laut.de-Kritik
Die Alternative zu "Last Christmas".
Review von Michael SchuhItalien und Disco-Pop, diese eine Liebe wird nie zu Ende geh'n, wann werd' ich sie wiederseh'n? Jetzt! Auf "Mirrors & Smoke", dem Debütalbum von Gío. Es versteht sich von selbst, dass der Schöpfer hinter solch einem Cover-Artwork mit einem Höchstmaß an Stil und Ästhetik gesegnet ist, das zwangsweise auch auf die Musik abfärben muss.
"Mirrors & Smoke" begeistert mit einer gefühlvoll proportionierten Dosis Synth-Kitsch und schnulzigem Soul, dass mir fast die Tränen kommen, was zu einem nicht unerheblichen Teil allein schon am Schnauzbart des Protagonisten liegt. Aber eben auch an den bärenstarken Hooks von "Mirrors & Smoke" oder "Why Am I Weary". Dreams are my reality, Ladies and Gentlemen, öffnen Sie sich in diesen verschlossenen Zeiten, das Ergebnis wird Sie begeistern.
Das Album stellt viele Fragen, etwa warum man eher die Backgroundsängerinnen (Charlotte Brandi, Kat Frankie) oder den Drummer und Co-Produzenten (Philipp Janzen) kennt, als den Star des Abends. Oder was es mit diesem Parfum "Gío" auf sich hat, das in der LP beworben wird. Wie so oft sind es genau solche mysteriösen Details, die in der Musik wohlig mitschweben, ohne aufgelöst werden zu müssen.
Dass Gío eigentlich Johannes Stankowski heißt und aus Köln kommt, ist eine absolut unerhebliche Information, spätestens wenn man das Video zum Titeltrack gesehen hat, wo er (natürlich) in weißem Sacko lässiger am Steinbalkon lehnt als Tom Selleck. Sein zitatkräftiger Stilmix ist gleichermaßen cheesy und exaltiert wie einfühlsam, man hört Zucchero, Nesthäkchen und "La Boum", aber vor allem Gío. Dies liegt sicherlich auch an den italienischsprachigen Songs, auf denen dann doch seine familiären Wurzeln durchschimmern.
Mit etwas Anlauf kristallisieren sich auch "Good Life" oder "Amarsi Un Pó" als zeitlose Superpopschmachtfetzen heraus, "Da Solo In Città" mit "Careless Whisper"-Saxofon sowieso. Wer nicht gleich die 130 Euro für den speziell mit der Berliner Luxusparfümerie Atl. Oblique entwickelten Körperduft berappen mag, kommt dennoch nicht zu kurz: LP-Käufer können sich das duftgetränkte Innersleeve unters Kopfkissen legen. Weihnachten naht, und hier kommt die Alternative zu "Last Christmas".
3 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Das sind ja mal ein paar richtig schöne Schmachtfetzen. Molto bene!
Lupenreiner Italo-Kitsch. Eine eigenständige, zurückhaltende Stimme, gute Kompositionen. Mir gefällt's für zwischendurch, ist mal was anderes.