laut.de-Kritik
Conor Obersts folkige Entdeckung begeistert.
Review von Giuliano BenassiEigentlich könnte man meinen, dass mit Akustikgitarren, Stimmen, Harmonika und den gewohnten Akkordreihenfolgen mittlerweile alles gesagt ist. Klar, das Feld umfasst nicht nur Bob Dylan, Neil Young und Joni Mitchell. Die drei haben es aber so stark geprägt, dass Vergleiche unvermeidlich sind. Doch dann ertönen die Felice Brothers aus den Lautsprechern - und alles ist anders.
Drei Brüder aus dem ländlichen New York an verschiedenen akustischen Instrumenten, ein irgendwo aufgegabelter Zocker am Bass, jede Menge Alkohol und ebenso viel Spielfreude - so lassen sich die Komponenten stichwortartig zusammenfassen. Der Schritt von einer U-Bahn-Station in Manhattan zur Vorband von Bright Eyes und zu Conor Obersts Label Team Love war kurz, doch der Combo ist die Feuchtigkeit hinter den Ohren nicht anzumerken. Fast schon routiniert spielt sie sich durch die fünfzehn Stücke des Albums.
Bestechend ist die Frechheit und Leichtigkeit, mit der die Brothers verschiedene Stile vermischen und mühelos Zitate einbauen. Dabei machen sie einen spontanen Eindruck. Der Sound, leicht breiig und immer ein bisschen schepp, passt gut zur Stimmung, die sich zwischen Saloon und Honkytonk bewegt.
Allein "Whiskey In My Whiskey" ist den Erwerb der CD wert. "I put some whiskey into my whiskey / I put some heartache into my heart / I put my boots on the old dance floor / I put three rounds, Lord, in my Eleonore", singt James Felice mit gebrochener, gleichzeitig amüsierter Stimme, begleitet von einem Ensemble an Klängen, die zu später Stunde entstanden sein dürften. Wäre der Gesang noch ein bisschen rauer, hätte Tom Waits seine helle Freude gehabt.
Das Album ist von Beginn an facettenreich. Der Opener "Little Ann" beginnt behutsam, mit einer gezupften Akustikgitarre, einer Orgel und einer ruhigen, tiefen Stimme. Im weiteren Verlauf kommt eine Mundharmonika hinzu. Neil Young trifft auf Will Oldham. Dann überrascht "Greatest Show On Earth" mit einem Ragtime-Piano und immer neuen Instrumenten, die aus dem Stück schließlich die würdige Begleitung zu einer Beerdigung in New Orleans machen. Im Studio scheint es ziemlich lustig zugegangen zu sein, denn nicht nur hier tritt ein bunt gemischter Chor auf.
"Frankies Gun!" besticht durch sein Ziehharmonika-Intro, das zum Mitschunkeln animiert, gefolgt von einer Begleitung, die den Takt gerade noch hält. Der Text handelt auch hier von einer Schießerei. Waffen spielen überhaupt eine große Rolle auf dem Album, wirken aber nicht bedrohlich, sondern wecken Erinnerungen an die Murder Ballads, die in der US-amerikanischen Folklore eine zentrale Stellung einnehmen.
Gerade darin liegt der große Verdienst der Felice Brothers: Sie wecken Neugierde am beeindruckenden Corpus an traditionellen Stücken, die bis in die zweite Hälft der 20. Jahrhunderts entstanden. Die Musik also, die Johnny Cash inspirierte, obwohl die religiösen Elemente hier fehlen. Die Themen behandeln sie originell und mit der einen Prise Humor, die nie schadet.
Fünfzehn Tracks sind vielleicht drei oder vier zuviel. Das Album hätte nicht gelitten, wenn "Goddamn You, Jim!", "Wonderful Life" und "Don't Wake The Scarecrow" nicht dabei gewesen wären. Dennoch ist es ein Werk, das sich im Gedächtnis fest setzt und Lust auf viel mehr macht. Danke, Conor Oberst, dass du uns die Gebrüder Felice gebracht hast!
5 Kommentare
Tolle Scheibe, Ich bin doch nie und nimmer der einzige dem das hier auffällt. Bob Dylan mit dem Humor von Tom Waits würde das richtig Spass machen.
Einfach nur göttlich...beste platte seit langem. Natürliche, bißchen "abgefuckte" Musik die bewegt und sofort die Whiskey Flasche aus dem Schrank holen lässt.
Jetzt wenigstens schon 2. Ist weiterhin einer der besten Platten dieses Jahres für mich.
Reinhören!
Normalerweise steh ich ja nich auf dieses Countrygeschrammel aber die Platte bringt mich dann doch zum schmunzeln.
Positiv gesehen.
nachdem ich erst mit "yonder is the clock" bei den brothers eingestiegen bin, erfüllt mich nach wie vor totale zerrissenheit, welches album nun das bessere ist.
beide sind aber sicherlich absolut empfehlenswert, wenn man mal hören möchte, wie sich bob auch hätte entwickeln können.
seit meinem ersten hören von belle & sebastian hatte ich keine band mehr derartig lange auf dauerrotation.