laut.de-Kritik
Mehr Sido als je zuvor, ganz ohne den Maskenmann.
Review von Dani Fromm"Nein. Nein, heute nicht." Diesmal werden mal keine Leute angespuckt. Sido versucht "sowas wie 'n Neubeginn", ganz ohne den Maskenmann. "Du kommst jetzt in den Schrank." Leicht macht er es damit weder sich noch seiner Hörerschaft.
Enttäuschte Fans der Anfangstage wetzen die Messer und beklagen den Tod des "superintelligenten Drogenopfers". "Das ist nicht mehr Sido", heult es, wohin man schaut. Seltsam, mit welcher Selbstverständlichkeit dem Schöpfer der Kunstfigur die Definitionsmacht über ebendiese abgesprochen wird.
Nicht mehr Sido, also? Blödsinn. "Aggro Berlin", das Album, bietet mehr Sido als je zuvor. An Authentizität mangelt es wahrlich nicht. Sido erzählt eine Geschichte, die ihm bestens vertraut ist: seine eigene. Die offenbarte, wäre sie nicht im Vorfeld in endlosen Interviews ausgebreitet worden, durchaus interessante Einblicke.
"Hey Du!" berichtet aus unsteten Kindertagen, in einer Offenheit, die überrumpelt. Sidos Ehrlichkeit entwaffnet derart, dass man die aufgesetzte Berlinerei in der beim Musical "Linie 1" entliehenen Hookline kaum noch übel nimmt.
Rückblicke ("Sido"), Bestandsaufnahmen ("Wenn das Alles Ist"), Bilanz ziehen ("Ich Bereue Nichts"): Sido leuchtet seine Entwicklung erbarmungslos aus und kommt zu einem Schluss, den man nur unterschreiben kann: "Es waren achtbare acht Jahre."
Freundschaft erkennt Sido zunehmend als wertvolles Gut - und feiert sie entsprechend. In diese Kerbe schlagen meine beiden erklärten Favoriten des Albums: Die Rentner-Kollabo mit Samy Deluxe zementiert beider Herren "Seniorenstatus": "Wir sind alt, doch für euch reicht es schon noch."
Paul NZA und Marek Pompetzki schrauben den üppig Bläser-dekorierten Beat dazu. Wer bei dem missglückten "Geburtstag", in Szene gesetzt von DJ Desue, nicht mit-leidet, hat ohnehin kein Herz.
"Man muss am Rand rumstehen, wenn man ein Mann ist", nehmen Siggi D! Soost und K.I.Z. in "Der Tanz" Jungmänner-Verklemmtheiten auf den Kieker - Schrittfolge inklusive. Auch diese Nummer: äußerst gelungen.
Sido ist echt. Deswegen vergebe ich Kifferklischee-Dreschereien in der Sunshine-Reggae-Hymne "Marie & Jana". Ich vergebe von Anfang bis Ende unlustige Skits aus dem Mund des ebenso unlustigen Kurt Krömer.
Ich vergebe den Totalausfall in Komplizenschaft mit dem Lieblings Rapper-Kollegen Harris. "Jetzt wird das Haus gerockt." Mit einem Refrain, der das Haus zu Tode ödet: sicher nicht.
Ich vergebe den Auftritt der Liebsten, auch wenn Doreen mit ihrem hämischen Nachtreten in Richtung der "Schlampen Von Gestern", der Abrechnung mit Sidos Verflossenen, den verrückten Charme raubt und den Spaß ruiniert. Dennoch: Gesang zu Klavier- und Streicherbegleitung hätte ich Sido nicht zugetraut. Der Überraschungspunkt geht an ihn.
Ich vergebe Sido, eine Einladung an G-Hot ausgesprochen zu haben. Denn so bekommt man dessen stumpfe Unbelehrbarkeit noch einmal auf dem Silbertablett zurück ins Gedächtnis gerufen. Ganz im Gegensatz zu dieser Dumpfbacke wirkt Sido, obgleich er ebenfalls "nichts bereut", gereift und reflektiert.
Darum geht es eigentlich doch, plärrt man nach realness. "Ich hab' mich geändert, also hat meine Musik sich auch geändert", bemerkte Sido kürzlich lapidar in einer Talkshow. Andere Umstände produzieren andere Ergebnisse.
Das darf man - ähnlich der Entwicklung eines Dizzee Rascal - schade finden, musikalisch uninteressant bis untragbar. Unaufrichtig ist es nicht. "Deutschland hat mich zurück aufn Beat, weil die Hure mich liebt" - oder wie schrieb einst Kollege Gässlein: "Jedes Land bekommt die Rapper, die es verdient."
147 Kommentare
Gute Review, stimme Dani fast überall zu, bei mir gibts nach wie vor ne 3,5/5
edit: Aber warum schon wieder ein neuer Thread? Der Album-Thread läuft doch schon wochenlang..
Ist Seniorenstatus nicht von m3 & Noyd?
Sonst gehen Wertung + Review klar, auch wenn ich dir den obligatorischen G-Hot-Seitenhieb wieder übel nehme
@InNo (« Ist Seniorenstatus nicht von m3 & Noyd?
Sonst gehen Wertung + Review klar, auch wenn ich dir den obligatorischen G-Hot-Seitenhieb wieder übel nehme »):
ich hab dem booklet geglaubt.
aber da gibts ja noch einen remix von versteckt - vielleicht ist der von m3&noyd? ich gestehe: ich weiß es nicht. hab' aber gerade auch glashausbedingte hirnwindungserweichung.
Verschiedene User haben mich daran erinnert, dass die angekündigte Interview-Thread-Funktion immernoch nicht umgesetzt ist..
Daher mal wieder die Frage: Liebes laut.de, wann wird es soweit sein? Es haben doch alle lieb Banner geguckt und geklickt, jetzt möchten die User auch mal ein Bonbon.
Danke.
Verschiedene User haben mich daran erinnert, dass die angekündigte Interview-Thread-Funktion immernoch nicht umgesetzt ist..
Daher mal wieder die Frage: Liebes laut.de, wann wird es soweit sein? Es haben doch alle lieb Banner geguckt und geklickt, jetzt möchten die User auch mal ein Bonbon.
Danke.
Maske weg, Sido her und ein gutes Album
Ja, nach "Ich und meine Maske" kann SIdo sich eindeutig wieder steigern.
Vor allem der erste Teil der Platte ist sagenhaft. "Hey du" "Sido" "Wenn das ALles ist" sind super! Auch später finden sich mit "Seniorenstatus" und "Ruf mich"noch weiter Toptracks, "Seniorenstatus" ist dabei der Beste Track der Platte. Es gibt daneben viele Durchscnittssongs wie "Geburtstag" "Sicher" und "10 Jahre" und leider auch ein paar Lowlights "SChlampfen von Gestern"; G-Hot; "Sie bleibt". Dies aber können die Freude am Album nur leicht trüben.
Fazit: Sido ist als echter Sido viel besser dran und wenn er von sich und seiner Entwicklung erzählt sind das die Besten Tracks, die Freude wird jedoch von unnötigen Featuring Parts (G-Hot; Harris) und unnötigen Lieder (Sie bleibt) getrübt, so dass es noch für knappe 4 Sterne reicht.