laut.de-Kritik
Überzeugender Ekel vor der Durchschnittsbevölkerung.
Review von Hardy FunkDass das keinen musikalischen Heimatroman gibt, war klar. Nestbeschmutzung, wie sie in Österreich Tradition hat, sieht aber trotzdem anders aus. Wenn Kreisky auf die Alpen blicken, sehen sie vor allem befremdliche Lebensentwürfe, gedankenlose Geschäftigkeit und Teenager-Dramen. So richtig böse dafür können sie aber auch keinem sein: Stecken halt irgendwie alle im eigenen, falschen Leben, mit eigenen, falschen Überzeugungen und eigenen, falschen Prioritäten. Ob Rinderhälften zu Discounter-Preisen oder einer schönen Terrasse mit Blick auf die Berge: Was kann ein armer Junge da schon machen, außer in einer Rock'n'Roll-Band singen?
Kreisky sind neben Ja, Panik und Gustav so etwas wie das Aushängeschild der auch, aber nicht nur unterhalten wollenden Musik aus Österreich. Die Vorgänger-Platte "Trouble" wurde landauf, landab und auch in Deutschland gefeiert, fand mit seinem anstrengenden Post-Punk-Gitarrenlärm aber nur wenig wirkliche Fans.
Das könnte sich jetzt ändern: Die neuen Songs, allen voran der fast schon schunkelige Hit "Pipelines", haben Mut zur Melodie und zum Wohlklang, sind verspielter, weniger bleiern. Mal ruhig pfeifende, mal schief tönende alte Orgeln, ein Kraftwerk-Synthie hier und ein Beatles-Chor da sorgen für kleine Pop-Momente. Klar, wir befinden uns nach wie vor im Grenzgebiet von Punkrock, die Gitarren-, Bass-, und Schlagzeug-Arbeit der Männerband ist aber seltener als früher dröge-lärmend, viel öfter schwungvoll-krachend.
Ein "lässiger Lärmbrocken" eben, wie die Band selbst treffend umschreibt. Für die nötige Dosis Störfrequenzen sorgt auch Sänger Franz Wenzl, der mit seinem angenervten Sprechgesang nicht nur im Eröffnungssong "Wir Unterhaltenen" an einen in die verschiedensten Rollen schlüpfenden Schorsch Kamerun erinnert. Mal bis zur Weißglut gelangweilter Medienkonsument, mal ums Kind besorgte Eltern. Überhaupt, die Goldenen Zitronen: Verwandte im Geiste, die auch musikalisch hier und da durchschimmern, etwa bei den fiependen Orgeln im Titelsong.
Trotz aller Neuerungen bleiben Kreisky soundtechnisch aber eher konservativ. Reicht jedoch völlig, um den Ekel vor der Durchschnittsbevölkerung überzeugend rüberzubringen. Zumal manche Problematiken schon seit den späten 70ern mitgeschleppt werden. Die Frage etwa, wo der Mensch denn nun hingehört, in die Wildnis oder doch auf eine "Sofa-Garnitur" ("Die Wildnis"): Wissen wir eigentlich schon seit S.Y.P.H. den Alt-Hippies mit "Zurück zum Beton" in den Arsch getreten haben. Gibt es aber immer noch, diese Alt-Hippies, und sogar wieder neue.
Der letzte Song "Todesstern" zoomt schließlich raus aus der trügerischen Alpen-Idylle, weitet den Blick auf den ganzen Planeten, der, nun ja, nur Tod bringt. "Alpen gibt es überall", merkt Wenzl an, aber da wäre man natürlich auch so drauf gekommen. Auch Deutschland, auch Europa, auch der allergrößte Teil der Erde ist schließlich eine einzige große GmbH. Und auch wenn man ums Mitwirken darin nicht herumkommt: ein klarer Blick auf die Verhältnisse schadet nie.
1 Kommentar mit 3 Antworten
Fand "Trouble" ja tatsächlich auch nicht gerade berauschend, aber das macht mich jetzt doch neugierig. Werd' mal einen Satz Ohren riskieren.
Hab's nun gehört und find's tatsächlich ziemlich gut, die Anschaffung überdenke ich aber nochmal. Ist definitiv leichter zu greifen als der Vorgänger - die Sachen davor kenn' ich allerdings nicht.
(Nebenbei mal gefragt: Ist etwa Hardy Funk = DaFunk?)
Nein, ist er nicht! : )
Ah, okay, danke für's Gerüchtezerstreuen! (: