laut.de-Kritik
Schockgefrostete schwarze Rosen.
Review von Sven KabelitzPostpunk, Shoegazing, Synthie-Pop, Darkwave, Electronica, Krautrock! Joy Division, The Cure, The Jesus And Mary Chain, House Of Love, A Place To Bury Strangers! Schnappatmung! Jetzt! Die Hälfte der Redaktion dreht durch und fragt sich, ob The KVBs "Of Desire" nicht ein schickes Album der Woche abgeben würde. Die andere Hälfte hört lieber Degenhardts "Terror 22".
Cool bleiben. Blutdruck herunterfahren. Nichts anmerken lassen. Wir sind die Checker! Natürlich haben wir das alles schon immer gewusst. Wir waren quasi dabei, als Nicholas Wood 2010 noch im Alleingang und unter dem Pseudonym Klaus von Barrel in seinem Southamptoner Schlafzimmer seine ersten Tapes zusammenfrickelte.
Es war sicher unsere Aura, die später die Keyboarderin Kat Day zur Band brachte und die beiden nun letztendlich beim Indielabel Invada Records vom Portishead-Mastermind Geoff Barrows unterbrachte. Nur bei ihrer neuen Heimat haben wir komplett versagt: Obwohl wir alle händchenhaltend im Kreis standen und ganz fest an Konstanz gedacht haben, sind die beiden nach Berlin gezogen.
Da wir die Band von Anbeginn begleiten, fällt uns natürlich sofort jede neue Nuance auf. Im Umfeld von Barrows und Sonic Boom (Ex-Spacemen 3), der für "Of Desire" das Mastering übernahm, zeigen sich The KVB im Gegensatz zu einigen abweisenden Frühwerken und dem noch deutlich mehr von destruktiver Elektronik geprägten Vorgänger "Mirror Beeing" nahezu zugänglich.
Wie auf den Vorgängern steht die Atmosphäre im Vordergrund, nicht der Song. Trotzdem gelingt The KVB mit "White Walls" ein fulminanter Einstieg, eine majestätische Hymne voller schimmernder Achtziger-Ästhetik. Stotternde Beats, Kat Days strahlende Synth-Akkorde und Woods entrückter Gesang zeugen einen kleinen Bruder zu Joy Divisions "Atmosphere".
Der düstere Bass, die nörgelnde Gitarre und der tackernde Rhythmus in "Nights Games" zeigen die Postpunk-Wurzel noch deutlicher, ziehen mehr in die Melancholie. Dies gipfelt in einem Gitarrensolo, das von einem jungen Robert Smith stammen könnte. Mit dem scharfkantigen "Lower Depths" kommen wir bereits in der kompletten Dunkelheit an. Schluss mit lustig. Schluss mit "strahlenden Synth-Akkorden". Es bleibt eine wabernde Fläche, eine niederträchtige Bedrohung. Der elektronische Puls in "Silent Wave" überrumpelt, lässt uns dank der verzerrten Gitarre und des entstellten Gesangs zerkratzt zurück.
Das Verschmelzen der einzelnen Genres findet in "In Deep" seine vorübergehende Perfektion. Hier kommen der Postpunk-Background, Woods Gesang, der sich näher am Shoegazing als an einem Ian Curtis orientiert, der dominante Beat und Days den Tag erhellende Synth-Streicher zu einem kleinen Single-Hit zusammen. Das abschließende Zuckerstückchen "Second Encounter" klingt, als haben Kraftwerk und The Cure sich zusammengetan, um ein Cover von Airs "Sexy Boy" aufzunehmen.
Mit "Of Desire" greifen The KVB erstmals aus der Dunkelheit in Richtung Licht. Ihre Mixtur der Genres, die ihre Inspiration zwar aus der Vergangenheit bezieht, sich aber nicht faul im Staub von Gestern wälzt, klingt nun ausgereift und definiert. Noch immer umgibt Wood und Day eine Eiseskälte, diesmal werfen sie aber romantisch mit schockgefrosteten schwarzen Rosen um sich.
5 Kommentare mit 2 Antworten
Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.
Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.
Da kann ich die mbv Platten erstmal für ne Weile einstauben
Als ob mit der erste Absatz der Rezi nicht schon neugierig gemacht hätte. :3
*mich
Endlich wurde auch "Never Enough" veröffentlicht, vorher geisterte ja nur die Demo auf Youtube und co. herum...
Ein Album mit ordentlicher Portion Epik!
5/5
>Schockgefrostete< schwarze Rosen, nicht schlecht, aber warum Berlin, was geht dort was in UK nicht geht? Soll es als Duo weitergehen oder wollen die beiden noch Bass und Drums besetzen und aus den Clubs in die Hallen? Ich wünsche the KVB zwar Erfolg, aber auch nicht zuviel, denn dann kommen, wie wir wissen die Geier.