laut.de-Kritik

Einblick in die Seele eines sensiblen, einsamen Sängers.

Review von

Jonny Pierce hat es wahrlich nicht leicht: Von Beginn an leidet seine Band The Drums unter kontinuierlichem Mitgliederschwund, bis nur noch er und sein langjähriger Kumpane aus Kindertagen Jacob Graham für "Encyclopedia" übrig bleiben. Und sogar dieser verlässt ihn 2016, um sich eigenen Projekten zu widmen. Zu allem Überfluss zerbricht noch Jonnys Ehe mit dem niederländischen Filmemacher Jasper Rischen-Pierce. Nun steht der Frontmann allein auf weiter Flur.

The Drums? Ein Soloprojekt: Pierce schreibt alle Songs selbst und spielt die Instrumente ein. Im Vorfeld versprach er, "Abysmal Thoughts" werde ein sehr persönliches Album, fast schon wie eine Reise durch seine Biographie. Tatsächlich gewährt er ungemein intime Einblicke in sein Seelenleben, geprägt von Liebesleid, Sehnsüchten und generellem Nicht-Verstanden-Fühlen.

Pierce leidet, hofft, liebt und verpackt dies in einen melancholisch-verträumten Surf Pop-Äther, der viel Emotionalität beherbergt. Bereits der Opener "Mirror" erzählt von Liebeskummer und Selbstfindung, entstanden aus der völligen Selbstaufgabe zugunsten seines Partners. Frühere Bloc Party-Anleihen im Refrain gepaart mit schwelgerischem Ausklang machen einen liebenswürdigen und nachdenklichen Einstieg.

Seine musikalischen Wurzeln kappt Pierce dabei nicht, sondern er zelebriert sie mit wiedergefundener Leichtigkeit. Die Single "Blood Under My Belt" ist DER The Drums-Sound aus 2010 und herzt "Let's Go Surfing" nochmal innig. Jonnys verspielte Stimme passt hier perfekt zu den leicht frivolen Lyrics. Das anschließende "Heart Basel" verzückt mit liebreizender Melodie - passend zum Flirt bei einer Kunstausstellung.

Das Gefühl der Isolation kommt beim grandiosen "Your Tenderness" am besten zur Geltung: offensive New Wave/Drone-Sounds und ein schneller Beat bringen den Hörer in Bewegung. Pierce hingegen veranschaulicht, dass ihn nur die Liebe des lyrischen Du aus den Untiefen retten kann: "This world is a cold one / I never understand / And I feel like I can hide in / All my life / Sometimes I wish the sea would open up / And take me / But then I think of you / And how you're strong and you're delicate / And that makes it alright". Ein Saxophon vollendet dieses feine Arrangement.

Das zweite, eher untypische Instrument ertönt im düsteren "Are U Fucked": eine abgedämpfte Trompete. Tiefe Gitarren und ein schleppender Beat eröffnen beinahe mystisch, und Pierce schlägt erneut mit doppelzüngigen Metaphern zu. Ein Liebesakt kann ganz schön seltsam sein!

Doch nicht nur Liebeschaos bringt der sensible Sänger zu Papier, sondern auch das problematische Verhältnis zu seinem Vater. Im langsamen "Head Of The Horse" thematisiert er sein Coming Out in der Familie und prangert die Doppelmoral an: "Your sister got married fourteen times / but if you fall in love, son, that's a crime". Fast schon zu Tränen rührend wiederholt er mit brüchiger Stimme "He hugged me when I came home" wie ein Mantra, um zum unausweichlichen Ende zu kommen: "Well I fell in love and told them I was happy / My dad hugged me and said this would be the last hug". Der Umstand, dass sein Vater ein überreligiöser Pastor ist, veranschaulicht die ganze Tragik.

Indes bildet die feingeistige Ballade "If All We Share (Means Nothing)" den melancholischen Höhepunkt. Mit einer auf das Minimum reduzierten Produktion, die leicht den Bossa Nova berührt, sinniert Pierce über seine zerbrochene Ehe und stellt die Frage: Wie kann ich mich von etwas verabschieden, das ich so sehr liebe? Und gibt sich in einem Atemzug selbst die Schuld an der Misere.

Jonathan Pierce zeigt sich auf "Abysmal Thoughts" von seiner persönlichsten Seite - anders wäre das wohl auch nicht gegangen, angesichts dessen, was er alles zu verarbeiten hat. Er gleitet dabei nie in den Kitsch ab, sondern lässt sein gebrochen schwermütiges Herz durch die kalifornische Sonne gleiten. Nur das abscheuliche Cover hätte wirklich nicht sein müssen.

Trackliste

  1. 1. Mirror
  2. 2. I'll Fight For You
  3. 3. Blood Under My Belt
  4. 4. Heart Basel
  5. 5. Shoot Down The Sun
  6. 6. Head Of The Horse
  7. 7. Under The Ice
  8. 8. Are U Fucked
  9. 9. Your Tenderness
  10. 10. Rich Kids
  11. 11. If All We Share (Means Nothing)
  12. 12. Abysmal Thoughts

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