laut.de-Kritik
Grün bleibt die Farbe der Hoffnung.
Review von Florian PekingMarsi fucking Moto ist zurück, und wenn man es mit dem zugedröhnten, hochgepitchten Alter Ego von Marteria zu tun bekommt, gleicht das Albumhören gerne einer Triperfahrung. Von aromatischen Rauchwolken umgeben, erscheint der Maskenträger nun bereits zum fünften Mal, um den Erdlingen auf Albumlänge seine Kiffer-Weisheiten darzubieten.
Marsimoto war aber schon immer mehr als nur gewöhnungsbedürftige Rap-Mucke zum Jointsdrehen. Das beweist auch "Verde" wieder eindrucksvoll. Die dröhnend-rüttelnden Beats, für die neben den üblichen Verdächtigen wie Nobodys Face und The Krauts auch Produzenten wie Bazzazian oder Ghanaian Stallion verantwortlich zeichnen, stecken erneut voller Eigenleben. In Verbindung mit der eigenwillig eingesetzten Heliumstimme des Protagonisten entsteht so der typische Marsi-Sound: klapprig und verballert, dabei aber immens detailverliebt.
Besonders erfrischend wirkt die textliche Unangepasstheit, mit der Marsimoto ans Werk geht. So regiert in seinen Lyrics der gewohnte Wahnsinn zwischen kauzigen Kalauern, tütenweise Anspielungen und verrücktem Storytelling. Eine Horrorfilm-Hommage wie "Samstag Der 14te" steht hier wie selbstverständlich neben der Hacker-Hymne "Email & Die Detektive". In der Welt des Green Berliners scheint alles möglich.
Doch ist die Welt, von der Marsi erzählt, eigentlich die unsrige. Er zeigt sie nur durch seinen grünen Zerrspiegel, um Widersprüchlichkeiten und Verfehlungen sichtbar zu machen. Dieser politische Anspruch ist auf "Verde" stärker ausgeprägt als auf seinen bisherigen Platten. "Friede Sei Mit Dir" liefert dabei einen Grundtenor des Albums: Das fängt beim zerbrochenen Gewehr auf dem Cover an und entfaltet sich in unterschiedlicher Weise in den Tracks.
In "Chicken Terror" etwa erzählt Marsi aus der Perspektive eines industriell gehaltenen Huhns: "Seit der Geburt ist der Zustand des Gegenteils vom Leben erreicht. Sie seh'n nur das Fleisch - alles dreht sich im Kreis. Ich glaub', ich leg' noch ein Ei." Das personifizierte Hühnchen rüttelt mit dem radikalen Bericht aus der Legebatterie ganz schön auf.
Auf "Der Beste Freund Des Menschen" zeigt Marsimoto wiederum die Kehrseiten des technischen Fortschritts auf. Hier wird der Mensch zum Geknechteten, verkommen zum Schoßhündchen der Technologie: "Willst doch nur bellen, beißen, spielen. Hast nur noch Augen für deinen besten Freund."
Die Bestandsaufnahme für unseren Planeten fällt also nicht gerade rosig aus. Marsi zeigt Abgründe auf, suhlt sich darin und verbündet sich mit den Unterdrückten. Dass er dabei trotz der entmenschlichten Stimmverzerrung tatsächlich ehrlich emotionale Momente erschafft, stellt seine größte Leistung auf "Verde" dar. Hierzu zählt auf jeden Fall auch das ernüchternde, und doch hoffnungsvolle Fazit "Solang Die Vögel Zwitschern Gibt's Musik", das melancholisch zurücklässt.
Auf seiner – vielleicht aussichtslosen – Friedensmission unterstützen Marsi allerlei große Namen der Szene, die allerdings unter Pseudonymen auftreten. So lässt sich etwa hinter der heiser-kratzigen Stimme von Friendly Ghost problemlos Casper erkennen. Trettmann aka Walking Trett gibt auf "Immer Wenn Ich High Bin" unterdessen exklusive Einblicke in einen persönlichen Horrortrip nach dem Kiffen mit Bonez MC: "Moral von der Geschicht': Rauch mit Bonez kein'n Spliff."
Marsimotos enorme Anzahl an wilden Verweisen quer durch die Popkultur sorgt oft für Schmunzler und regt in den besten Momenten sogar zum Nachdenken an. Stellenweise schießt er jedoch übers Ziel hinaus, dann entsteht ein übertriebener Wulst aus Wortspielereien und Andeutungen. So gehen aussagekräftige Textpassagen gelegentlich zwischen all den Flachwitzen unter.
Unterhaltsam bleibt es aber in jedem Fall. Keiner schreibt eben Lyrics wie der Weedenthusiast aus Green Berlin. Deshalb überrascht er, obwohl seine Herangehensweise größtenteils dieselbe bleibt, auch beim fünften Anlauf noch. Marsimoto verbindet Kiffer-Idealismus und Gesellschaftskritik, kämpft gegen die Hässlichkeit der Gegenwart und für die Schönheit der Zukunft. Warum nicht? Immerhin bleibt Grün die Farbe der Hoffnung.
