Porträt

laut.de-Biographie

Greg Dulli

Greg Dulli gilt mit seiner souligen Stimme, die oftmals zwischen manischem Wahn und depressiver Verzweiflung hin- und herpendelt, als das Aushängeschild von The Afghan Whigs und The Twilight Singers. Songwriting, Texte und Produktion: Alles ruht in seinen Händen. Mitmusiker fungieren kaum mehr als Gaststars in seiner obsessiven Welt. Daneben betreibt er zusammen mit Mark Lanegan noch das Duo The Gutter Twins und veröffentlicht mehrere Alben unter seinem eigenen Namen.

Greg Dulli - Random Desire Aktuelles Album
Greg Dulli Random Desire
Der Afghan Whigs-Sänger als Verführer und Schmerzensmann.

Dulli erblickt als Sohn eines griechischstämmigen Vaters und einer irischen Mutter am 11. Mai 1965 in Hamilton im Bundesstaat Ohio das Licht der Welt. Gegen Mitte der 80er-Jahre zieht er nach Cincinnati. Im Gefängnis der Stadt lernt er Halloween 1986 angeblich Gitarrist Rick McCollum kennen, nachdem er einem Polizisten seinen Hut gestohlen hatte oder öffentlich urinierte. Gemeinsam mit Bassist John Curley heben die beiden kurze Zeit danach The Black Republicans aus der Taufe, aus denen dann noch im selben Jahr zusammen mit Schlagzeuger Steve Earle The Afghan Whigs hervorgehen.

Im Anschluss verschlägt es dem Sänger nach Arizona. Dort schreibt er die Hälfte der Songs für das Debüt "Big Top Halloween", das 1988 auf den Markt kommt und auf dem man noch deutlich seine Garage-Rock-Wurzeln vernimmt, gewürzt mit einer Prise Grunge, der Anfang der 90er das nächste große Ding in der Musikwelt werden sollte. Es hat für Dulli zwar nicht einen besonders hohen Stellenwert, erregt aber dafür genug Aufmerksamkeit, sodass die Plattenfirma Sub Pop, bei der auch Nirvana damals noch unter Vertrag standen, die Band 1990 kontaktiert und deren zweites Album "Up In It" noch im gleichen Jahr herausbringt. The Afghan Whigs stellen außerdem die erste Gruppe des Labels dar, die nicht aus dem Nordwesten der USA stammt.

Von nun an entwickelt der glühende Black Music-Fan eine ganz eigene Vision von Rock-Musik. Viel Melodie und eingängige Refrains bettet er in kraftvolle Riffs, markante Hooks und sägende Gitarrenflächen. Dazu bauen sich die Songs dramatisch auf, während sein zwischen purer Aggression und lüsternem Schmachten hin- und herbewegendes Crooner-Organ die Krönung dieser einzigartigen Melange bildet. Diese hat mit Grunge so rein gar nichts mehr zu tun. Dennoch packen die Medien Dulli und seine lautstarke Truppe fälschlicherweise oftmals in diese Schublade.

Die einzige inhaltliche Parallele zum Grunge bleibt die teils ziemlich dunkle Film-Noir-Atmosphäre, die bei dem Testosteron-Bolzen hier und da zum Vorschein kommt. In seinen Texten geht es oft um Desillusionierung, Wut und Gewalt. Introspektive Drogengeschichten werden oftmals von tragisch enttäuschter Liebe und demonstrativem Macho-Gehabe abgelöst, aber nicht ohne ironische Distanz und eine schwarzhumorige Pointe, die dem Gros seiner Labelkollegen komplett fehlt.

Jede Platte von The Afghan Whigs offenbart neue musikalische Facetten, ohne sich all zu sehr von der Vision des US-Amerikaners zu entfernen. "Concregation" (1992) wartet noch mit einem gehörigen Stax-/Motown-Einschlag auf, während "Gentlemen" (1993), für das sie bei Elektra unterzeichnen, rockiger und zeitgemäßer ausfällt. Und mit "Black Love" (1996) blickt Dulli sowohl klanglich als auch inhaltlich in die Finsternis. Daneben beteiligt er sich als Teil der Supergroup The Backbeat Band, der unter anderem Dave Grohl angehört, an dem Soundtrack zum Beatles-Biopic "Backbeat" (1994) und schreibt Stücke für The Afghan Whigs zum Ted Demme-Film "Beautiful Girls" (1995). Des Weiteren wirkt er als Gastgitarrist auf dem Debüt der Foo Fighters mit.

