laut.de-Kritik
Obacht. Sie betreten die Bling-Bling-freie Zone.
Review von Dani Fromm"Unseren Sound zu fühlen: eine Frage deiner Mentalität." Damit trifft es Bosca genau. Wer sich in der düsteren, teils schwermütigen, teils unterschwellig aggressiven Umgebung des Niemandslands schon immer ein wenig fehl am Platz fühlte, der braucht es mit diesem Sampler wirklich nicht noch einmal neu zu versuchen. Der kommt nicht mehr an. Wem dagegen die stolze, aber ungekünstelte Haltung der Frankfurter und die zwischen Tragik und Bombast oszillierenden Atmosphären entgegen kommen, den heißen die Freunde von Niemand willkommen zurück, in ihrem Niemandsland.
"Supporten kann man das eigentlich nicht, wenn man nicht gerade aus FFM kommt", kommentierte ein Leser die Kritik zum ersten Labelsampler. Äh, pardon ... kann man wohl. Ich komm' nicht aus Frankfurt am Main. Ich weiß, um die von Vega in den Raum geworfene Frage zu beantworten, entsprechend wenig über Straßenregeln, wehende Fahnen, übers Gürtelziehen und in Drogengeschäfte verwickelte Chabos. Macht gar nichts. Um zu erkennen, ob mir jemand aufrecht oder buckelnd, ehrlich oder verschlagen gegenüber tritt, muss ich mich nicht mit Hinterhofschlägern, Junkies oder Ultrahools herumgeprügelt haben.
Wenn Bosca und Bizzy Montana sich in "Wir Lassen Das Feuer Brennen" zum "Sprachrohr einer ganzen Generation" ausrufen, fühle ich mich von diesen Jungs, die - angeschlagen, aber ungebrochen - am Abgrund entlang balancieren, tausendmal besser repräsentiert als von den ganzen Heinis, die mir Bären von Designerklamotten im Schrank, der Champagnerbuddel im Eiskübel, dem Maybach in der Garage und der Silikontitten-Schlampe im Schlafzimmer aufbinden wollen.
Der größte Trumpf im Blatt der Freunde von Niemand: Ich glaube denen jedes verdammte Wort. Schmerz und Enttäuschung, aber auch Treue und Hingabe schwingen in und zwischen den Zeilen mit. "Eure Technik juckt mich nicht, weil ich verblute, wenn ich schreib'", setzt Vega zu düster-pompösem Jumpa-Beat gleich im "Intro" Prioritäten. "Ich bin ein König, mich interessiert nicht, wenn meine Kinder mit der Krone spielen."
Nicht nur Vega trieft das Blut von den Stimmbändern. Auch Timeless sprudelt es nur so aus dem Stift, wenn er die Narben zeigt, die "Eine Liebe" zusammen mit verbrannter Erde hinterließ. Ich steh' ja eigentlich nicht so auf Beziehungsanalysen-Seelenstrip. Hier sitzt aber der Stachel noch so hörbar tief in der Wunde, dass man das brandige Fleisch beinahe riechen kann. Cristal bringt zur Illustration der Seelenqual natürlich Streicher und Piano.
Mit wenigen Ausnahmen geraten die Beats weder besonders innovativ noch sonderlich abwechslungsreich. Ihre Wirkung schmälert dieser Umstand allerdings kaum: Das Niemandsland klingt majestätisch, aber ohne jeden Glitter. Entsprechend marschiert auch kein Kriegerheer in schimmernden neuen Rüstungen auf, sondern eine Gruppe Veteranen: kampferprobt, schon ein wenig verbeult und schartig, desillusioniert - und gerade deswegen gefährlich.
Am Grenzverlauf hat sich seit der letzten Werkschau nichts geändert: Unbeirrt wahren die Niemandsfreunde Distanz. Dort stehen die anderen, die sich dem Massengeschmack an den Hals werfen, sich am Boulevard prostituieren und damit schlimmstenfalls noch Erfolg haben. Hier stehen wir, Vega, Bosca, Timeless, Bizzy Montana und Johnny Pepp, denen die gerade Linie im Zweifel mehr bedeutet als der kommerzielle Coup: "Musst' mich entscheiden zwischen Bravo und der Straße", so Vega, "zwischen Bild und der Straße, und bin Straße geblieben." Mancher Kollege hat sich schon anders entschieden.
