laut.de-Kritik
Sie haben ihren Kosmos durchdrungen und sehen die Matrix.
Review von Linus Schwanke"Fang das gelbe Monster!" rockt es aus den Boxen. Wer glaubt, hinter dem CD-Titel "Herz" verbirgt sich eine triefende Balladen-Lawine von Herz und Schmerz, an deren Endmoräne ein Tränentümpel in der Sonne schimmert, hat sich getäuscht: Das neue Album der Berliner Kultband besticht durch Vielseitigkeit und Reife, die auch lauteren Tracks Raum lassen. Während sich im Keller die Ratten erhängen, heißt das Credo: "Willkommen in unserer Welt."
Die Singleauskopplung "Liebe ist Alles" ließ bereits erahnen, was inhaltlich auf einen zu kommt. AnNa R. und Peter Plate lassen tief in ihr Inneres blicken. Dass der Videoclip unter der Regie von Philipp Stölzl (Madonna, Evanescene, James Bond Clips) bei VIVA & Co. so unerhört gut ankam, unterstreicht die Wirkung, die der Stil hat: So sieht die Liebe - auch körperlich - in Wahrheit aus. Da wird geknutscht und gefummelt, und zwar nicht in einer Traumwelt aus Glitter und Glamour, sondern in ganz normalen Schlafzimmern und zerwühlten WG-Betten. Spieglein deckt euch.
Der unheimlich schöne Song spielte sich nach kurzem Hören in vielen Ohren fest und zeigte rasch, dass er in Einfachheit und Emotion das Zeug für einen hohen Einstieg hat. Erstmals horchten selbst Schmähsender und Teile des Mainstream-Äthers auf, und nahmen den Song in Rotation. Mit Spannung durfte man die CD erwarten.
Nun ist sie da. Für das Album "Herz" gingen AnNa, Peter und Crew mal wieder neue Wege: sie verließen die geliebte Heimat an der Spree und produzierten in Hamburg, um losgelöst von Umfeld, Freunden und Plattenfirma die zentrale Frage musikalisch zu beantworten: "Was haben wir mitzuteilen nach so langer Zeit und so vielen CDs? Was ist uns wichtig?" Am Ende blieb die Erkenntnis, dass es an der Zeit ist, über sich selbst zu schreiben. Peter Plate sagt es so: "Ich wurde gefesselt, verschnürt, eingesperrt und zur Wahrheit gezwungen". Und dann fingen sie an.
Heraus kam eine Scheibe, die eine Art seelischen Zustandsbericht der Musiker abgibt. Sie spiegelt keine Momentaufnahmen oder zynischen Reflexe wider, sondern dringt zur Substanz vor. Die Musik folgt dem Text und stellt den Körper dar - jedoch der Text bleibt das 'Herz'. "Es ist zum ersten Mal in all den Jahren ein merkwürdiges Gefühl, sie anderen Menschen vorzuspielen", stellen die Berliner zur neuen CD fest.
Welche Gesichter hat die Liebe? Die zwölf Tracks geben hierauf musikalisch gut umgesetzte Antworten: Glück, Sex, Partnerschaft ("Liebe ist alles"), aber auch Schmerz ("Die Liebe ist tot"), Verlust, Trauer, Hoffnung ("Gib mir mehr Himmel") und ganz profaner Neid ("Das gelbe Monster"). Das sind die Gefühlsebenen, um die es geht. Die Texte sind einfach und verständlich, keine schwülstig-puren (sic!) LSD-Wortgebilde, wie so häufig in Balladen. Dennoch - oder gerade deshalb - kommt die Botschaft ungefiltert an. Umschlossen wird sie von dem Körper, der Musik.
Die einzelnen Songs zu kommentieren oder gar zu zerpflücken, wäre müßig. Denn sie sind allesamt emotional, und Gefühle in Text und Ton kommen bei jedem Menschen anders an. Man kann nur sagen: selber hören und urteilen. Bleibt wie immer abzuwarten, wie die (dann große) Combo auch die neuen Stücke bei ihren Live-Auftritten performen wird. Erwarten wir das Unerwartete. Die Tour beginnt am 15. April mit dem traditionellen Heimspiel in Berlin.
Wie es Rosenstolz immer wieder gelingt, Neues zu schaffen, ist verblüffend. Sie setzen die eigene Messlatte stets noch ein wenig höher und vor allem in anderes Terrain. So viel Kreativität, Eigensinn und positive Energie kann fast neidisch machen. Huch - das gelbe Monster bin ja ich!
1 Kommentar
kaum gibbs ne lobhudelei, will keiner mehr kommentieren. ich finds ein bißchen zu viel des guten. klar, mir gefällt das album auch, aber ich finde es jetzt nicht so wahnsinnig anders als "das große leben", das in der rezension komplett vernichtet wurde. und ich persönlich finde das GELBE MONSTER ätzend nervig, alles andere aber hörbar ^^. vier punkte.