laut.de-Biographie
Mona Mur
"Tausend fremde Augenblicke haben meine Haut verbrannt. Jetzt verbrennen ihre Spuren, ausgelöscht von deiner Hand", singt Mona Mur in "Auf Immer".
Echte Musik-Diven, um deren Charisma, Kompromisslosigkeit und Können man Deutschland beneidet, sind seit jeher rar gesät. Es fallen dem Hörer nur wenige Namen ein, bei denen New York, Paris, Tokio oder Berlin gleichermaßen die Arme zur Begrüßung ausbreiten. Es gab Marlene Dietrich, Hildegard Knef und Nico, die Sphinx aus Eis. Und es gibt Mona Mur, "Germany's Queen of Postpunk".
Eine Blume erblüht im sumpfigen Morast des Berliner Undergrounds Ende der 70er, Anfang der 80er. Als Teil der Szene, die nicht nur Nick Cave nachhaltig faszinierte, schnappt sich Frau Mur anno 1980 all jene verstreuten Trümmer, die der Punk achtlos liegen ließ.
Punk war gestern. Grenzerfahrung ist heute. So in etwa lautet ihr Motto. Dazu nutzt Mona die Klangfarbe ihrer Stimme. Kalt glänzender New Wave, schroff-zerklüftete Rockattacken, und darüber ihr ebenso voluminöser wie warmer Gesang. Die erste echte einheimische Wave-Chanteuse ist geboren.
Sie verbindet das avantgardistische Element gern und ausgiebig mit den Mitteln des klassischen Chansons. Ein wenig, als hätten, Brecht, Brel und der Marquis de Sade sich in einer Lost Generation-Kaschemme der Weimarer Republik verabredet, die sich wider Erwarten als neonlichterner Waveschuppen mit Blutstropfen und Lippenstift an seinen Spiegelwänden entpuppt.
Alle machen mit, die Rang und Namen in der Subkultur haben. Kumpel Frank Z von Abwärts stellt zu Beginn seinen Proberaum zur Verfügung, "einen fensterlosen Dachraum in einem großen Turm auf der Moorweide, nur durch ein Loch in der Decke zu ersteigen."
Was zunächst als "Mona Mur & Die Mieter" beginnt, wird schnell zur "Mona Mur Band". Mit dabei: große Teile der Einstürzenden Neubauten, wie etwa Mark Chung, Alex Hacke oder FM Einheit.
Bands wie die mittlerweile längst international erfolgreichen Elektro-Industrial Vorreiter KMFDM fungieren als Monas Vorband und verdienen sich im Schlepptau von Frau Mur in der Szene erste Sporen als Jungspunde. Sogar weit über die Grenzen hinaus nehmen Pioniere wie Alan Vega (Suicide) oder Genesis P. Orridge (Throbbing Gristle) die mit raubtierhafter Eleganz präsentierte Bühnenexplosion wahr und outen sich als Fans.
So viel Wirbel bleibt der Punk- und Popwelt nicht verschlossen. Für ihr Kernalbum "Mona Mur" gewinnt sie 1988 Yello-Chef Dieter Meier als Produzenten. Große musikalische Unterstützung erhält sie dabei von Stranglers-Vordenker J.J. Burnell.
Brillant verarbeitet MM auf der Platte ihre anspruchsvolle Melange mit großer Lyrik. Neben selbst Verfasstem sowie Brecht ("Surabaya Johnny") oder Billie Holiday ("My Man") steuert Kiev Stingl, Deutschlands New Wave-Urgestein, Edeldichter und Skandalnudel-trächtiges Enfant Terrible, Zeilen zum Gelingen der LP bei.
Im Vergleich zu anderen Künstlern bleibt der Output Mona Murs zwischen 1982 und 2019 mit einer Single und sechs Longplayern zwar stets hochwertig, gleichwohl aber recht spärlich. "Ich arbeite als Sängerin nur mit den Besten auf diesem Gebiet. Wenn keiner da ist, dann halt nicht."
Doch auf der faulen Haut liegt sie deshalb längst nicht. Seit Gründung der eigenen Produktionsfirma im Jahr 1996 entwirft sie Sound für Filmproduktionen und Computerspiele. So enthält unter anderem Fatih Akins "Gegen die Wand" (in dem Mona auch als Schauspielerin mitwirkt) zu nicht geringen Teilen ihre Musik.
Auch die KMFDM- und Neubauten-Connection bleibt eine Konstante. Vor allem En Esch und FM Einheit erweisen sich als verlässliche künstlerische Partner. Der ehemalige Industrial-Rocker arbeitet mit ihr live und im Studio seit 2007.
Die Antriebsfeder Mona Murs liefert damals wie heute der alte Kampf zwischen Liebe und Hass. "Es geht immer um Liebe. Es gibt kaum ein bewegenderes Thema, außer vielleicht den Krieg, diesen Vater aller Dinge. Beides konfrontiert dich mit der Möglichkeit der Auslöschung. Mit der Musik evozieren wir Assoziationen von Erotik, Macht, Unterwerfung, Lust, Schmerz und dem Tod. Aber alles auf unsere ganz eigene poetische Weise."
Noch keine Kommentare