laut.de-Kritik
T-Bone Burnett und Ringo buchen Larkin Poe, um sie zu verstecken.
Review von Philipp KauseZugegeben, in Rockmusik kann man sich so nerdartig vertiefen wie ins Sammeln seltener Münzen, in Modelleisenbahnen und Bundesliga-Tabellen. Gern erinnern sich die Top-Spezialisten dann an Nischen-Ereignisse, die den Musizierenden selbst entfallen sind. Es begab sich 1977, dass Ringo Starr im siebten Jahr als Ex-Beatle mit T Bone Burnett im Studio saß. Das heißt, T Bone stand zum Singen und an der Gitarre, hockte auch am Klavier, Ringo hingegen saß wohl die meiste Zeit, denn da sang er nicht, sondern trommelte. Die beiden spielten ein Dylan-Cover ein. Einem Interview mit dem Magazin Variety zufolge weiß der Drummer das nicht mehr, aber es steht so auf der Platte von damals.
Für "Look Up" agieren die beiden, die sich seit Mitte der 70er von Partys in Kalifornien kennen, ein ganzes Album lang zusammen. Die Rollenverteilung schaut so aus: T Bone, mit einem Fuß im Blues und im Americana-Segment, mit dem anderen tänzelnd zwischen Singer-Songwriter und Pop, schrieb die Lieder und produzierte den Longplayer. Für den Schlusssong schaltete sich Ringo als Ko-Produzent mit ein. Ansonsten singt der Drummer das Material, quasi Auftragslieder, und er schlägt und tritt den Rhythmus, bis auf ein Lied mit den Gästen Lucius, das gar kein Schlagzeug hat.
An den Gitarren zupfen und sliden T Bone selbst, Daniel Tashian aus Kacey Musgraves' Umfeld sowie mehrere Persönlichkeiten von Rang und Namen in Nashville, und bei "Rosetta" der Eagle und Ringos Schwager Joe Walsh. Zusammen verwandeln sie das Werk in ein Country-Album eines Beatle. Nun, das ist so mittelgradig bemerkenswert. Die Stones kamen als Band frühzeitig auf den Americana-Trichter, als sie "Wild Horses" 1970 schrieben und nach einigem Zögern im Jahr darauf aufnahmen. The Kinks entdeckten Anfang der 70er den Countryrock für sich. Es war verführerisch für die englischen Bands, die Anfang der Sixties andere Strömungen aus den USA adaptiert hatten, nun auch den Sound aus Nashville zu testen.
Ringo exerzierte Schnulzen-Country in voller Albumlänge auf "Beaucoups Of Blues" im Beatles-Trennungsjahr. Heute lässt es sich kaum ohne Fremdscham hören, so dick ist es mit Pedal-Steel zugkleistert, so triefend vor Schmalz klingt es. Oder, wie steht es um den unsäglichen Kitsch von "Good Night" auf dem "White Album"? - Burnett sieht das Ganze positiv, sagt, Ringo sei "ein herzzerreißender Balladensänger".
Der neue Track "I Live For Your Love" setzt diese Ausbuchtung im Starr-Oeuvre fort, in abgemilderter Form. Die Geduld überspannt er trotzdem, weil er so wie das Herunterbeten von Abzählreimen und musikalisch reichlich standardisiert wirkt. Country ist derweil kein pures Thema des Albums, eher ein einendes Band aller Stücke. Auch Folkrock kommt dabei nicht zu kurz, wie beispielsweise der Crossover "Never Let Me Go" zeigt. Hier dominiert die fett aufgetragene Mundharmonika. Immer wieder lassen sich auch The Byrds und Crosby, Stills & Nash in Zwischentönen als Einflüsse auf dem Longplayer heraus hören.
Der Titelsong "Look Up" erfüllt in gleichem Maße Merkmale von Britpop - Marke The Verve - wie auch von Americana. Der Ex-Beatle nennt einen Grund: Liverpool sei die Hauptstadt des Country gewesen, aufgrund seiner Nähe zum Meer, erklärt er in der Sunday Times: Viele Seeleute der Handelsmarine hätten damals Vinyl aus den USA mitgebracht und ins UK eingeführt, verliehen, verbreitet.
