laut.de-Kritik

Komplexe Atmosphäre und ordentliche Technik.

Review von

Ein Blick auf die Tracklist von "Vom Mittelmaß Der Dinge" macht Appetit. "Tote Fliegen", "Wächter Der Zeit", "Der Bienenmann" - ich bin zugegebenermaßen sehr gespannt, was sich hinter solchen Songtiteln verbirgt. Können die Texte des Kasseler Rappers lyrisch das halten, was die blumig formulierten Namen in der Trackliste versprechen?

Schon beim Opener wird völlig klar, wo die Reise hingeht: Jintanino erzählt Anekdoten und Geschichten aus seinem Leben, authentisch in der Ich-Perspektive gehalten. Die vermitteln zwar nicht unbedingt eine erkennbare Message oder enden mit glänzenden Pointen, wie man das von Jungs wie Curse oder Blumentopf kennt, halten den Zuhörer aber dennoch mit einer gewissen Magie in ihrem Bann.

Begleitend dazu führt Jintanino beeindruckend liebevoll produzierte Musik ins Feld. Jeder der Beats überträgt Bilder und baut eine komplexe Atmosphäre für die Reime des Rappers auf - ob bei Battletracks wie "Komm Her", aggressiv kritischen Hymnen ("Vor Die Hunde") oder Melancholie in Reimform ("Aus Dem Brustbereich", "Mona"), man fühlt sich unweigerlich in das Lied hineinversetzt. Solch eine atmosphärische Dichte haben deutsche Produzenten seit Bushidos "Vom Bordstein Bis Zur Skyline" oder Mopz Wanteds "Zeichensprache" nicht mehr erreicht. Um diesen Effekt noch zu verstärken, wird gezielt auf Sampling gesetzt: Ob afrikanische Gesänge oder Sitcom-Ausschnitte, gewildert wird, was reinpasst.

Textlich macht Jintanino doch einen leicht schizophrenen Eindruck: Dass er spielend auch allein Kraft seiner Lyrik Bilder enstehen lassen kann, beweist er in balladesken Stücken wie "Mona" oder "Der Bienenmann" zur Genüge. Wird der Beat hingegen schneller, die Atmosphäre kriegerischer, bringt er auch mal Reime wie "Es tut verdammt gut, dass es mir egal ist/dass wenn ich besoffen tanze irgendwelche Bitches lachen/Ich meine, das ist klar, die stehen auf ganz andere Fressen/die sind blond, dick, dumm und ham nen Sohn mit Namen Kevin." Als Reaktion auf derartige Glanzleistungen möchte man ihm den Refrain "Karate kennen heißt nicht Karate können/also laber nicht, Junge, schweig, mach dich fit" am liebsten postwendend zurück ins Maul stopfen.

Wie als Entschuldigung macht er jedoch gleich im nächsten Abschnitt alles wieder gut: "Ich bin ganz schmoov, relaxed, während die anderen labern/warum sie Hip Hop leben, so als ob das nicht egal wär'. Und die Intro schreibt: 'Rapper klingen alle gleich.'/Das stand zwischen zwei Artikel über The Vines und The Hives. Mir ist scheißegal, was die Besserwisser meinen/ich brauch nur einen Stift und schon hab' ich neue Feinde/Nur eine Flasche Vodka und schon sitz' ich in der Scheiße/und Freunde müssen mir die ganze letzte Nacht beschreiben/Na wenigstens sitz' ich nicht nur müde rum und chill'/unterm Howard Marks-Tourplakat und höre Cypress Hill."

Das Album ist genau so mysteriös, wie es schon anfangs den Eindruck machte. Denn obwohl die zeitweisen Aussetzer leider keine Ausnahme darstellen und man sich am Ende des Albums fragt, was zur Hölle Jintanino uns nun damit sagen wollte, lohnt sich der Kauf des Albums allein schon der Beats und der ordentlichen Technik des Rappers wegen allemal.

Trackliste

  1. 1. Tote Fliegen
  2. 2. Geister
  3. 3. Komm Her ft. Laole & Tim Taylor
  4. 4. Vor Die Hunde
  5. 5. Skit
  6. 6. Aus Dem Brustbereich
  7. 7. Mach Dich Fit
  8. 8. Das Tier Sieht Dich
  9. 9. Wächter Der Zeit
  10. 10. Mona
  11. 11. Pablow
  12. 12. In Der Stadt
  13. 13. Der Bienenmann

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