laut.de-Kritik
Wenn der Tod vom Ganja kostet ...
Review von Erich RenzDer Tod pocht an die Tür. Söllner macht ihm, freundlich wie man auch zu einem ungebetenen Gast sein kann, auf. Der unbekannte Fremde kommt mit der Absicht, den Hausherrn ins Jenseits mitzunehmen. Doch Söllner überlistet ihn. Statt mit Taschenspielertricks und einem Saufgelage wie beim Brander Kaspar, verführt er den Tod mit dem besten, was er kennt: "Ganja". So kommt es, wie es kommen muss: Bis heute sitzt der Tod auf seinem ursprünglichen Auftrag und der Couch des Liederschreibers und überlegt, was er eigentlich von diesem wollte.
Söllner ist ein Schlawiner und lässt seine Figuren bei Bedarf als fast harmlose, ja allzu menschliche Lustmolche erscheinen. Dann bietet er dem "Allgäuer Mädel" von der Dienstaufsichtsbehörde ein Kaasbrot an, das freilich handgemacht ist.
Eine Spur weniger derb wagt er sich aufs dünne Eis der Liebe. Söllner weiß um ihren doppelten Boden. Dass sie vielleicht an einer Stelle dicker ist als bereits beim nächsten Schritt, der die einst feste Schicht zum Bersten bringen könnte. Im "Kibe Voi Tränen" schwimmt so ein Gefühl, dass dem Singenden irgendwas abgeht. Und genau dieses Gefühl ist es, dass einzig und allein in dem Eimer voll Rotz und Wasser zurückbleibt.
Vom bayerischen Lonesome Rider hallt das Echo Dylans zurück zu dessen Frühwerk, etwa wenn Söllner wie in "Wia De Do Drent" sein "Weck mi ned auuuf" auseinanderzieht wie einen Expander. Ein Schmerz, der so brennt und gleichzeitig so sonor nachschwingt, muss einer von der bittersüßen Sorte sein. Nun, es artet es nicht immer zum stechenden und schwelenden Kreuz aus. Gegenvorschlag: "Wenn die Liebe nimma mitkriagt, dass'd de schee gmacht hast für sie / Wart auf den nächsten Sturm, mach de einfach schee für di / Mach ihr einfach koa schlechts Gwissn und besteh ned drauf, dass's bleibt / Gfrei die einfach, dass's bei dir war für a Zeit."
Die Frotzeleien gegen Vater Staat haben nicht abgenommen. Im Gegenteil, so viel Gewicht wie nun auf "SoSoSo" lag schon lange nicht mehr auf dem Fingerzeig in Richtung Politik und der Kehrseite ihrer Machtausübung. "Ihr Seids Alle Gleich" oder "Durch Eia Politik" beweisen das: "Und sei Frau die Bruni Carla, de derf bei mir im Stall hint wohna / Da braucht's auch koane Steuern zahln / Muas's ma bloß ab und zua oan obaholn / Und dann derf's aufn Wirtschaftsgipfl mit ihrm kloan' Franzosnzipfl / Und do wea ma dann richtig gfickt mit eanara Politik!", krakeelt Söllner unverblümt.
Hinter den anklagenden oder ironisch-bissigen Ausrufesätzen verschwindet eine beinahe unscheinbare Gitarre im Hintergrund. Es kann halt auch ein Dur-Akkord mit Wechselbass revolutionär sein. Für alles andere gibt es Söllners Haus- und Hofkapelle, "Bayaman Sissdem". Sie schneidern ihm Country, Folk und Reggae auf den Leib, verstärken hier die Wut ("Der Rudi") und intensivieren dort die Zartheit ("Die Liebe") seines grantelnden und großherzigen Liederrepertoires.
Wenn Söllners Lebensabend einmal zu Ende geht, hofft und singt er, dass irgendwann einmal das Ganja auf seinem Grab wächst. Man stelle sich nur dieses Epitaph mit der besonderen Duftnote vor.
4 Kommentare
toll!
hihi de söllner, i moagen
Macht Spaß, das Album zu hören. Ein Spagat zwischen dem Band-Söllner und dem "alten" Söllner, wobei ihm mittlerweile die Charakterköpfe ausgehen, denen er vor die Füße spucken kann, daher bleibt das Feindbild ziemlich unscharf. Dennoch wirkt er - mal vielleicht von der Stimme abgesehen - erstaunlich frisch und mit sich selbst im Einklang. Vier verdiente Punkte von meiner Seite
Gruß
Skywise
Aus einem Interview von 2010:
*SZ: *Der Söllner ist brav geworden.
*Söllner: *So ein Schmarrn! Früher hab ich gesagt: Der Haider
, der Beckstein, der Strauß. Heute sag ich halt: unsere Politiker. Das ist nicht strafbar. Aber ich sag immer noch, was ich denke.
Er würde offensichtlich immer noch gerne Namen nennen, hat aber die Strafzahlungen satt.
Album ist im übrigen wieder großartig geworden.