von Gainsbourg geschrieben, nimmt France Gall 1965 für Luxemburg am Grand Prix Eurovision De La Chanson in Neapel teil und gewinnt. Doch die erfolgreiche Zusammenarbeit endet bereits im folgendem Jahr abrupt.
"Les Sucettes" erscheint in France Galls guten Glauben, ein nettes Kinderlied zu veröffentlichen. Vordergründig handelt das Stück vom Mädchen Annie, dass sich für ein paar Pennies Lutscher mit Anisgeschmack kauft und sich wie im Paradies fühlt, wenn die enthaltene Flüssigkeit ihre Kehle herunterläuft.
Doch "sucettes" steht in Frankreich auch für Blow-Jobs. Auch die französische Aussprache des Wortes Pennies ist nicht weit vom männlichen Geschlechtsteil entfernt. Mit Hilfe und auf den Schultern seines eigenen "Baby-Pop"-Sternchens verpasst Gainsbourg der französischen Pop-Szene seiner Zeit einen bissigen Seitenhieb, in der junge Frauen von Liebe, Lust und Leben singen, ohne auch nur einen Schimmer davon zu haben. "Ich glaube, Gainsbourg war selbst überrascht von France Galls Naivität", sinniert Biograf Verlant. "Er wollte sich einfach amüsieren."
Erst als sich "Les Sucettes" längst zu einem Erfolg entwickelt hat, wird Gall auf ihre Naivität hingewiesen. Untröstlich zieht sie sich für Wochen aus der Öffentlichkeit zurück. "Ich habe das der ganzen Welt übel genommen. Ich habe den Song ganz unschuldig aufgenommen und hatte keine Ahnung", beteuert die Sängerin noch Jahre später in einem Interview. Es kommt zum Bruch mit Gainsbourg.
Während ihre Karriere in Frankreich ins Stocken gerät, startet France Gall wie viele Künstler ihrer Zeit auf dem deutschen Schlagermarkt durch. Kurzzeitig verlegt sie ihren Lebensmittelpunkt gar nach Deutschland. Zwischen 1966 und 1972 veröffentlicht sie in Zusammenarbeit mit Werner Müller Hits am laufenden Band. Für "Zwei Apfelsinen im Haar" erhält sie eine goldene Schallplatte. Es folgen Gassenhauer wie "Der Computer Nr. 3", "Ein Bißchen Goethe, Ein Bißchen Bonaparte" oder "Haifischbaby", für dessen Single-Version später bei eBay Unsummen geboten werden.
Nach ihrem Ausflug nach Deutschland sagt sich France Gall vom Image des kleinen Mädchens los. Sie möchte als Frau wahrgenommen werden. Hilfe findet sie in ihrem neuen Sidekick, dem Sänger und Saxophonisten Michel Berger. Er mischt Folk- und Rock-Einflüsse mit modernen Chansons, arbeitet mit Véronique Sanson, Johnny Hallyday und Francoise Hardy. Schnell wird aus der zunächst rein professionellen Zusammenarbeit die große Liebe. Bereits 1976 heiraten Berger und Gall. Die Kinder Pauline Isabelle und Raphaël Michel erblicken das Licht der Welt.
Nach einigen erfolgreichen Alben produziert Berger für seine Frau die Rock-Oper "Starmania!", besser unter dem englischen Namen "Tycoon" bekannt, deren Erfolg nicht vor den Grenzen Frankreichs Halt macht. Mit der Single "Ella Elle L'a", einer Hommage an Ella Fitzgerald, und dem Longplayer "Babarcar" landet das Duo 1988 einen Welterfolg.
Doch nach dem gemeinsamen Höhenflug schlägt das Schicksal gnadenlos zu. Die 1990er Jahre halten für France Gall eine einzige Aneinanderkettung von Unglückfällen bereit. Kurz nachdem Michel Berger gemeinsam mit seiner Frau 1992 das Album "Double Jeu" veröffentlicht, stirbt er während eines Tennisspiels im Alter von 44 Jahren an einem Herzinfarkt. Im April 1993 wird bei France Gall Brustkrebs diagnostiziert.
