laut.de-Kritik

Kachelt durch die Tonlandschaft wie ein Intercity mit Neigetechnik.

Review von

Blue Note, das legendäre Jazz-Label, feiert heuer 70-Jähriges. Kaum hat das Jahr angefangen, bevölkert nicht nur eine famose The Blue Note 7-Einspielung meinen Schreibtisch, auf der Ravi Coltrane & Friends sich des Backkatalogs der Plattenfirma annehmen. Auch "Yoda's Dilemma", auf der mit je einer Komposition die Blue-Note-Artists John Coltrane, Wayne Shorter und Ron Carter geehrt werden, weigert sich, mein Büro unrezensiert zu verlassen.

Einem Intercity mit Neigetechnik gleich kachelt der Opener aus der Feder Coltranes durch die Tonlandschaft. So nimmt nicht nur der "Blue Train", dem man seine Jahre auf dem Buckel kaum anhört, Fahrt auf, sondern auch das Dilemma seinen Lauf. Welches Dilemma? Gute Frage! Denn auf dem 71-minütigen Showdown durchfurchen die vier Protagonisten ein inspiriertes Modern-Jazz-Feld.

Das Repertoire zu "Yoda's Dilemma" entstand bereits 2002 im Rahmen einer Rumänien-Tournee im Auftrag des Goethe-Instituts. Aufgenommen wurde dann in einem klitzekleinen Club im Süden Deutschlands, der Wahlheimat Manzecchis. Dass der Mitschnitt im Januar 2003 entstand und die Tonqualität der einer Live-Aufnahme entspricht, mag einen Teil von Yodas Dilemma erklären, stellt aber keineswegs eine unlösbare Zwickmühle dar. Im Jazz sind fünf Jahre kein Alter und die hörbar kuschelige Club-Atmosphäre des "Old Mary's Pub" trägt zum Charme von "Yoda's Dilemma" das Ihre bei.

Der sichere Heimatbahnhof Jazzarrangement und die kompositionsharmonischen Gleise flechten gemeinsam mit Manzecchis rhythmischem Lokomotivspiel ein sicheres Netz. Er und Bassist Jens Loh heizen den Improvisatoren dermaßen ein, dass diese mit Feuer und Flamme alle sich bietenden melodischen Weichen leidenschaftlich auskosten. Ein Traum für jeden Instrumental-Artisten, auf dieser Grundlage solistisch zu jonglieren.

Respektlosigkeit, was im Jazz in verdächtige Nähe zur Todsünde gerät, kann Yodas Dilemma also nicht sein. Ideenreichtum auch nicht. Das gilt sowohl auf spielerischer, interpretatorischer, als auch auf kompositorischer Ebene. Denn mit fünf von acht Titeln bannen die Gefährten deutlich mehr eigenes Liedgut auf CD, als fremdes.

Respektlos ist auch die eigenwillige Besetzung des Viererspiels, denn der Trommler schart nicht etwa ein klassisches Jazz-Quartett um sich. Manzecchi umgibt sich mit dem Tieftöner Jens Loh und den beiden Saxofonisten Andi Maile und Jürgen Bothner - und nein, man vermisst kein Harmonieinstrument! Die Protagonisten spielen in der Jazz-Bundesliga und in diversen Champions Leagues, das sollte als Credits genügen. Ob im Sturm, in der Hintermannschaft, im Tor oder auf dem Trainerstuhl, Manzecchis Mannschaft ist hervorragend besetzt. Auch hier kann Yodas Bedrängnis also nicht beheimatet sein.

Nach ausführlicher Suche eines auditiven Schwachpunkts auf "Yoda's Dilemma", der unauffindbar ist, bleibt neben der Debatte um die Schreibweise von "Yodas", das englische Booklet, mit dem man sich international gibt. Das ist aber wirklich das einzige Dilemma von Yoda und so stellt sich lediglich die Frage: "Who the f*** is Yoda?"

Trackliste

  1. 1. Blue Train
  2. 2. Nefertiti
  3. 3. Third Plane
  4. 4. Yoda's Dilemma
  5. 5. A Little Song For My Big Brother
  6. 6. Twelve More Years
  7. 7. Nine Shades
  8. 8. Contemplation Blues

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