laut.de-Kritik
Der Afghan Whigs-Sänger als Verführer und Schmerzensmann.
Review von Toni HennigVor rund drei Jahren vernahm man Greg Dullis markantes Organ auf dem The Afghan Whigs-Album "In Spades" noch im Bandkontext. Nun lebt er auf "Random Desire" seine willkürlichen Leidenschaften nach "Amber Headlights" von 2005 wieder einmal unter seinem eigenen Namen aus.
Unterstützung bekam er dabei von Kollegen wie Gitarrist Jon Skibic, den Multiinstrumentalisten Rick G Nelson und Mathias Schneeberger (The Twilight Singers), Pedal-Steel-Spezialist Dr. Steven Patt und Drummer Jon Theodore (Queens Of The Stone Age, The Mars Volta). Am Ende bleibt von der "In Spades"-Opulenz zwar nicht mehr all zu viel übrig, dafür beschränkt sich Dulli musikalisch auf das Wesentliche und findet somit wieder zu gesanglicher Höchstform.
Der anfängliche Alternative-Rock-Schunkler "Pantomima" erweist sich noch als das schwächste Stück der Platte, da kommen die abgründigen Gelüste des 54-jährigen Sängers zu geradlinigem Geschrammel und Handclaps noch verhältnismäßig gezähmt rüber. Schon in "Sempre" geht es mit harten Gitarrenanschlägen, melancholischem Piano und polyrhthmischen Drums zunehmend düsterer zu Sache. Dabei vereint Dulli Verführer und Schmerzensmann in einem, wenn seine soulige Crooner-Stimme immer wieder brüchig von einem Extrem ins andere kippt. Sie hat im Vergleich zu früher nichts an Emotionalität und Eindringlichkeit eingebüßt.
Letzten Endes sitzt auf diesem Album so gut wie jeder hingebungsvolle Seufzer des US-Amerikaners an der richtigen Stelle, ebenso wie fast jeder Gitarren- und Pianoanschlag. Nur auf die ausladenden Momente von The Afghan Whigs-Klassikern wie "Gentlemen" oder "Black Love" muss man gänzlich verzichten. Auch stilistisch besinnt sich Dulli größtenteils auf seine rockigen Tugenden, aufgelockert durch erdig düstere Folk-Klänge ("Marry Me"), Elektronikbeats ("Lockless") oder schrulliger Orgel ("Black Moon"). In "A Ghost" kommt mit tiefen Western-Akkorden, Glocken- und Kastagnetten-Klängen noch gehörig Tarantino-Flair dazu, womit er auch mal seine lässige Seite betont.
Ansonsten mangelt es der Scheibe keineswegs an Dramatik und Schwermut, während in der Stimme immer wieder eine gehörige Portion Sex mitschwingt. So pendelt der US-Amerikaner in "Scorpio" zu straightem Schlagzeug, psychedelischen Streicher- und tragenden Pianoklängen sowie tiefgestimmten Saiten-Tönen zwischen lüsternem Schmachten und verzweifeltem Wehgeschrei kontinuierlich hin und her.
In "It Falls Apart" rückt dann das Extrovertierte zugunsten einer schummrigen Atmosphäre zurück, was die Nummer allerdings nicht weniger intensiv macht. Auch in "Lockless" hat man nicht viel zum Lachen, wenn Trompeten-Sounds aus der Konserve für bedrückende Grabesstimmung sorgen und Dullis Gesang nach kurzzeitigem Testosteronüberschwang ständig ins Weinerliche kippt. Am Ende bleibt in "Slow Pan" zu tiefschwarzem Piano und barocken Einschüben nur noch ein ausgelaugtes Häufchen Elend zurück.
Dieses Album berührt also emotional über weite Strecken ziemlich tief. Selbst bei The Afghan Whigs hat sich seit den späten 90ern nicht mehr nach Momenten entfesselter Manie ein so großes finsteres Loch aufgetan wie auf "Random Desire". Dass Souveränität nicht unbedingt zu Lasten der Intensität gehen muss, beweist Greg Dulli somit auf überaus beeindruckende Art und Weise.
1 Kommentar
Schönes Album. Reiht sich gut in sein Schaffen ein und klingt trotzdem weder nach den Whigs, noch nach den Twilight Singers. Mir gefällt auch Pantomina. Klingt nach Dullis Variante von College-Rock.
Generell einer der unterschätztesten Musiker der letzten 3 Dekaden.