26. Juni 2012

"Klar hören wir ABBA!"

Interview geführt von

Mein erstes Interview per Skype, und dummerweise habe ich nicht daran gedacht, den guten Beef schon ein paar Tage früher zu adden, damit wenigstens die Verbindung schon mal da ist.Ich warte also zur angegebenen Uhrzeit darauf, dass der Sänger und Gitarrist online geht, doch nichts passiert. Zehn Minuten später, als ich schon kurz davor bin, den Rechner wieder runterzufahren, ist der Schwede plötzlich online, nimmt meine Freundesanfrage an und entschuldigt sich in getippter Form für die Verspätung. Kurz darauf geht die Kamera an und ein sichtlich gut gelaunter Beef Bonanza sitzt mir in seinem Wohnzimmer in Karlskrona gegenüber.

Beef Bonanza: Tut mir leid, dass ich nicht pünktlich war. Mein Sohn hatte andere Pläne und wollte nicht einschlafen.

Oh, ist er denn jetzt im Bett?

Ja, der eine zumindest. Ich bin vor zwei Wochen noch mal Vater geworden und hab jetzt zwei Sprösslinge. Entsprechend bin ich ein wenig gestresst, aber es geht schon. Das liegt aber nicht nur an meinen beiden Söhnen, sondern natürlich auch daran, dass die Promo für unser neues Album angelaufen ist.

Na für meinen Geschmack wurde das höchste Zeit. Immerhin habt ihr euch in den letzten Jahren etwas rar gemacht. Das letzte Album liegt fünf Jahre zurück.

Das ist schon richtig, aber wirklich weg vom Fenster waren wir dennoch nicht. Wir waren auch nach der Veröffentlichung von "Burnout Boulevard" ausgiebig auf Tour, und die Jahre davor waren wir auch ständig unterwegs. Da war ein Pause schon mal notwendig. Einfach, um die Batterien aufzuladen und auch mal Zeit mit der Familie zu verbringen.

Und diese zu vergrößern.

Genau, das natürlich auch (lacht).

Ich war ja schon die letzten paar Male, bei denen ich euch live gesehen habe, wirklich überrascht, wie schmal du auf einmal geworden bist. Und offensichtlich scheinst du dein Gewicht jetzt auch zu halten.

Hahaha, danke. Ich werde von Mal zu Mal dünner. Nein, das nicht, aber auf den ganzen Dauertouren, welche wir früher gefahren sind, hat man entweder viel Stress, oder man sitzt nur in der Gegend rum und in beiden Fällen stopft man sich nicht unbedingt mit den gesündesten Sachen voll. Irgendwann hatte ich die Schnauze voll davon und traf zu der Zeit auch einen alten Kumpel von mir, der ehemaliger Kickbox-Champion ist. Wir haben früher schon immer mal wieder ein wenig miteinander geboxt und ich fragte ihn, ob wir das nicht wieder machen könnten. Ich hab dann wieder mit dem Training angefangen und bis heute beibehalten. Das ist echt ein guter Ausgleich zum Musikmachen und es hält dich in Form. Ich mach jetzt bei keinen Wettkämpfen oder so mit, aber im Ring zu stehen und ein bisschen Dampf abzulassen, hat schon seinen Reiz. Außerdem macht man was für die Figur und ist dazu in der Lage, sich selbst zu verteidigen. It's fun to fight, so it's funfighting (lacht).

Lass uns ein wenig über das neue Album plaudern. Das Ding läuft bei mir im Auto schon hoch und runter. Ich steh total auf die Scheibe.

Wow, cool. Das freut mich natürlich zu hören.

Dabei hab ich mich aber gefragt, ob es wohl schon sowas wie ne Tradition ist, den Titel des letzten Albums als Song auf das nächste zu packen?

(Beef grinst erst mal wie ein kleiner Junge in die Kamera) Yeah. Das war anfangs eigentlich nur ein kleiner Scherz, aber irgendwann haben wir entdeckt, dass das manche Leute echt beschäftigt und die sich richtig Gedanken darüber machen. Manche pisst das sogar richtig an (lacht). Das ist dann natürlich umso lustiger für uns und jetzt machen wir das halt immer mal wieder so.

Habt ihr denn auch jedes Mal schon einen Text für den Titel des letzten Albums, den ihr dann für den Song des nächsten Albums verwendet?

Das kommt hin und wieder vor, aber eigentlich eher nicht. Uns fällt dann schon irgendwas ein, wenn wir den Titel mit einem Text ausfüllen müssen. Das Lustige ist, wie haben sogar schon fertige Songs die "Bigger Than Jesus" oder "Partners In Crime" heißen. Bislang haben wir sie aber noch nicht entsprechend aufgenommen und veröffentlicht. Aber das kommt bestimmt irgendwann. Auf jeden Fall wollen wir mit der Tradition erst mal so weiter machen.

