laut.de-Biographie
Soft Machine
Im London der späten 60er Jahre gelten Soft Machine nebn Pink Floyd als eine der großen Hoffnungen des Psychedelic Rock. Die Band, die ihren Namen einem Roman des Autors William Burroughs entnimmt, gründet sich 1966 mit dem Australier Daevid Allen (Gitarre), den beiden Wild Flowers-Mitgliedern Kevin Ayers (Bass) und Robert Wyatt (Schlagzeug, Gesang) sowie Mike Ratledge (Keyboards) in Canterbury. Auf die Musikszene dieser Stadt lässt sich auch der Begriff des Canterbury-Sound zurückführen.
Der Canterbury Sound lässt sich als eine Spielart des Progressive Rock verstehen. Klangvielfalt und Experimentierfreudigkeit zeichnen beide aus, die Canterbury-Schule hebt sich aber besonders mit einer verstärkten Affinität zu Jazz vom bombastischeren Progressive Rock ab. Neben Soft Machine, Caravan und Gong prägen zudem Bands wie Egg, Centipede, National Health oder Henry Cow diesen Stil.
Die Band versteht sich mehr als künstlerisches Projekt denn als klassische Rockband und experimentiert mit Soundcollagen und Lightshows. Kurz nach ihrer Gründung zieht es sie nach London. In der dortigen Psychedelic-Szene erlangt sie bald Kultstatus als Hausband in Clubs wie dem Roundhouse und dem UFO.
Nach einem Aufenthalt in Frankreich im Sommer 1967, wo Soft Machine an einem Avantgarde-Theaterprojekt in St. Tropez mitmischen verweigert England plötzlich allen die Einreise. Der verlässt daraufhin die Band und gründet zwei Jahre später die Combo Gong während die restlichen Jungs als Trio weitermachen.
Während einer US-Tour im Vorprogramm von Jimi Hendrix nehmen Soft Machine ihr erstes Album "The Soft Machine" innerhalb von vier Tagen im April 1968 in New York auf. Der zukünftige Police-Gitarrist Any Summers stößt zur Band, steigt aber aufgrund musikalischer und persönlicher Differenzen bald wieder aus. Auch die Unstimmigkeiten zwischen Ayers und Wyatt und Ratledge spitzen sich Zu. Bis Ayers schließlich ebenfalls die Band verlässt und sich nach Spanien absetzt.
Daraufhin stößt Bassist Hugh Hopper neu dazu und nach einigen Monaten gibt die Band mit neuem Line-Up im Februar 1968 in der Royal Albert Hall ihr Live-Debüt und spielt wenig später ihr zweites Album ein.
Für die Aufnahmen von "Volume Two" (1969) und Live-Gigs schließt sich der Tenor-Saxophonist Brian Hopper der Band an. Mit Brian manifestiert sich die musikalische Veränderung Richtung Jazz. Die Brass Sektion aus der Jazz-Band des Pianisten Keith Tippett etabliert schließlich den Jazz als wesentliches Merkmal des Sounds von Soft Machine. Ende des Jahres spielt die zum Septett angewachsene Band die BBC-Sessions ein und tourt anschließend durch Frankreich.
Anfang 1970 nehmen Soft Machine ihr drittes Album "Third" auf, eine Doppel-LP, die vier Kompositionen auf je einer Seite enthält. Zwei steuert Ratledge bei, Wyatt und Hopper jeweils eine. Wyatts Komposition "Moon In June" sollte der letzte Song sein, den Soft Machine mit Gesang einspielen. Viel halten dieses Werk für das beste der Band und eines der bedeutendsten Dokumente der Fusion von Rock und Jazz.
Mitte des Jahres sind Soft Machine eine reine Instrumentalband. Im selben Jahr konzentriert sich Wyatt, der sich vergebens für mehr Gesangsparts einsetzt, auf seine Solokarriere und bringt seine erstes Soloalbum "The End Of An Ear" auf den Markt. Wyatt verlässt die Band nach dem vierten Album mit dem schlichten Titel "4" im Jahr 1972 und gründet die Band Matching Mole, das ironisch auf die französische Übersetzung von Soft Machine (machine molle) verweist.
Für die Aufnahmen von "4" werden wieder Gastmusiker rekrutiert, das Ergebnis ist ein Big Band-Sound mit Free Jazz-Einflüssen. Neben dem Pianisten Keith Tippett wird die Band durch Mark Charig (Trompete), Nick Evans (Posaune) und Elton Dean (Alt-Saxophon), der zum ständigen vierten Mitglied avanciert, verstärkt.
Einen weiteren Höhepunkt des Schaffens der Band ist mit dem Album "5" (1972) erreicht. Diese Platte wird mit zwei Schlagzeugern eingespielt, Phil Howard und John Marshall, und zeichnet sich durch komplizierte Rhythmus- und Harmoniewechsel aus, die den zukünftigen Jazz Rock entscheidend prägen.
