14. April 2021

"Einfach um Musik geht es nur bei 'Sing Meinen Song'"

Interview geführt von

Zwei Jahre nach dem Release von "Schrei Es Raus" meldet sich Popsänger Joris mit einem neuen Studioalbum und einem Auftritt bei der TV-Show "Sing Meinen Song" zurück.

Im Frühjahr 2020, als die Corona-Pandemie Deutschland trifft, arbeitet Joris Buchholz gerade an seiner neuen Platte. Fortan ist Isolation und Arbeit in den eigenen vier Wänden angesagt. Wir treffen ihn zum Zoom-Call, den er direkt in seinem kleinen Studio in Berlin abhält.

Hallo Joris. Wie ist dein neues Album "Willkommen Goodbye" entstanden?

Ich habe viel zusammen mit meiner Band gespielt, und dabei sind die ersten Songskizzen entstanden. Zu der Zeit ist die Single "Nur Die Musik" entstanden, und ich bin nach Österreich gefahren, um da aufzunehmen. "Willkommen Goodbye" ist ja mein drittes Album, und mittlerweile ist es voll schön darauf zu vertrauen, dass man sich nicht mehr so krass verausgaben muss, sondern dass einem manchmal die Songs auch einfach zugeflogen kommen.

Die ersten anderthalb Jahre des Prozesses waren sehr unbeschwert – und dann kam Corona. Dann saß ich plötzlich ziemlich viel hier in diesem kleinen Studio in Berlin und habe eben so an dem Album weitergearbeitet. Während der Zeit hier gab es noch mal völlig andere Impulse, sodass das Album jetzt allumfänglicher ist und die ruhigen Töne, die natürlich auch zu mir dazu gehören, noch mehr unterstrichen wurden.

Aber so ist das halt auch einfach im Leben. Ich glaube, jeder kann das gerade gut selbst nachvollziehen: Wie es war, in den Sommerurlaub zu fahren, und wie es jetzt eben ist, wenn man das plötzlich nicht mehr kann. Und am Ende war die Entstehung des Albums dann von allen Seiten des Lebens geprägt, von den guten und den schlechten.

Dein fertige Album besteht jetzt aus einem A- und einem B-Teil. War das der Versuch, diese verschiedenen Stimmungen einzufangen?

Ja genau, das ist halt manchmal echt verrückt (kramt in seinem Regal). Wir hatten damals sogar noch diese 7"-Single zu "Nur die Musik", darauf wird das Leben ja komplett abgefeiert. Und dann kam halt alles anders.

Du hast während der Pre-Listening-Show neulich davon gesprochen, dass Teile deiner Livecrew mittlerweile Zweitbeschäftigungen nachgehen müssen. Hast du das Gefühl, dass die Kunst- und Kulturszene in der Corona-Zeit im Stich gelassen wurde?

Ich tue mich da ein bisschen schwer, weil die Leute, die jetzt gerade Politik-Bashing betreiben nicht die Leute sind, in deren Horn ich auch noch hineinblasen möchte. Und man muss ja auch sagen, dass es hierzulande schon Hilfen gab. Es gab die November- und Dezemberhilfen, erste Überbrückungshilfen und jetzt soll wieder ein Paket aufgelegt werden. Es gibt also schon eine Unterstützung, auch wenn diese Hilfen wahnsinnig kompliziert sind.

Auf der anderen Seite ist es auch klar, dass hier niemand gerade Geld verschenken kann. Ob die Hilfen jetzt gut oder schlecht sind, möchte ich gar nicht beurteilen. Wichtiger ist doch, dass jetzt verstanden wird, was Kunst und Kultur für eine Bedeutung haben. Man muss jetzt schauen, wie man Corona-konforme Möglichkeiten findet, damit die Musik nicht verstummt, dass die Theater, Museen und Clubs wieder aufmachen können.

Ich wohne in Berlin, die Stadt ist ja bekannt für ihre Szene, und die Clubs sind alle dicht. Das ist natürlich ein Riesenproblem. Es gibt die 'Alarmstufe Rot', die darauf aufmerksam macht, ein Verbund aus vielen Künstlerinnen und Künstlern, aber eben auch Schaffenden aus der Musikindustrie und Veranstaltungsgesellschaften. Ich glaube, das ist gerade definitiv ein Thema, und da ist auf jeden Fall noch viel Luft nach oben.

"Musik war früher im Fernsehen viel omnipräsenter"

Was hat dich dazu bewogen, dieses Jahr bei "Sing Meinen Song" teilzunehmen?

Ich habe mich da an meine Jugend zurückerinnert und daran, wie viel Musik da noch im Fernsehen stattgefunden hat. Da gab es die Stefan Raab-Sendungen, die immer unendlich lange Namen hatten, es gab den Bundesvision Song Contest, MTV und VIVA. Als es noch keine Handys und kein Social Media gab, hat man sich die Musikvideos eben im Fernsehen angeschaut. Musik war früher viel omnipräsenter im Fernsehen, das ist mittlerweile ja fast komplett verschwunden.

Es gibt noch diese sehr speziellen Musiksendungen, wie DSDS oder "The Masked Singer", aber nur wenige Formate, in denen es wirklich nur um Musik geht. Und zwar nicht darum, irgendwas zu gewinnen oder in den Recall zu kommen, sondern einfach darum, über Musik und die Geschichten dahinter zu reden. Sich dafür Zeit zu nehmen und das während der Primetime, das gibt es halt nur bei "Sing Meinen Song".