Zwischen "Black Love" und der nächsten Platte "1965" widmet er sich dem Sideprojekt The Twilight Singers, das er 1997 aus der Taufe hebt und mit dem er an den Sound von The Afghan Whigs anknüpft. Es entstehen zu der Zeit mit Freunden und Kollaborateuren wie Shawn Smith von Brad und Harold 'Happy' Chichester von Royal Crescent Mob in New Orleans mehrere Demos. Nach einem Streit mit Elektra wechseln The Afghan Whigs dann 1998 zu Columbia, das eine Veröffentlichung des The Twilight Singers-Materials für nicht ausgeschlossen hält, aber erstmal lieber eine Scheibe von Dullis Hauptband herausbringen möchte.

Also erscheint das für lange Zeit letzte The Afghan Whigs-Album im Oktober des selben Jahres und das The Twilight Singers-Debüt "Twilight As Played By The Twilight Singers" rund zwei Jahre später. Der Umstand, dass der Sänger irgendwann in den Neunzigern nach Los Angeles gezogen ist, wodurch letztendlich alle Bandmitglieder in verschieden Städten gewohnt haben, trägt 2001 zur Auflösung der Afghan Whigs bei.

Noch im gleichen Jahr beginnt Dulli am Nachfolger der ersten The Twilight Singers-Scheibe zu arbeiten, die vorläufig "Amber Headlights" heißt. Als sein Freund Ted Demme 2002 verstirbt, schiebt er das Projekt jedoch nach hinten und macht sich dafür an ein Konzeptalbum namens "Blackberry Belle", das ein Jahr später auf den Markt kommt.

Für das gewinnt er Mark Lanegan als Sänger für einen Song, ebenso wie für das Folgewerk "She Loves You" von 2004. Die beiden haben sich schon 1989 auf einer Party kennengelernt. Nach einer gemeinsamen Aufnahme der Massive Attack-Nummer "Live With Me" für die The Twilight Singer-EP "A Stitch In Time" buchen die befreundeten Musiker im September 2005 einen Club in Rom, um erstmals als Duo The Gutter Twins aufzutreten.

"Amber Headlights" veröffentlicht Dulli ebenfalls im selben Monat unter seinem eigenen Namen. Etwa zur gleichen Zeit betätigt er sich auch außerhalb seiner eigenen Bands erstmalig als Produzent, etwa für Afterhours, mit denen er zuvor tourt. 2006 vereinen sich dann The Afghan Whigs für kurze Zeit nochmals. Von The Twilight Singers erscheinen bis 2011 noch zwei weitere Studioalben. Das The Gutter Twins-Debüt "Saturnalia" kommt 2008 auf den Markt und wartet nicht nur mit Gastvocals von Martina Topley-Bird auf, sondern auch teilweise mit psychedelischem Folk-Blues.

The Afghan Whigs finden 2012 wieder längerfristig zusammen. Noch im selben Jahr bringen sie zwei Coverversionen heraus, mit denen sie abermals ihre soulige Seite betonen. Nach einer erfolgreichen Live-Reunion und einem umjubelten Auftritt mit Usher beim SXSW Festival 2013 nehmen sie die Arbeit zur ersten Studioplatte seit 1998 auf. "Do To The Beast" kommt ein Jahr später auf den Markt und bündelt sämtliche Stärken der Band, ebenso wie der Nachfolger "In Spades" von 2017. Nur kommen vermehrt Cello und andere Streicher zum Einsatz, so dass der Klang etwas majestätischer ausfällt als früher.

Auf Opulenz verzichtet Dulli auf seinem nächsten Album unter seinem eigenen Namen, dem Anfang 2020 veröffentlichten "Random Desire", größtenteils. Dafür lebt er wieder mehr seine raue rockige Seite aus, wobei sein unwiderstehliches Crooning auch nach über dreißig Jahren im Musikgeschäft nichts an Emotionalität eingebüßt hat.

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