laut.de-Kritik

Opa wippt im Schaukelstuhl.

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"Man sagt, Gott liebt die Geduldigen. Und Du warst geduldig, ja, Bilal, du warst geduldig", lobt der behäbig klingende, großväterliche Sprecher den Protagonisten im einleitenden "Alles Zu Seiner Zeit". Von außen betrachtet verwundert der akustische Schulterklopfer ein wenig. Immerhin liegen zwischen MC Bilals ersten Beiträgen in den einschlägigen sozialen Medien, dem Aufbau einer Fanbase von 500.000 Followern und dem druckfrischen Major-Vertrag nur knapp zwei Jahre. Da haben sich andere deutlich mehr Zeit gelassen. Ob freiwillig oder nicht, sei dahingestellt.

Während die Masse talentloser YouTube-Rapper täglich unüberschaubarer wird, sticht Bilal durchaus mit einem zwar unspektakulären, aber soliden Flow heraus. Die variierende Geschwindigkeit im Intro verweist auf das Steigerungspotenzial. Mit Fard teilt Bilal nicht nur die Heimatstadt Gladbeck. Auch die Stimmfarbe und betont deutliche Aussprache lassen Vergleiche zum Talion-Rapper aufkommen. Für den melodischen Gesang fehlt ihm indes jedes Talent wie die Videoauskoppleung "Gegenteil" eindrucksvoll beweist.

Bilal nutzt sein Debütalbum in erster Linie, um seiner Bilderbuchfamilie zu huldigen. Neben Gott betrachtet er seine Eltern als die "Nummer Eins" in seinem Leben. Folgerichtig ist in Bilals Welt natürlich auch seine Mutter die "wunderschönste Frau". Fast wehmütig denkt er an die Zeit der Schwangerschaft zurück.

Immer wieder betont er dabei seine Authentizität: ein im Hip Hop-Kosmos oft missbrauchter Begriff, um von fehlenden Inhalten abzulenken. Bilal berichtet von Flohmarktbesuchen mit der Mama ("Ausflug") und Kindheitserinnerungen aus "Opas Garten". Zum Teil berührt er damit, die meiste Zeit handelt es sich jedoch um akustische Belanglosigkeit.

Außerhalb des Schutzraumes der Familie lauert dagegen nur das Unheil. Wohin der gute Bilal schaut: nur Heuchler und Hater, die ihn "tot sehen" wollen. Hinter seinem Rücken reden Armeen von Neidern.

Den klaren paranoiden Höhepunkt markiert dabei "Teufel", ein emotionales Zwiegespräch Bilals mit seinem persönlichen Mephistopheles. Derartigen Verfolgungswahn kennt der geneigte Rap-Hörer höchstens noch von Alpa Gun. Mit diesem verbindet Bilal offensichtlich auch die verkrampfte, völlig humorlose Überhöhung des Ehrbegriffs.

In gewisser Hinsicht hat dieser aber auch positive Begleiteffekte. Bilal fordert Respekt für Frauen ein. Von fremdgehenden "Ehrenmännern" hält er dagegen weniger. Wie er sich allerdings verhält, wenn seine ausgemalte "Traumfrau" einmal aus der Reihe tanzt, bleibt unklar. Während er in "Herzlos" noch einfordert, der Geliebten zu vertrauen, überwiegt hier selbst gegenüber der fiktiven Angebeteten das Misstrauen: "Hauptsache, mit diesem Mund küsst du keinen anderen Mann."

Zum Glück bietet "Alles Zu Seiner Zeit" auch Ausbrüche aus dem privaten Einerlei. "Madame Tussauds" überzeugt mit klarem Bekenntnis zur Kultur inklusive Scratches und Samples. "Ich mach' echten Hip Hop – ohne eine einzige Beleidigung", paraphrasiert er in der dazugehörigen Hook Will Smith und liefert einen weiteren unfreiwilligen Lacher.

"Dankbar" zeigt sich Bilal für die in Deutschland genossene Bildung. Anders als im Heimatland seiner Eltern bieten sich hier die Strukturen für eine erfolgreiche Ausbildung. Ohne Scheu davor, sich selbst als "Streber" zu bezeichnen, fordert er dazu auf, diese positiv für sich zu nutzen. Ein im Rap-Kontext viel zu selten gehörter Appell und weitaus weniger peinlich an den Mann gebracht als während der Rap-braucht-Abitur-Debatte anno '08.

Musikalisch vermeidet "Alles Zu Seiner Zeit", sich an den Zeitgeist um Trap und Cloud-Rap anzubiedern. The Royals & 3ckz, Beatzarre, Djorkaeff und B-Case stellen unaufdringliche Beats bereit, die Bilal Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Überhaupt ist es ihm hoch anzurechnen, nicht auf überladene Produktionen zurückzugreifen, die sich eignen würden, um von etwaigen inhaltlichen Aussetzern und Vortragsschwächen abzulenken. Orientalische Elemente, wie in "Ausflug", "Auge" und "Arm & Reich" zu hören, finden in den oftmals nostalgischen Kindheitserinnerungen sowie dem Wissen über Bilals libanesische Abstammung ihre inhaltliche Entsprechung.

"Alles Zu Seiner Zeit" erweist sich als sympathisches und ehrliches, aber auch langweiliges Debüt, das auch nach dem wiederholten Durchgang keinen bleibenden Eindruck hinterlässt. Trotz seines jugendlichen Alters kennt MC Bilal nur den Blick in den Rückspiegel und erscheint dabei dank altersweiser Attitüde bereits heute wie der im Schaukelstuhl wippende Opa.

Trackliste

  1. 1. Alles Zu Seiner Zeit
  2. 2. Ausflug
  3. 3. Nummer Eins
  4. 4. Auge
  5. 5. Herzlos
  6. 6. Teufel
  7. 7. Opas Garten
  8. 8. Wenn Das Liebe Wäre
  9. 9. Madame Tussauds
  10. 10. Gegenteil
  11. 11. Arm & Reich
  12. 12. Traumfrau
  13. 13. Dankbar
  14. 14. Sehnsucht feat. Akay
  15. 15. Blut, Schweiß & Tränen

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