Ich hatte schon mal 2015 oder 2016 eine Anfrage für das Format, habe damals aber abgesagt. Ich hatte da gerade erst ein Album fertig und dachte: 'Sollen die anderen dann alle "Herz Über Kopf" von mir spielen?'. Als die Anfrage aber jetzt kam, habe ich zugesagt. Ich hatte halt auch enorme Lust, nach diesem langen Jahr ohne Livemucke endlich mal wieder Musik machen zu dürfen mit einer tollen Band und so vielen tollen Künstlerinnen und Künstlern. Die Auswahl war dieses Mal ja sehr divers, deswegen habe ich mich sehr gefreut, mitzumachen.

Die Dreharbeiten zu "Sing Meinen Song" fanden Anfang März erstmals in Deutschland und unter strengen Corona-Maßnahmen statt. Wie hast du den Dreh erlebt?

Also ich musste in Quarantäne gehen, drei PCR-Tests im Vorfeld machen und dann einen Test vor Ort. Da saß ich dann einen Tag lang im Hotelzimmer fest, bis der negative Bescheid da war. Dann gingen quasi alle Schranken zu, und die gesamte Produktion fand in einem geschlossenen System statt. Jeden Morgen gab es einen Schnelltest und jeden dritten Tag einen PCR-Test.

Wir hatten außerdem verschiedene Sicherheitskonzepte, es gab vier Sicherheitskreise und in dem höchsten Sicherheitskreis waren wir Künstlerinnen und Künstler. So konnten wir dann abends im Zelt, als der Rest der Crew weit genug weg war, unsere Masken abnehmen. Ich kann dir sagen, dann geht das Licht an, dann gehen die Kameras an, die Musik geht los und man vergisst all das, was uns zurzeit so belastet. Das haben die wahnsinnig gut umgesetzt, und anders funktioniert so ein Konzept wie "Sing meinen Song" auch gar nicht.

Und wie hast du das Format an sich erlebt? Wie war das zum Beispiel mit DJ Bobo zusammen Musik zu machen und anzuhören?

DJ Bobo ist echt ein richtig toller, besonderer Typ, weil der total auf dem Boden geblieben ist. Der war mit Michael Jackson zusammen auf Tour oder hatte als Vorbands damals die Backstreet Boys und N Sync dabei. Der hatte einfach die Backstreet Boys als Vorband dabei auf seiner fucking Tour (lacht). Das war natürlich eine Riesenehre, dass er dabei war. Noch viel krasser, er singt ja immer auf Englisch und hat dann von mir einen Song auf Deutsch gesungen. Das war auf jeden Fall feinstes Eurodance-Gewand und eine große Ehre.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass in naher Zukunft 30.000 Leute zusammenkommen"

Welche Interpretationen deiner eigenen Songs haben dich besonders berührt?

Okay, das ist eine ziemliche Standardantwort, aber eigentlich hat mich jede Interpretation irgendwie berührt. Das sind alles wirklich tolle Musikerinnen und Musiker, und alle haben sich viele Gedanken gemacht. Normalerweise höre ich meine Songs ja nie selber an, sondern stehe auf der Bühne. Dann dasitzen und zu hören, was die sich überlegt haben, und was sie damit auch verbinden, war echt absurd.

Außerdem hatte ich die Möglichkeit auch mal zu erklären, warum ich die Songs geschrieben habe, und was die Geschichte dahinter ist. Ich glaube, wir haben an dem Abend vier Stunden lang geredet. Im Fernsehen sind das dann so 75 Minuten, da wird viel geschnitten. Ich war dann schon ein bisschen traurig, dass der Abend doch so schnell vorbeiging.

Wie geht es bei dir in den nächsten Monaten denn weiter?

Es sind auf jeden Fall Veranstaltungen für das Frühjahr 2022 geplant. Wir wollen eine Club- und Hallentour machen, allerdings erst ab April. Es gibt noch ein paar Festivals, die nicht verschoben wurden. Wobei ich ganz ehrlich bin, ich denke nicht unbedingt, dass die stattfinden können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass 30- bis 40.000 Leute in näherer Zukunft zusammenkommen können. Aber es gibt auch viele Ideen für Corona-konforme Konzerte. Da gab es letztes Jahr echt schöne Ideen, so Picknick-Konzerte mit kleinen Parzellen etwa, wo die Leute dann nicht in Kontakt miteinander kommen. Das ist ein riesiger Aufwand, das lohnt sich finanziell natürlich auch überhaupt nicht, aber es ist eben eine Möglichkeit, überhaupt irgendwie Musik machen zu können und Leute zusammenzubringen.

Ich glaube, wir sind es langsam wirklich alle Leid, zu Hause zu sitzen, und das Höchste der Gefühle ist dann ein Spaziergang mit Freunden. Ich habe das Gefühl, dass die Leute gerade echt an einer Belastungsgrenze sind. Was ich bei "Sing Meinen Song" gemerkt habe ist, dass man ganz schnell wieder in dieses alte Leben zurückfinden kann und auch ganz schnell wieder zusammenkommen kann. Ich hab mich im Vorfeld schon gefragt, wie die Veranstaltung abläuft, ich fühle mich mittlerweile wie ein social creep. Insofern: haltet durch! Wenn die ganze Sache vorbei ist, wird es wieder sehr schön.

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