laut.de-Kritik
Betörender Kammerfolk des weiblichen Quartetts.
Review von Martin LeuteHinter dem englischen Quartett Rachel Unthank & The Winterset verbergen sich die namensgebenden Schwestern Rachel und Becky und deren Mitstreiterinnen Stef Conner und Neopha Keegan. Mit ihrem zweiten Album begeistern sie erneut mit folkloristischer Kammermusik, die sie mit Piano, Cello, Geige und zauberhaften Harmoniegesängen großartig in Szene setzen.
Die Damen setzen sich vorwiegend mit der Neubearbeitung englischer Folk-Balladen und Traditionals auseinander, die vom Leben, der Liebe und dem Tod erzählen. Atmosphärisch entfachen sie zumeist düstere und traurige Klanglandschaften, die aber immer wieder von wunderschönen und harmonischen Momenten durchbrochen werden.
Der oft zitierte Vergleich mit Joanna Newsom ist durchaus angemessen, gesanglich fühlt man sich zudem hier und da an Cat Power erinnert. Verhuschte Klavierakkorde erklingen, ehe Rachel im Opener einen Text anstimmt, dessen Dialekt aus dem Nordosten Englands unverständlich ist und mystisch anmutet. Steptanz-Rhythmen, Cello und Geige komplettieren das reduzierte Arrangement.
Während "Lull I" ohne Instrumente und mit ätherischem Background-Gesumme aufwartet, präsentieren sie mit "Blue Bleezing Blind Drunk" in Barjazzmanier eine Piano-Ballade, von wirkungsvollem Geigenspiel untermalt. Bedrückend bahnen sich in "I Wish" übereinandergeschachtelte Stimmen zu dumpfen Pianoschlägen ihren Weg, während "Blue's Gaen Oot O'The Fashion" und "Blackbird" mit fließendem Klavierlauf, irisch anmutendem Fiddle-Spiel, anhebenden, famosen Harmoniegesängen und heiteren Refrains Optimismus versprühen.
Ein weiterer Höhepunkt ist die melancholische Interpretation der Robert Wyatt-Komposition "Sea Song", die sich dem kurzen Cover von Bonnie 'Prince' Billys "A Minor Place" anschließt. Auch bei der Auswahl ihrer Cover-Songs beweist das Quartett absolute Geschmackssicherheit.
"Whitethorn" und "My Donald" lehnen sich wie das herzerreißende A Cappella-Stück "Ma Bonny Lad" mit dunklen Klängen an die frühe englische Musiktradition an, bevor das "The Bairns" mit "Farewell Regality" zu Klavier und Geige mit sonnigem Finale so versöhnlich wie schön ausklingt und mit "Newcastle Lullaby" schließlich sanft zu entschweben scheint.
"The Bairns" ist ein betörendes Album, das sich nur schwerlich in den Pop-Kontext einfügen lässt, dafür aber mit Kammerfolk zwischen Klassik und einem großen Hang zur Musiktradition der Ahnen seinen ureigenen Zauber entfacht, indem es angestaubtes Liedgut respektvoll wie visionär poliert.
4 Kommentare
das scheint ja nochmal ganz großes kino zum jahresausklang zu sein.
http://forum.laut.de/viewtopic.php?t=67292…
hab ich schon vor vier wochen gesagt
ich lahmer sack
ein etwas paranoider nordwind flüsterte mir gerade das vorletzte lied.
großartig!