Das wär doch dann auch was für ne ganz besondere Best-Of-Scheibe. Nur Titeltracks.

Das wäre wirklich mal was (lacht). Das würde bestimmt viele Leute ganz schon anpissen. Klingt nach ner guten Idee für mich.

Das Schrägste, was ich mal über euch gehört habe, ist dass ihr anscheinend Songs von ABBA gern zerpflückt, neu zusammen bastelt und dann was eigenes draus macht.

Ähm, nicht wirklich, klingt aber nach einer gar nicht so schlechten Idee (lacht). Aber im Ernst, die Idee zu einem The Bones-Song kann durchaus von einem ABBA-Song ausgehen, warum auch nicht? Ich könnte sogar Inspiration von einem Wolfgang Fuckin' Petry bekommen, wenn es passt. Das kratzt mich dann gar nicht, so lange die Idee, welche daraus entsteht wirklich gut ist und der Song drum rum ebenfalls. Wir ziehen natürlich auch genügend Ideen und Inspirationen aus uns selbst, aber man stolpert auch immer wieder über einzelne Sache, das kann auch mal nur ein bestimmter Beat sein, bei denen man denkt: hey, I can fuck this up and make it my own (lacht). Klar hören wir ABBA. Ich hab sie 1972 sogar noch live gesehen, ich war damals vier! Das war absolut großartig und die Songs von ihnen sind es nach wie vor.

"Ich hab einfach keine Zeit für Burnouts, das ist langweilig."

Bei einem Titel wie "Burnout Boulevard" habe ich mich schon immer gefragt, ob ihr das auch in gewisser Weise auf euch münzt. Schließlich seid ihr ja wirklich eine Band, die bis auf die oben genannte Pause quasi ununterbrochen unterwegs war. Hat sich da ein gewisser Burnout bemerkbar gemacht?

(Überlegt lange) Nein, ich glaube nicht. Ich glaube, wir sind zu blöd für Burnout Syndrome (lacht). Dazu haben wir eigentlich immer zu viel Spaß. Wobei, als wir für sechs Wochen in den USA unterwegs waren, haben wir glaube 34 Shows in 37 Tagen und 26 Staaten gespielt. Das war schon hart und als wir zurück in Schweden waren, hatten wir wohl so etwas wie ein Burnout. Ich zumindest und das hat ganz schön lange gedauert – ich glaube fast zehn Stunden.

Aha, das hat dich bestimmt fertig gemacht.

Ja und wie (lacht). Ach was, wir leben für den Scheiß. Klar brauch ich so eine Knochentour nicht ständig, aber das ist nun mal Rock'n'Roll. Ich hab einfach keine Zeit für Burnouts oder so einen Kram. Das ist langweilig.

Das nenn ich doch mal ne gesunde Einstellung. Aber wie ist es denn umgekehrt, wenn ihr von einer Tour heim kommt und euch wieder an das normale Leben daheim gewöhnen müsst?

Gute Frage (lacht). Seit ich Kinder habe, ist der Unterschied nicht mehr ganz so groß. Egal, ob ich auf Tour bin oder nicht, zum Schlafen kommst du mit kleinen Kindern auch nicht. Der einzige Unterschied ist, dass ich auf Tour am saufen bin. Zuhause bin ich das nicht (lacht).

Also isses doch besser auf Tour?

Hmmmmmanchmal (lacht).

Wenn wir es vorhin schon mal von den Staaten hatten. Wie groß ist denn der Markt da für euch?

Ich habe nicht die geringste Ahnung, ehrlich gesagt. Ich kann eigentlich nur sagen, dass wir fast wöchentlich Angebote bekommen, dort wieder auf Tour zu gehen, also scheint schon ein Interesse an uns zu bestehen. Wir haben auch schon eine ganz ansehnliche Fanschar da drüben, aber heutzutage muss man so viele Sachen beachten, wenn man in den USA auf Tour gehen will, dass das echt schwierig ist. Die ganze Visa, die Logistik da drüben, die Kosten. Das ist alles nicht ohne. Damit sich das wirklich rentiert, muss eben wieder ein paar Wochen vor Ort sein und richtig Gas geben. Aber sechs Wochen am Stück werden wir das wohl nicht mehr machen, aber man muss sehen. Wenn sich eine anständige Möglichkeit bietet, sind wir aber auf jeden Fall wieder dabei.

Auf der DVD waren ja ein paar Szenen aus den USA. Waren die von besagter Tour?

