laut.de-Kritik
Ohne A-ha noch immer auf der Suche nach dem eigenen Profil.
Review von Sven KabelitzMit A-ha war Morten Harket der absolute Held meiner Jugend. Ich wollte sogar unbedingt seine Frisur kopieren, was aber nie so ganz geklappt hat. Noch heute vergöttere ich, in dieser Reihenfolge, "Scoundrel Days", "East Of The Sun, West Of The Moon" und "Hunting High And Low". Den Plastik-Pop von "Stay On These Roads" lasse ich bewusst aus.
Die Solo-Alben des Sängers überzeugten, das grandiose "Poetenes Evangelium" ausgeschlossen, allesamt nicht wirklich, fehlt ihnen doch der Esprit der Band. All zu gut verdeutlichte Harket, das es durchaus einen Grund hatte, warum er bei A-ha, anders als Waaktaar-Savoy und Furuholmen, so selten als Songwriter zum Einsatz kam. Über die ein oder andere galante, aber nie sonderlich fantasievolle Melodie kam Harket nicht hinaus. Auf sich allein gestellt, mangelt es ihm schlichtweg an Herzblut.
"Brother" stellt diesbezüglich keine Ausnahme dar, zeigt aber zumindest eine deutliche Verbesserung gegenüber dem fremdbestimmten und schlageresken "Out Of My Hands". Harket schwenkt mit der Hilfe von Peter Kvint und Ole Sverre Olsen um 180 Grad und entfernt sich von dem ihm zuletzt schlecht zu Gesicht stehenden Synth-Pop à la Pet Shop Boys. Die Konzentration liegt auf einer natürlichen, gereiften Produktion. Mit diesem weiteren U-Turn in seiner Karriere zeigt er jedoch deutlich, dass er sein Profil außerhalb von A-ha noch immer nicht gefunden hat.
Der Titeltrack und Opener erhebt sich nur langsam und nach mehrfachem Hören aus seiner Lethargie, offenbart dann aber seine angenehm melancholische Seele. Ritterlich setzt Harket seine dunkle, in die Jahre gekommene Stimme für diesen verregneten Song über "Liebe, Menschlichkeit und die Unverwechselbarkeit eines jeden" ein.
Leider gelingt ihm dies im weiteren Verlauf des Longplayers nicht immer. Bereits im folgenden "Do You Remember Me?", das auch auf dem misslungenen "Lifelines" seinen Platz gefunden hätte, verfällt der Sänger in den Höhen wieder in das seltsame Gejaule, das über die letzten Jahrzehnte seine einst so präzise über Oktaven spielende Stimme ersetzt hat.
Mit weiterem Verlauf bricht die immer gleiche Herangehensweise und Grundstimmung dem Bruder das Genick. Die einzelnen, von dämmriger Trostlosigkeit getragenen Stücke, unterscheiden sich nur in Nuancen. Spätestens mit den Balladen "Heaven Cast" und "There Is A Place" stellt der Norweger seine Fähigkeiten als singendes Hypnotikum unter Beweis.
Ausnahmen vom allgegenwärtigen Sound gibt es nur wenige. "Whispering Heart" traut sich mit anspornendem Schlagzeug und sehnsuchtsvollem Refrain erhobenen Hauptes an die Grenzen der Komfortzone, ohne sie zu überschreiten. Frostig angeschlagene E-Gitarren durchstoßen das aufopferungsvolle "End Of The Line", das unterm Strich aber am all zu fadenscheinigen Songwriting scheitert. Nur "First Man To The Grave" erzeugt dank "Twin Peaks"-Gitarre, Harfe und Xylophon eine eigene nokturne Atmosphäre.
Zwar liefert Harket mit "Brother" endlich einmal wieder ein in sich geschlossenes, kompaktes Album ab. Außerhalb des harten Fankerns dürfte er mit diesem sich in die Länge ziehenden Trauermarsch aber nur wenig neue Freunde finden. Wer das Ende des Longplayers erreicht, ohne in der Zwischenzeit einzuschlafen, darf sich ein Loch in seine Jeans ritzen. Wer es sogar zweimal schafft, bekommt gegen einen kleinen Obolus vom Schuhmacher seiner Wahl ein Lederarmbändchen ums Handgelenk.
3 Kommentare
Muss ich definitiv reinhören, zumindest der Song Brother macht für mich den Eindruck in Richtung seines Solo-Albums "Wild Seed" zu gehen. Und das ist meiner Meinung nach extrem unterbewertet. Sehr schöne Melodien (doch, er kann es schon) und grandiose Atmosphere. Für mich ein extrem zeitloses Album, dass ich immer noch ab und an auflege. Harkets letzte Solo-Werke fand ich aber auch alle schwach.
Man muss Mortens Musik und seine spezielle Stimme nicht zwingend mögen, aber auch nicht nur die (vermeintlichen) Schwächen seines Albums kritisieren. Wohl zieht sich eine gewisse Melancholie durch das Album, welche vom Kritiker im Titelsong noch als "angenehm" (!) empfunden wird, später verfällt jedoch der Rest angeblich in eine "dämmrige Trostlosigkeit". Besonders gelungene Tracks, die in dieses Schema nicht so ganz hineinpassen, werden einfach verrissen (Do you remember me = "seltsames Gejaule") oder gar nicht erst erwähnt (z. B. Safe with me)...sonst hätte das Ergebnis durchaus (verdiente) drei oder vier Sterne lauten müssen...
ich mag seine norwegisch gesungenen solosach sehr. "poetenes evangelien" und "vogts villa" waren schon auch geil.