Man kann jedenfalls rasch den Eindruck bekommen, Lieder dieser Art wie "Look Up" schon von zig anderen Bands vernommen zu haben. Ein Aha-Effekt bleibt aus. Sehr bemerkenswert scheint mir hingegen die stimmige Qualität der neuen Platte als Ganzes, die man immer wieder gut in einem Rutsch hören kann, ohne dass sich irgend etwas daran falsch anhören würde. Voraussetzung: Man tut etwas anderes nebenbei, lässt sich berieseln. Konzentriertes Hinhören entlarvt den neuen Songkatalog schnell als eine Reihe von Standards, die sich repetitiv und vorhersehbar in die Länge ziehen. Manchmal machen sie einen abgegriffenen Eindruck. Zudem bewirkt irgend etwas in der Abmischung, dass sich das Album aus Kopfhörern spitze und aus Lautsprechern jedoch ein bisschen dürr anhört.
Sicher, dass Nachahmer ein Genre kapern und sich mit erfahrenen Gästen schmücken, die wirklich aus diesem Szene-Umkreis stammen, diese Aktion birgt sowieso ein großes Risiko des Scheiterns. Aber der stilistische Spagat ist weder ein Plus noch ein Minus. Denn in diesem Fall hier gelingt das Beschnuppern von Tennessee, schöpft aber das Potenzial bei weitem nicht aus. Larkin Poe lediglich als dezente Harmonie-Stimmen im Hintergrund eines Songs einzubauen, wird sicher nicht den virtuosen Instrumente-Fertigkeiten der Schwestern Lovell gerecht. Immerhin, die eine der beiden darf einen Takt lang an die Mandoline ran.
Die Paarung mit Molly Tuttle führt in zwei von drei Fällen zu bräsigen Nummern. Andererseits: Ohne Gäste wäre das Ganze fahl, eintönig, gleichförmig. Denn Ringo bevorzugt, wie schon vor 60 Jahren, Melodien mit geringer Ton-Modulation. Demzufolge klingt er mitunter nölig, ein Wechselgesang mit einer kontrastierenden Kollegin Molly wie in "Can You Hear Me Call" sorgt für Auflockerung. Richtig gut ist aber vor allem der Titelsong, in dem Meister Starkey ein bisschen Billy Idol-Timbre in seine Vocals integriert.
Die Themen, über die T-Bone schrieb, bieten wenig Raum für spannende Vortragskunst. Meistens drehen und ranken sie sich um Selbstmitleid, weil ein Typ von seiner Freundin verlassen wurde. Manchmal klappt das mit treffsicheren, atmosphärischen Wendungen wie in "Time On My Hands", "I walked the empty streets. / The blue side of town. / When she was my baby / I was a busy man / But she slipped through my fingers".
Manchmal, wie in "Rosetta", füllt die Lyrik lediglich zweckmäßig den Platz aus: "The sun's low in the sky / Rosetta / Now and then I wonder why / Because I know I'll never know / How I ever let you go", sowas ist lahm und langweilig. Musikalisch knüpft so ein trockener Country-Crossover eindeutig an "Act Naturally" vom "Help!"-Album oder "What Goes On" auf "Rubber Soul" an.
"You Want Some" erinnert stilistisch an die 70er, als Ringo einige Hits, zum Beispiel das Cover "You're Sixteen", für sich verbuchte und nette Singalongs aufnahm. "You Want Some" macht auch wieder üppigen Gebrauch von der Pedal Steel. Sie verleiht der Musik neben dem besagten Nashville-Flair auch hawaiianischen Südsee-Sound.
Dass der berühmte Drummer gern gemütliche Lieder mit minimalen Tonsprüngen anstimmt, bewies er bei den Fab Four durchgehend. Insofern bleibt er seiner Rolle bei den Beatles auch auf "Look Up" treu.
1 Kommentar
Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde die Soloalben von Ringo so schwach. Dass er ein guter Drummer ist, steht außer Frage.