Ja, genau.

Ich war bei den Aufnahmen im SO36 damals vor Ort und hab die Show live gesehen. Ich hab mich damals schon gefragt, ob ihr die Show eigentlich richtig genießen konntet, oder ob ihr euch doch eher auf ein sauberes Spiel und guten Gesang konzentriert habt.

Hm, wie vorhin schon gesagt, eigentlich sind wir zu blöd, um uns auf sowas groß zu konzentrieren (lacht). Ne ernsthaft, wir hatten sehr viel Spaß an der Show und ob da nun alles super sauber gespielt oder gesungen war, hat uns echt nicht gekratzt. Wir lieben Berlin und vor allem das SO36, das ist schon fast sowas wie ne zweite Heimat für uns. Konzentrieren mussten wie uns eigentlich nur, wenn der Sound auf der Bühne mal beschissen war oder sowas in der Art. Ich hab jede Sekunde der Show genossen, die Songs kennen wir ja schließlich in und auswendig.

Viele Bands filmen ja lieber mal zwei, drei Shows, um auf Nummer sicher zu gehen und das Beste heraus zu picken. War das nicht ganz schon viel Druck mit der einen Show?

Äh, wie gerade gesagt, wir sind zu blöd, um uns über sowas Gedanken zu machen. Wir MACHEN einfach (lacht). Klar, war da ein gewisser Druck, das lässt sich nicht vermeiden, aber – hey! Wir sind da, um den Fans eine Show zu bieten und wenn wir vor Ort sind, machen wir genau DAS. Was außerhalb der Türen des Clubs passiert, ist mir in der Zeit schnurzpiepegal. Das einzige was dann zählt, sind die Fans.

Die DVD wurde mit ROAX Films gedreht, die immer mal gern mit Deadlines in Verzug geraten sind. Wie waren da eure Erfahrungen?

Gut eigentlich, ich kann mich nicht beklagen. Wir sind da ohne große Erwartungen und Vorstellungen an die Sache rangegangen und haben die einfach machen lassen. Wenn dann nicht alles zu vorgeschriebenen Deadline fertig ist – shit happens. So was kratzt mich nicht sonderlich, schließlich kennen wir uns damit zu Genüge aus. Wenn sich mein kleiner Sohn von oben bis unten zuscheißt, dann komm ich auch schon mal zu spät zum Interview, so what? As I said, shit happens. Ich kann nichts Negatives über die Jungs erzählen.

Habt ihr das mitbekommen, dass euer altes Label People Like You mittlerweile in zwei Labels aufgesplittet ist, die sich gegenseitig nicht mehr riechen können? People Like You und I Hate People Records?

Ja, am Rande. Bevor da die Probleme richtig los gingen, sind wir ja quasi zur Mutterfirma Century Media Records gegangen. Wir haben drei Alben und jede Menge Kleinkram bei People Like You veröffentlicht und wollten eine neue Herausforderung und auch bessere Möglichkeiten und die boten uns Century Media. Dass wir jetzt doch wieder bei People Like You veröffentlichen, hat den einzigen Grund, dass das nun ein Sublabel von Century Media ist. Der ganze Ärger hinter den Kulissen ist weitgehend an uns vorbei gezogen, weil wir zu der Zeit irgendwo auf Tour waren.

Denkst du, dass es auch wieder die 'Bad Boys For Life'-Touren geben wird?

Hoffentlich! Aber ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Das hängt ganz von den anderen Bands ab, mit denen wir auf Tour gehen können. Das Großartige daran war ja immer, dass das Bands waren, mit denen wir uns auch privat immer gut verstanden haben. Wir würden das auf jeden Fall gern wieder machen und solange die Bands und die Clubs stimmen, sind wir auf jeden Fall dabei.

Und den Ski-King als Special Guest zwischen den Shows und mit jeder Band auf der Bühne!

Der dürfte natürlich auf keinen Fall fehlen!

"Wenn du auf's Klo gehst denkst du auch nicht drüber nach, was dabei rauskommt!"

Wenn ihr ans Songwriting geht, wie entscheidet sich dann, wer welche Nummer singt?

