laut.de-Biographie
Ghostpoet
Obaro Ejimiwe, Jahrgang 1983, produziert Sounds, die sich zwischen abstraktem Indie-Hip Hop, überspannten Raps und Trip Hop-Versatz nicht entscheiden mögen. Wie gut das zum Wesen des modebewanderten Ghostpoet passt, zeigt schon sein schlangenlinienförmige Herkunft.
Der heutige in London lebende Künstler wächst irgendwo im Nirgendwo zwischen Nigeria, der Dominikanischen Republik und Coventry, UK auf. In der abgewirtschafteten Ex-Industrie-Metropole inmitten Englands kämpft er in der Jugend mit dem weit verbreiteten No-Future-Überdruss.
So handeln auch zahlreiche Songs seines 2011 erscheinenden Debütalbums "Peanut Butter Blues And Melancholy Jam", die er in seiner Studentenzeit zu schreiben beginnt, von unbestimmten dunklen Gefühlen, von Orientierungslosigkeit. Ejimiwes von Angst getriebene Raps erzählen vom Kampf gegen Langeweile, von versoffenen Pub-Nächten und der folgenden Melancholie im Morgengrauen.
Die britische Presse vergleicht Ghostpoet auch aufgrund seiner minimalistischen, hypnotischen Beat-Strukturen mit Tricky, Roots Manuva, Dels, Speech Debelle und The Streets. Die LP-Premiere, die der Brite auf dem Imprint des BBC Radio 1-DJs Gilles Peterson feiert, erhält eine Mercury Prize-Nominierung.
Dabei hätte auch alles anders kommen können. Kurz vor der Vertragsunterschrift bei Brownswood verliert Ejimiwe seinen Arbeitsplatz bei einem Versicherungsunternehmen. Die Frustration kanalisiert der MC via Musik, die er auf der ersten EP von Mica Levi, Bandkopf des LoFi-Noise-Outlets Micachu & The Shapes, produzieren lässt.
Doch erst für das Zweitwerk "Some Say I So I Say Light" 2013 arbeitet der Oldtimer-Narr konsequent mit Studio-Equipment. Gemeinsam mit Produzent Richard Formby (Aufträge für Wild Beasts, Darkstar) kommt die Erkenntnis: "Ich brauchte diesmal mehr, als meine Musik in einen Computer zu stecken und Presets zu benutzen, um sie aufs nächste Level zu heben."
Seinen Live-Auftritten dürfte diese Verlagerung ins Analoge ebenfalls zugute kommen. Auf die Interview-Frage, was das peinlichste Bühnenerlebnis bisher gewesen sei, sagt Ghostpoet: "Als mein Laptop abstürzte. Es dauerte eine Viertelstunde, um ihn wieder zum Laufen zu bringen. Peinlich, aber eine Erfahrung, aus der ich gelernt habe."
Ghostpoets Konstanz sorgt dafür, dass auch sein drittes Album "Shedding Skin" (2015) eine Mercury Prize-Nominierung erhält. Längst ist die englische Gruppe Massive Attack auf ihn aufmerksam geworden und man kollaboriert auf dem Song "Come Near Me". Der Künstler, der sich nicht gern in Schubladen stecken lässt, freundet sich mehr und mehr mit den Genres Alternative-Rock und Electronica an.
Die Corona-Krise 2020 dämmt die Promophase für den Nachfolger von "Dark Days + Canapés" (2017), dem vierten Album des Briten, ganz schön ein. Die Qualität der Musik auf "I Grow Tired But Dare Not Fall Asleep" beeinträchtigt das aber nicht. Noch immer ist Ghostpoet ein scharfsinniger Beobachter, der bei der Produktion seiner Musik längst nicht mehr auf Hilfe angewiesen ist.
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