"Willkommen Im Niemandsland 2" besitzt durchaus Längen, wenn auch wenige. Johnny Pepps Stimme empfinde ich als ungeheuer anstrengend, insbesondere in "Es Brennt". "Krieg In Meinem Kopf" wirkt nicht nur inhaltlich reichlich konfus (was ja noch zum Titel passen würde), sondern zudem noch einen Tick zu lang. Das fällt besonders auf, nachdem den meisten anderen Tracks knackige drei Minuten reichten, um auf den Punkt zu kommen. "Ich denk' geradeaus, ihr denkt um die Ecke", erläutert Johnny Pepp. Da darf gerne jeder für sich entscheiden, welche Strategie ihm spannender vorkommt.
Als Produzent scheint mir der Mann eher in seinem Element. Johnny Pepp jongliert mit bedeutungsschwangeren Streichern, schichtet Gitarren aufeinander und lässt akustische Nebel um die Knöchel wabern. Die Beatbastlerkrone darf sich diesmal aber trotzdem Bizzy Montana aufsetzen - für die Kombination aus schrägem Loop, Synthies und fiependen Elektrosounds in "Könige Der Nacht".
Nö, im Niemandsland bahnt sich keine Revolution an. Die Rollen bleiben klar verteilt, die Fronten abgesteckt. Erfolg hin oder her, wandeln die Protagonisten emotional wie finanziell noch immer am Limit. Noch immer kein Bling-Bling. Noch immer tragen die Engel, die die Hintergrundchöre beisteuern, nicht gleißendes Weiß, sondern Trauer. Der düstere Vibe erweckt noch immer den Eindruck der trügerischen Ruhe vor dem Sturm. Noch immer fehlt ein Hit. Noch immer scheißen die Freunde von Niemand drauf, biedern sich noch immer nirgends an. Gerade deswegen behalten Vega und Johnny Pepp auch Recht: "Wir sind immer noch hier. Immer noch nich' so wie ihr. Wir stehen immer noch, immer noch."
4 Kommentare mit 2 Antworten
einen Hit im klassischen Sinne haben sie vielleicht nicht, aber alleine das Intro von Vega ist besser als 60-70% aller Deutschrap Hits der letzten Jahre.
Naja, übertreiben wir mal nicht, ne.
Aber:
Ich mag die Jungs weil sie das verbotene Wort "Realness" sehr sehr gut verkaufen und man auch keine aufgesetzte Attitude dahinter vermutet und das hat sich ja sehr rar gemacht in letzter Zeit. Manchmal passen Phrasen halt einfach doch.
frag mich bei den typen immer wie ihr hartes rumgemacker und die fragwürdige attitüde zu den rumheul lyrics passen...
Ich höre ja schon ewig Deutschen Hip Hop, aber gerade auf FvN bin ich extrem hängengeblieben. Das was von denen ausgestrahlt wird, ob Menschlich oder Musikalisch, hab ich noch bei keinen anderen Künstlern gesehen.
Jeder seine eigene Meinung, aber ich bleib weiterhin derber Fan und feier es, auch Pepp. (Ich will auch ein Schluss aus Pepp)
was strahlen die denn aus? stadt verteidigen und sich in selbstmitleid suhlen? ganz ehrlich, für diese kunden ist nahezu an jedem vorstadtbahnhof endstation
naja... vega mag ein babyface sein... aber ich trau den fvn leuten schon zu, dass sie nich erst zum handy greifen müssen, wenns mal in der luft knistert... anders als andere leute, die sich nur aus dem fenster lehnen, wenn sie "rücken haben"
Aber sodi sollte lieber sheytan- 9mm gwr hören. mit blokk feat und besser als bgb3