Puh, keine Ahnung. Das passiert irgendwie immer ganz natürlich. Wir haben da noch nie groß drüber diskutiert und das hat sich meist so ergeben. Wenn ich einen Song schreibe, ist es in aller Regel einfacher für mich, diesen auch zu singen. Für Boner gilt das umgekehrt wohl genauso. Manchmal experimentieren wir dann, dass er den Chorus singt und ich die Strophe, oder anders herum. Oder wenn wir ganz verrückt sind, lassen wir auch Spooky oder Andy mal ran (lacht). Letztendlich entwickelt sich das aber ganz natürlich, wessen Stimme wo am besten passt. Gestritten haben wir uns da noch nie. Wir arbeiten unsere Songs auch meist gemeinsam aus. Irgendwer hat immer ne Idee für ein Riff, eine Strophe oder einen Chorus und der Rest wird dann gemeinsam geschrieben. Wir sind nicht so ne Nazi-Band, wo einer sagt wo's langgeht und alle anderen machen mit. Wir kennen uns seit so vielen Jahren, da passt einfach alles zusammen und jeder weiß, wo seine Stärken sind. The Bones sind definitiv Teamwork.

Ihr habt ein paar recht schnelle Nummern auf der neuen Scheibe, die ich auf der letzten etwas vermisst habe. Haben da auch andere Fans entsprechendes angemerkt oder macht ihr einfach immer nur das, was euch grad in den Sinn kommt.

Definitiv Letzteres. Ich plane kein Songwriting. Das ist für mich so wie auf's Klo gehen, da denkst du auch nicht drüber nach, was am Ende dabei heraus kommt (lacht). Manchmal ist es besser, nicht zu sehr über etwas Bestimmtes nachzudenken. Man macht einfach und lässt der Natur ihren Lauf.

Unglaublich philosophisch, wie wir hier gerade werden. Hast du auf dem Thron denn auch schon mal einen Song geschrieben?

Oh ja, und nicht nur einen. Ich hab da zwar keine Gitarre nebendran stehen, auf der ich dann anfange herum zu klimpern, aber wenn ich eine Idee habe, summe ich die auch schon mal auf dem Lokus in mein Handy. Mehr Details gibt's nicht (lacht).

Keine Angst, da werd ich nicht tiefer bohren. Was mich allerdings interessieren würde, ist wie ihr auf Frauennamen wie "Cemetary Sue" kommt? Das klingt absolute großartig. Ich suche selber noch nach einem klangvollen Frauennamen für einen Song, komme aber nicht wirklich weiter damit.

Da kann es zum einen helfen, absolut trashige Horrorfilme anzuschauen. Zum anderen aber auch, einfach alte Buddy Holly oder Eddie Chochran-Songs anzuhören. Aber manchmal ist es auch einfach die Schlagzeile auf einem Magazin oder sonst irgendwas. Wie genau es zu Cemetary Sue kam, kann ich dir gar nicht sagen. Der Name war auf einmal da. Und dann spielt man ein bisschen damit herum, verändert hier und da was und schon hat man einen coolen Titel. Nimm zum Beispiel Marilyn Monroe. Sie sang: "I wanna be loved by you". Ich mach daraus: "I wanna be drugged be you". Klingt doch schon deutlich kaputter. Man muss da einfach ein bisschen mit spielen.

Dann hab ich noch eine Frage, für die du quasi prädestiniert bist: Wie lang darf der perfekte Punkrock-Song maximal sein?

Du meinst, ehe die Leute sich langweilen? Boah, das könnte alles zwischen 30 Sekunden und drei Minuten sein. Unsere Songs sind immer so zwischendrin und dann wird uns meist selber langweilig. Deswegen muss dann ein anderer Song her. Von daher denke ich, wir haben ne gute Mitte gefunden.

Damit kommen wir zu wirklich letzten Frage: Hättest du ein Buch oder einen Film, den du gern unseren Lesern empfehlen möchtest?

Oh Mann, ich lese in der Regel zwei Bücher pro Woche, von daher ist das ne ganz schön schwere Frage. Wenn du mich nach nem Film fragst, dann würd ich sagen "Jailhouse Rock" von Elvis. Ich lese meist Biografien und hab momentan "Poisoned Heart: I Married Dee Dee Ramone" von Vera Ramone King, seiner Frau vorliegen. Ich hab mich neulich erst mit ihr darüber unterhalten, da ich sie persönlich kenne und den Kontakt zu ihr halte. Das ist wirklich empfehlenswert und eine der besseren Biografien über die Ramones. Keine Ahnung, ob ihre Version der Wahrheit entspricht und das kratzt mich auch nicht. Es ist jedenfalls sehr interessant aus ihrer Sicht die Dinge zu sehen. Ich freu mich auch schon auf das Buch von Marky Ramone, das nächstes Jahr erscheinen soll.

Mittlerweile ist ja auch eine CD mit unveröffentlichten Songs von Joey Ramone rausgekommen.

Ja, die hab ich noch nicht, werde sie mir aber auf jeden Fall holen. Die Ramones und alles was mit ihnen zu tun hat, faszinierten mich schon als Kind, und daran hat sich seitdem nichts geändert.

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