Ohne die Kölner Avantgardisten wäre Krautrock in den Siebzigern vielleicht niemals groß geworden. Ihr legendäres Aufnahme- und Probestudio "Inner Place" ist nun Teil einer begehbaren Museumsinstallation.
Gronau (mma) - Was Can für progressive, experimentelle, avantgardistische Musik geleistet haben, gehört eigentlich in jedem Schulbuch vermerkt. Eigentlich. Denn obwohl sich in den letzten Jahrzehnten internationale Künstlerriesen wie David Bowie, Brian Eno, Aphex Twin oder Sonic Youth auf Can als Einfluss beriefen, blieb der Band bislang der Goldene Schlüssel zur Stadt Köln (und die dazugehörige Heldenstatue) verwehrt.
Damo Suzuki (Gesang), Irmin Schmidt (Tasten), Holger Czukay (Bass, später Elektronik), Michael Karoli (Gitarre) und Jaki Liebezeit (Drummer) sprengten in den Siebzigern mit ausufernden Jams das klassische Songformat. Ihre drogenschwangeren Jazzexkurse waren geprägt von Suzukis bisweilen gutturalen Improv-Gesängen, von perkussiven Elementen aus World Music, vom lärmendem Garage Rock der Sixties. Und vom Nebel im legendären Proberaum "Inner Space Studio", einem umgebauten Kinosaal im rheinischen Weilerswist.
"Ein abgewetzter Holzfußboden, bequeme Sofas, gedämpftes Licht unter hohen Decken: ein Raum ohne Zeit, ein Raum um zusammenzukommen, um Musik zu machen. Weil es schön ist."
(Hans Nieswandt, DJ und Mitglied von Whirlpool Productions)
Jetzt endlich erhalten die Kraut- und Psychedelicrock-Mitinitiatoren ihren festen Platz in der Musikgeschichte. Besagtes Aufnahmestudio wurde in den letzten Monaten detailgenau demontiert und ins Rock'n'Pop-Museum ins westfälische Gronau verfrachtet. Inklusive der 1500 an den Raumwänden angebrachten Matratzen, die seinerzeit dem Lärmschutz dienten. Die Aktion dient der am heutigen Freitag eröffneten Tribut-Ausstellung "CAN: Das Studio – Magie und Technik einer Band".
Alle noch lebenden Can-Mitglieder haben ihre Anwesenheit bei diesem feierlichen Moment angekündigt. Bis in die Gegenwart bleibt übrigens die Funktionsfähigkeit der Einrichtung - getreu dem Prinzip "lebendiges Museum" - vollständig erhalten. Dazu spielt Rocksängerin Helen Schneider, nunmehr selbst zum pophistorischen Ausstellungsstück gewandelt, ein Konzert. Techno-DJ Justus Köhncke vom Kölner Kompakt-Label sorgt anschließend mit passendem Set für den Brückenschlag in die Moderne.
8 Kommentare
Diese Wahnsinns-Band hätte noch so viel mehr verdient. Bis heute klingen viele ihrer Werke (vor allem "Tago Mago" und "Ege Bamyasi") noch um einiges origineller als alles, was man in der Indie-Alternative-Prog-Szene zu hören bekommt.
wort!
genial einfach nur. ganz große band!
das mit Brian Eno und Aphex Twin ja lustig^^ hatte die beiden immer für so merkwürdig mysteriös gehalten und wusste garnicht das die jemals über musikalische einflüsse geredet hätten intressant
ich habe mich auch noch nicht so richtig mit can beschäftigt, aber das kommt irgendwann auf jeden mal zu ...
ich hab nie den Zugang zu Can gefunden (obwohl ich alt genug wäre und die Szene auch meine gewesen sein könnte) aber na ja, der Kunst der Künstler möcht ich nichts absprechen
Was mir nur immer auffällt, Kommentare um Zeitgeistmusiker oder wirkliche Künstler sind deutlich magerer, als die Kommentare zu den Sternchen und Skandälchen der aktuellen Popszene... auch wenn man die Kommentare "so etwas wollen wir hier nicht lesen" abzieht
Mh, ich glaube das Problem von Can speziell und Krautrock im allgemeinen ist, dass es nicht das typische Einsteigerstück gibt, welches als Berührungspunkt für neue Hörer herhalten könnte.
Andere Klassiker der Rockgeschichte (Doors, Led Zeppelin, Hendrix, Deep Purple etc.) haben da ihre speziellen, zeitlosen Knaller, die schnell ins Ohr gehen und jetzt schon seit Jahrzehnten von Nachwuchsbands mit Feuereifer nachgespielt werden.
Bei Can im Gegenzug sollte man sich schon in Ruhe hinsetzen und in passender Stimmung die ganze Ege Bamyasi entspannt hören.