laut.de-Biographie
Hans Söllner
"Edeltraud, ja Edeltraud. Du host a sauguats Gros a'baut." Wenn ein Mann mit einer beachtlichen Rastamatte und süßlich riechenden Klamotten im erzkonservativen Bad Reichenhall auf der Bühne stehend solche Zeilen singt, während er sich selbst mit vier Akkorden begleitet, stößt das logischerweise bei örtlichen Behörden auf Unverständnis.
Die Meinungen über den bayrischen Rastafari gehen weit auseinander: Für die CSU-Wählerschaft ist Söllner so was wie die Personifikation Satans, für viele Jugendliche und jung gebliebene Ideologen ein Geschenk Gottes, der letzte deutsche Rebell.
Passend dazu kam Hans Söllner an Heiligabend 1955 in Bad Reichenhall zur Welt. Er besucht einen katholischen Kindergarten und absolviert die Hauptschule. Das erste Mal eckt er an gesellschaftlichen Konventionen an, als er mit 14 wegen seiner (zu) langen Haare aus dem Trachtenverein ausgeschlossen wird.
Hans schließt eine Lehre als Koch ab, findet allerdings keine Arbeit. Dann verlässt er nach drei Monaten Grundausbildung den Wehrdienst. "Lieber den Behinderten den Arsch wischen als den Blöden in denselbigen zu kriechen." Er zieht nach München, wo er weitere zwei Jahre arbeitslos bleibt und in dieser Zeit seinen ersten Track, "Endlich Eine Arbeit" aufnimmt. Während der zweiten Lehre - zum KFZ-Mechaniker - komponiert er alle Titel seiner Debüt-LP.
1977 folgt der erste Auftritt in München. Es dauert allerdings weitere sechs Jahre bis zur ersten Veröffentlichung "Endlich Eine Arbeit!", mit der er auf einen Schlag einem größeren Publikum bekannt wird.
Seine oftmals staats- und gesellschaftskritischen Texte rufen früh die bayrischen Gesetzeshüter auf den Plan. Besonders drastisch wird das Verhältnis zur Obrigkeit allerdings nach seinem ersten Jamaika-Urlaub im Jahr 1986.
Seit seinem Aufenthalt in der Heimat des Reggae hat er sich auch den Kampf um die Marihuana-Legalisierung aufs Banner geschrieben. Sprüche wie: "Ich nehme keine Drogen. Nur Marihuana, und das in geringen Mengen. Für mich ist eine geringe Menge die Menge, die ich gerade noch tragen kann. Also ungefähr 80 Kilo" oder "Marihuana ist für mich keine Droge. Marihuana wächst in meinem Garten, in meinem Garten wachsen keine Drogen, da pass ich auf! Ich hab ja schließlich Kinder!" lassen ihn schnell zum gefeierten Helden der Pro-Hanf-Bewegung in Deutschland avancieren und stellen einen Dorn in den Augen der schwarzen Freistaatsbürger dar.
Richtig munter wird die ganze Geschichte Mitte der 90er Jahre. Hans Söllner wird regelmäßig verklagt, u.a. wegen Marihuana-Anbau und Polizistenbeleidigung, und muss - gemessen an den Einnahmen durch seine CDs - horrende Bußgelder bezahlen. Als Coup startet er eine Gegenklage, in der er sein Recht, als Rastafari Marihuana zur Religionsausübung rauchen zu dürfen, durchsetzen will. Der Vertrag mit Konzertveranstaltern enthält übrigens eine Extraklausel. Diese besagt, er dürfe nicht auf Schadensersatz verklagt werden, wenn er wegen Rechtstreitigkeiten verhindert ist, einen Gig zu spielen.
Doch auch musikalisch ruht die 'Sau von Berchtesgaden' nicht. Anfang der Neunziger tourte er mit der Reggaeband Bayerman Vibrations durch den süddeutschen Raum. Später nimmt er wieder Soloprojekte auf, u.a. sein wohl bekanntestes Album: "Der Charlie". Inzwischen lässt sich Hans musikalisch von der Gruppe Bayaman' Sissdem unterstützen, musikalisch noch immer an seinem großen Vorbild Bob Marley orientiert. Seine Steckenpferde bleiben der Kampf gegen das System, für die Legalisierung des heiligen Krauts und etwas mehr Liebe zwischen den Menschen.
Im Jahr 2004 erscheint neben seinem siebzehnten Album auch die erste Live-DVD "Wer Bloss Lacht Is Ned Frei" mit Konzertmitschnitten aus den Jahren 95 und 96. 2006 erfolgt eine polizeiliche Durchsuchung bei Söllner und dessen Musikverlag "Trikont". Dort wird aus dem Merchandise-Segment ein offizielles Söllner-Shirt beschlagnahmt, das George W. Bush und Tony Blair neben Adolf Hitler zeigt und mit der Aufschrift: "Hitler, Bush, Blair – International" versehen ist. Das Landgericht Traunstein stellt jedoch eine Rechtswidrigkeit der Durchsuchungen fest.
Im Frühjahr 2009 organisiert Söllner eine mehrwöchige Sitzblockade in Bad Reichenhall, um an die Opfer des Einsturzes der Eislaufhalle zu erinnern. Im gleichen Jahr wird beim TFF Rudolstadt, dem größten Folk-Roots-Weltmusik-Festival Deutschlands, der Weltmusikpreis "Ruth" an Söllner, "einen dichtenden und singenden Anarchen der deutschen Musikszene, der zutiefst im bayerischen Sprach- und Lebensraum beheimatet ist", vergeben. Im Herbst 2011 veröffentlicht Söllner das Album "Mei Zuastand", das aus Neuinterpretationen seines Werkkatalogs besteht. Weitere Alben heißen "Sososo" (2012), "Zuastand 2" (2013) und "Genug" (2018).
Mit Beginn der Corona-Pandemie positioniert Söllner sich als Impfgegner und geht dabei so weit, dass sich sogar sein langjähriges Label Trikont von ihm distanziert. An Beifall von der falschen Seite scheint er sich gewöhnt zu haben.
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