Doch die Sängerin übersteht ihre Erkrankung und den Verlust ihres Partners. 1996 veröffentlicht sie "France", auf dem sie ihre eigenen Interpretationen der Songs ihres Mannes singt. 1997 gibt sie ihren Rücktritt aus dem Showgeschäft bekannt. Kurz darauf stirbt ihre Tochter Pauline mit 19 Jahren an Mukoviszidose.
Anstatt sich nach der Trauer in die Arbeit zu stürzen, verabschiedet sich Gall über Jahre aus der Öffentlichkeit. Sie lebt zwischen Senegal und Paris, fasst neuen Mut und beginnt, Menschen in Not zu helfen. "Ich konnte es nicht fassen, dass ich erleben musste, wovon jeder sagt, es sei unmöglich, so etwas zu überwinden. So beschloss ich, eine Mutter zu werden, der es gelingt, mit dem Gedanken, ein Kind und ihren Mann verloren zu haben, zu leben", gesteht sie. Nach fünfzehn Jahren Auszeit arbeitet sie an einem Musical mit Songs ihres Mannes.
"Ich habe wieder Vertrauen in das Leben gefunden. Das Leben macht mir keine Angst mehr. Ich habe schlimme Momente durchlitten und schwere Prüfungen überstanden", sagt die französische Sängerin. Erhobenen Hauptes geht France Gall durch peinliche Momente, gefeierte Erfolge und traurige Zeiten und rafft sich immer wieder auf. Immer auf ihrem eigenen Weg.
Dieser Weg endet schließlich im Januar 2018. Im Alter von 70 Jahren erliegt France Gall, die mit ihren Liedern ganze französische Generationen begleitete, in einer Klinik bei Paris einem langwierigen Krebsleiden.
4 Kommentare
Tolle Frau, mit außergewöhnlicher, sehr angenehmer Stimme.
Sehr, sehr schöne Songs. Schade, dass alles seine Zeit hat und
diese Zeiten kommen leider nicht wieder.
Eines bleibt jedoch, die schönen Erinnerungen.
Chapeau, France Gall
Tolle Frau, mit außergewöhnlicher, sehr angenehmer Stimme.
Sehr, sehr schöne Songs. Schade, dass alles seine Zeit hat und
diese Zeiten kommen leider nicht wieder.
Eines bleibt jedoch, die schönen Erinnerungen.
Chapeau, France Gall
Schaut mal her, bei "Bataillon D'Amour" geht es offenkundig um das schreckliche Thema der "Kindesmißhandlung": "battere" bedeutet "Schlägern". Ich dachte zunächst, es sei sehr ernst. Dann sickert bei der anderen trotz meines mangelhaften Französisch Folgendes durch:
"Heller! Heller! es kost' nur 3 Franc, wir vertrotteln euren dummen Staat". Schaut mal, Franz Gall und Francis Galton waren zwei bedeutende Wegbereiter der sozialdarwinistischen "Forschung". Soo ernst ist das alles wohl nicht, aber dafür kommt es dementsprechend peinlich...
France Gall ("Ella, elle l'a") ist tot. Sie erlag im Alter von 70 Jahren in Paris einem Krebsleiden, wie ihre Sprecherin Geneviève Salama mitteilte. Gall habe der Krankheit in den vergangenen Jahren "mit Würde" die Stirn geboten. Die Sängerin Gall hatte 1965 ihren internationalen Durchbruch gefeiert, als sie mit Serge Gainsbourgs Titel "Poupée de cire, poupée de son" für Luxemburg den Grand Prix Eurovision de la Chanson gewann. 1987 landete sie mit dem Lied "Ella, elle l'a" auch in Deutschland einen Nummer-Eins-Hit. Nach dem Tod ihres Mannes Michel Berger 1992 gab Gall kaum noch Konzerte. 1993 erkrankte sie an Brustkrebs. Als ihre Tochter Pauline vier Jahre später an der Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose starb, zog sie sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück. Erst 2015 meldete sie sich mit dem Musical "Résiste" zurück.
RIP France..merci beaucoup pour de belles heures ... tu vis dans ta musique ...