laut.de-Kritik
Düstere Stimmung, kraftvolle Riffs, zerstörerische Wut.
Review von Andreas DittmannJetzt ist es schon wieder passiert: Ein weiteres Mitglied hat die Gallows verlassen. Nach Sänger Frank nahm auch sein Bruder Stephen Carter den Gitarrenkoffer und verschwand. Da sieht man sich als Band doch mit der entscheidenden Frage konfrontiert: Sollen wir so wirklich weitermachen?
Die Antwort: ein klares Jein. Weitermachen ja, aber nicht mehr so wie bisher. Eine Veränderung muss her! Voilà: "Desolation Sound" heißt das neue Kapitel in der Gallows-Geschichte, das einige Veränderungen mit sich bringt.
Eines ist ziemlich offensichtlich: Das Quartett lässt sich viel mehr Zeit für seine Songs. Vier-Minuten-Kracher sind keine Seltenheit mehr, das war auf dem knackigen letzten Album noch anders.
Das Ziel der Band besteht auch nicht mehr darin, das größtmögliche Chaos anzurichten, sondern düstere Stimmung zu erzeugen. Nicht umsonst nennt Gitarrist Laurent Bernard Siouxsie & The Banshees als Inspiration.
Jetzt braucht aber keiner ernsthaft zu erwarten, die Gallows machten auf einmal New Wave oder Gothpunk. Der Grundstein ihrer Musik bleibt Hardcore. Aber die vier Jungs gehen an die Grenzen des Genres und probieren aus, was geht.
"Mystic Death" rumpelt und poltert da noch relativ normal aus den Boxen. Spätestens bei "Desolation Sounds" reibt man sich aber verwundert die Ohren. Wade MacNeil singt (!) ungewöhnlich hoch und klingt im ersten Moment nach Paul Wallfish von Botanica. Die Illusion hält nicht lange an, aber die erste Überraschung ist schon mal geglückt.
"Leviathan Rot" lässt dann wieder die E-Gitarren Wände einreißen. Wade MacNeil brüllt sich die Seele aus dem Leib, seine Band randaliert und groovt. Ähnlich gehts bei "Leather Crown" und "Swan Songs" zu. "93/93" bewegt sich ins Extreme und knüppelt, Gift und Galle spuckend, durch atemlose zweieinhalb Minuten.
Mit "Chains" kommt dann der beste und ungewöhnlichste Song des Albums. Frauenstimmen singen mehrstimmig über sphärische Gitarren, dann bricht ein heftiger Kopfbanger über den Hörer ein. Hier hört man endlich, was Gallows mit ihrem Album vorhatten: düstere Stimmung, kraftvolle Riffs, zerstörerische Wut. "Chains" legt die Latte für die restlichen Songs hoch, hier passt einfach alles. Dieses Niveau hält die Band aber nicht wirklich.
"Bonfire Season" und "Death Valley Blue" liefern gute Beispiele dafür, was bei "Desolation Sounds" nicht klappt: Zwar beschreiten beide Songs relativ neue Wege im Bandsound, spielen mit Hall und Alternative-Rock, letztendlich fehlen ihnen aber Leidenschaft und Dringlichkeit, um wirklich zu packen. "Cease To Exist" macht dafür wieder vieles richtig und bleibt größtenteils angenehm entspannt.
Die vierte Gallows-Platte birgt gute Momente und Songs, keine Frage. Nur: Ein roter Faden fehlt. Man wird das Gefühl nicht los, die Urheber wissen selbst nicht so genau, wohin sie mit "Desolation Sounds" wollen. Den gnadenlosen Punch der Vorgänger erreicht das Werk fast nie, die neuen Ideen wirken stellenweise noch zu unausgereift. Das lässt das Album oft unsicher und unstimmig rüberkommen, ein paar eher maue Songs tun ihr Übriges. Bleibt zu hoffen, dass sie bis zum nächsten Album herausfinden, wohin die musikalische Reise gehen soll.
3 Kommentare
ihr debütalbum war die absolute abrissbirne, da ging einiges, alles andere danach ist im vergleich zwar nicht wirklich schlecht, unbedingt haben muss man es aber nicht.
und da macht der jüngste output leider auch keine ausnahme.schad drum, die waren mal richtig geil.
Finde 'Grey Britain' noch um einiges geiler. Für mich eines der Top 3 Alben, wenn's um Hardcore-Punk (wie auch immer man es nennen will) geht.
ich werde ein ohr riskieren. tönt gut