12 Kommentare mit 9 Antworten
Wieder mal geil geworden. Wenn man auf die Stimme steht.
Hatte keine grossen Erwartungen. Find die Platte stark, kann der Review zustimmen. Gut geschrieben.
Beeindruckend 5 Alben lang konstant zu bleiben.
Wahnsinns Sound, fresh.
Bin ebenfalls großer Marteria und Marsimoto Fan.
Allerdings muss ich mich auf die Seite von m4nic86 und Kumpeljesus schlagen, was mir echt schwer fällt.
Die Beats sind im Gegensatz zum Vorgängeralbum Ring der Nibelungen um einiges dünner gehalten. Ich finde sie schon eine Spur zu gradlinig. RdN war unberechenbarer. Das Sounddesign war herrlich abgedreht und psychedelisch.
Die Songs von Verde klingen sicherlich Live tauglicher. Das macht sie aber auch irgendwie gewöhnlicher und berechenbarer. Ich werde nicht richtig überrascht. Ich merke, dass ein bestimmter Teil der Authentizität von Marten flöten gegangen ist. Nach Roswell kann ich mit manchen Songs überhaupt nichts anfangen.
Samstag der 14te und Chicken Terror sind echt geile Songs. Auch Solange die Vögel zwitschern ist echt ein richtig schöner Track. Das war es aber leider schon für mich.
Der Go Pro Song hat mich nach Roswell richtig geschockt. Roswell bringt ein sozialkritisches Zeichen nach dem anderen, so dass man schon denkt Marten könnte die Menschheit retten. Und dann das. Abgesehen davon, dass ich mir nur Go Pro Clones erlauben kann, kaufe ich Marsi auf diesem Album vieles nicht ab. RdN war ein Meisterwerk, welches ich auch noch heute von vorne bis hinten durchhören kann. Marsi darf alles. Das heißt aber nicht, dass er auch alles richtig macht, auch wenn er es selber von sich denkt. Den Satz "Es heißt Soße und nicht Sose!" finde ich ehrlich gesagt echt blöde.
3/5
Chicken Terror ist vielleicht inhaltlich sehr gut. Musikalisch find ichs aber eigentlich nur nervig (vielleicht soll es das auch sein, aufgrund des Themas), aber dann verstehe ich zum beispiel nicht, warum "Photoshop" genauso nervig klingt, weil mir sich da die Thematische Dringlichkeit nicht unbedingt erschließt.
Mir fehlen die dicken Sounds, die Soundscapes... Hab das Gefühl, schon die ersten 30sek von Ring der Nebelungen sind klanglich dichter als das ganze Verde-Album zusammen. Das Gesamtkonzept ist mir hier leider etwas zu zerfasert... Und selbst auf der Textseite würde ich mir an vielen Stellen wünschen, er hätte nen Gang runter geschaltet und sich ein Jahr mehr Zeit für die Platte genommen. Es wirkt unfokussiert und klingt nach Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom...
Marsi zeichnet sich für mich durch die subtile, verdehte Dimension aus, von der aus auf unsere Welt blickt. Auf der neuen Platte sind mir teilweise die Themen zu direkt formuliert.
Sehe ich ganz genauso. Nach dem ich das Album 2x durchgehört habe, ist mir der Begriff "Platt" sofort in den Kopf gekommen. Mir ist auch Martens Stimme zu oft auf dem Album.
Ist der Typ nicht ein Ossi?
Ist meine Freundin auch. Hat das Auswirkungen auf irgendwas?
Hilft halt, seinen unterirdischen Output einzuordnen...
Schon schade, dass einige im Jahre 2018 immer noch in den Kategorien Ossis und Wessis denken. Ich bin nicht hier, um Marten fertig zu machen, sondern einfach nur um eine einigermaßen sachliche Kritik abzugeben.
Reiß dich bitte etwas am Riemen Ekrid. Solche diskriminierenden Aussagen werden hier nicht gerne gesehen. Obacht!
Finde den Vergleich von Ossis mit Wessis auch ziemlich unerhört.
Ich verstehe die Leute, die den abgedrehten Sound von "Ring der Nebelungen" vermissen. Irgendwie geht es mir nach einem Wochenende mit dem Album genauso, aber ich muss ihm auch zugestehen, dass es schwer war, dieses Album zu überbieten.
Ich habe das Gefühl, dass das Album oberflächlich durchgezogen wurde. Im Nachhinein fallen mir so viele Textzeilen auf, die Marsi schon mal in ähnlicher Form rausgehauen hat. Auch Beat Technisch geilt mich da nichts auf. Ich habe das Gefühl, dass das Projekt an Kreativität verloren hat. Aber für Leute, die auf Partymucke stehen, ist es ein gutes Album.
Kann man definitiv so sehen, ohne gänzlich falsch zu liegen, würde ich sagen. Wirkt auch auf mich eher so, als hätte man das Album geschrieben, weil man den Hype um "Ring der Nebelungen" bzw. Marten als Person nochmal fix abgreifen wollte. Trotzdem ist "Verde" immer noch besser als gut 90% aller Deutschraperzeugnisse der letzten Jahre. Und ich bin nicht mal Fan von Partymucke