Wieder ergeben sich Uneinigkeiten bezüglich des Stils, dessen Jazz Rock-Affinität Elton Dean missfällt, der die Gruppe 1972 verlässt. Ersatz findet sich mit Karl Jenkings (Oboe, Saxophon, Keyboard) von der Band Nucleus. Marshall und Jenkins sind es auch, die dem Doppel-Album "Six" (1973) ihren Stempel aufdrücken.
1973 verlässt auch Hugh Hopper Soft Machine. Er veröffentlicht ein Soloalbum namens "1984" und arbeitet in den 70ern mit zahlreichen Jazz- und Progressive-Bands zusammen. Ersetzt wird er durch Roy Babbington, der mit seinem E-Bass-Spiel für mehr rhythmische Geradlinigkeit sorgt, die sich auf das Album "Seven" (1973) manifestiert: Die Kompositionen sind wieder kürzer, der Jazz-Einfluss geringer.
Mit Allan Holdsworth verpflichtet man anschließend einen der besten britischen Drummer und Gitarristen, um der stilistischen Eintönigkeit und Wiederholung zu entgehen. Dementsprechend rockig präsentiert sich das Album "Bundles", das 1975 auf den Markt kommt.
Dieses Werk markiert insofern einen Wendepunkt der Soft Machine-Historie, weil es erstmals keine Zahl im Titel führt und außerdem den Wechsel vom Label CBS zu EMI/Harvest bezeichnet. Das ist auch gleichzusetzen mit dem Versuch, sich musikalisch mehr dem Mainstream anzunähern.
Nach dem Erscheinen von "Bundles" verlässt Holdsworth die Combo und empfiehlt John Etheridge als seinen Nachfolger. In dieser Besetzung touren Soft Machine 1975 mit Caravan und dem Mahavishnu Orchestra durch Europa. Von diesem Zeitpunkt an schwindet die Popularität der Band, weil es ihr nicht gelingt, die anfängliche Energie der musikalischen Neuorientierung zu konservieren.
Nachdem 1976 "Softs" erscheint, verlässt mit Mike Ratledge schließlich das letzte Gründungsmitglied Soft Machine. Auf "Softs" wirkt der Saxophonist Alan Wakeman mit, der nach nur sechs Monaten durch den Violinisten Ric Sanders ersetzt wird. Kurz darauf steigt Babbington aus, sein Nachfolger wird zuerst Percey Jones von der Band Brand X und anschließend Steve Cook (Ex-Gilgamesh/Mirage).
Das Live-Album "Alive And Well, Recorded In Paris" (1978) dokumentiert einige Auftritte im Juli 1977. Als Soft Machine steht die Kombo letztmals im Dezember 1978 in Bremen auf der Bühne. Nach der letzten Studioplatte "Land Of Cockayne", das trotz der prominenten Beteiligung von Jack Bruce am Bass floppt, stellt Soft Machine den Betrieb endgültig ein.
Musikalisch sind die Mannen dennoch weiterhin aktiv. Elton Dean, Hugh Hopper, John Marshall und Keith Tippett gründen 1999 die Band Soft Ware, die sich nach dem Weggang von Tippett und dem Zugang von Allan Holdsworth in Soft Works umbenennt.
Soft Works legen sich dann den publikumswirksameren Namen Soft Machine Legacy zu, die in der Besetzung Elton Dean, Hugh Hopper, John Marshall und John Etheridge die Alben "Live In Zaandam (2005) und "Soft Machine Legacy" (2006) veröffentlicht. Mit Theo Travis, dem Nachfolger des 2006 verstorbenen Elton Dean erscheint im August 2007 schließlich deren Album "Steam".
Doch alle Neben- und Schwesterformationen können nicht darüber hinweg täuschen, dass das Mutterschiff all zu lang im Dornröschenschlaf liegt. Dieser endet nach 37 Jahren endlich im Herbst 2018. Als wären sie nie fort gewesen, reanimieren Marshall, Babbington und Etheridge die Maschine unter Einbindung des weit jüngeren Nesthäkchens Theo Travis.
"Hidden Details" heißt das 13 neue Tracks umfassende Studioalbum. Trotz ihres hohen Alters folgen Konzerte u.a. in Europa und Japan. Das Material hat so eine Präsentation durchaus verdient. Geschickt loten Soft Machine einmal mehr die Schnittstellen von Psychedelic Rock und Jazz aus. Mühelos hält die Platte mit ihren Glanztaten der frühen bis mittleren 70ern mit. Entsprechend stolz verkündet die Band mit typisch englischem Humor: "Es hat vielleicht ein paar Tage länger gedauert als erwartet. Aber es ist definitiv Soft Machine!"
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