laut.de-Biographie
The Nomad
Warum in die Ferne schweifen? Nun, das Gute liegt zwar häufig nah, manchmal jedoch haben die entferntesten Winkel der Erde auch etliches zu bieten. The Nomad, mit bürgerlichem Namen Daimon Schwalger, zählt in seiner Heimat Neuseeland zu den einflussreichsten Figuren in der elektronischen Musikszene. Nach ganzen fünf Alben und einer EP erreicht 2005 mit "Concentrated" eine Zusammenstellung ausgewählter Tracks endlich auch den europäischen Markt.
Daimon Schwalger betrachtet sich nicht als Kind einer bestimmten Stadt; er fühlt sich ganz allgemein als Neuseeländer. Sein Alias The Nomad, zugleich eine Umkehrung seines Vornamens, erlaubt berechtigte Rückschlüsse auf einen ruhelosen Lebenswandel. Geboren in Dunedin auf der neuseeländischen Südinsel, führt ihn sein Weg zunächst ins nördliche Hamilton, wo er seine Teenagerzeit zubringt. Afrika Bambaataas "Planet Rock" beeindruckt den Zwölfjährigen schwer. Die Rocksteady Crew weckt Interesse an Breakdance: ein fruchtbarer Nährboden für eine Hip Hop-Karriere. Zunächst geht es allerdings zurück nach Dunedin, wo zusätzlich Eric B. & Rakim, Kraftwerk und Mantronix ihre Spuren hinterlassen. Daimon legt sich zu seinen Plattenspielern einen Drumcomputer zu und produziert auf ausgesprochen altmodische Weise - er scratcht über zuvor auf Tape gebannte Loops - seine ersten Tracks. 1988 startet er seine DJ-Karriere: Zeitweise sechs Nächte die Woche legt Daimon in einem mehr als zwielichtigen Club Hip Hop, Oldschool Electro und ein wenig House auf.
Erneuter Ortswechsel: Daimon verlegt 1992 seinen Lebensmittelpunkt nach Christchurch. Die "Garden City" erfreut sich einer ausgesprochen blühenden alternativen Musikszene; von hier stammen Acts wie Salmonella Dub, die Feelers, Dark Tower und Bic Runga, die einer wie der andere die neuseeländischen Charts stürmen. Wie kommt's? Daimon vermutet verschiedene Gründe hinter dem produktiven Klima der Stadt: Die vergleichsweise zentrale Lage erlaubt Abstecher ins ganze Land; der Süden ist von Christchurch aus ebenso in erträglicher Zeit zu erreichen wie Auckland; in die Hauptstadt Wellington hat man es ohnehin nicht sehr weit. Des weiteren, so Daimon, seien die Menschen auf der Südinsel schlicht entspannter als die Landsleute aus dem Norden. Wesentlich geringere Lebenshaltungskosten erlauben eine stärkere Konzentration auf die "wirklich wichtigen Dinge" - wie Musik. Daimon gewinnt einen DJ-Wettbewerb.
1996 gründet er gemeinsam mit Pearl Runga und Ryan Smith seine eigene Band: Locust spielen Ambient-Drum'n'Bass. Daimon produziert in diesem Zusammenhang ein Stück, das auf der Compilation "On The Beating Track" veröffentlicht wird. Locust bringen es zu einigem Radio-Airplay und touren neuseeland-weit mit David Harrow und Salmonella Dub. Der Spaß ist allerdings nicht von langer Dauer; bereits 1997 trennt sich die Formation wieder, und Daimon hebt in eine Solokarriere ab.
Während Daimon als DJ unter seinem "richtigen" Namen die Musik anderer Leute spielt, legt er sich, um seine Eigenkreationen darzubieten, das Alter Ego The Nomad zu. Dub, Hip Hop und Drum'n'Bass prägen sein Schaffen. The Nomad verzichtet weitgehend auf Sampling; anstatt sich aus Platten passende Versatzstücke zusammen zu suchen, lässt er sich von einem ganzen Stall voller Session-Musiker die für seine Produktionen nötigen Passagen lieber direkt einspielen.
1998 erscheint mit "Movement" das Debüt-Album. Die Jungle-lastige Produktion (bei der Salmonella Dubs Tiki unterstützend seine Finger im Spiel hat) stellt Neuseelands erste Drum'n'Bass-Veröffentlichung überhaupt dar und katapultiert The Nomad in eine Vorreiterrolle. Die 600 Kopien von "Movement", das Daimon bei sich zu Hause aufnimmt, abmischt und weitgehend in Eigenregie vertreibt, sind nach etwas mehr als einem halben Jahr vollkommen vergriffen. Den ursprünglichen Plan, "Movement" um einige neue Tracks erweitert wieder aufzulegen, verwirft Daimon und macht sich statt dessen umgehend an die Produktion des Nachfolge-Albums. Gleich drei Plattenfirmen stehen bereits Schlange.
"Second Selection" erscheint ein Jahr später bei Festival Records. The Nomad nimmt weitgehend im eigenen Studio auf; Kosten für Studiozeit stellen daher keinen einengenden Faktor dar. Drum'n'Bass tritt zu Gunsten von Downbeat, Dub und Trip Hop in den Hintergrund; auch als DJ folgt Daimon einen Trend weg vom harten Jungle hin zu dub-basierten Fusion-Styles. "Second Selection" verzeichnet in Neuseeland immensen Erfolg; im Jahr 2000 wird es als beste Veröffentlichung aus dem Bereich Dub / Hip Hop / Reggae ausgezeichnet. Featureparts stammen unter anderem von Lotus, Charmed 1, MC Antsman und Farda P von Rockers Hi Fi. Letztgenannte Kollaboration entsteht ursprünglich aus einem Scherz: The Nomad tourt (neben diversen nationalen Acts) als Support von Rockers Hi Fi, den Track "141" bereits nahezu fertig in der Tasche - es fehlen lediglich die Vocals. Das Gewitzel, Farda könne sich ja mal dran versuchen, endet im Studio; eine einstündige Freestyle-Session später ist die Nummer im Kasten.
Kaum, dass "Second Selection" auf dem Markt ist, befindet sich The Nomad bereits auf Tour durch Neuseeland und Australien, produziert ein Video zu "Where Are You" (mit Lotus am Mikrofon) und beginnt mit der Arbeit an seinem dritten Album. Erstaunlich eigentlich, dass noch Zeit für einen weiteren Umzug (diesmal nach Wellington) und die Veröffentlichung der EP "Concentrated" (2000, ebenfalls bei Festival Records) bleibt. 2001 folgt "Level Three", bei The Nomads frisch gegründetem hauseigenen Label "Fresh Produce". Den größten Teil des Jahres 2002 verwendet er darauf, sein Studio auszubauen und technisch aufzurüsten; daneben stehen eine weitere Neuseelandtour und die Veröffentlichung von Album Nummer Vier ("Step 4th") an.
2004 zieht es The Nomad nach einer erfolgreichen Australien-Tournee zu ferneren Ufern: Im November absolviert er zahlreiche Auftritte in Europa; etliche Club-Gigs in London beenden diese Tour. Im Gepäck führt er eine Demoversion seines fünften Longplayers mit sich. Beeinflusst von den in Europa gewonnenen Eindrücken mischt er die Aufnahmen nach seiner Rückkehr nach Hause innerhalb von zwei Wochen noch einmal komplett neu ab. Das Resultat "Quinnessence" erscheint 2005. Dub und Downbeat geben den Ton an, aber auch Jazz, Two Step, Hip Hop und Reggae werden eingewoben. The Nomad kombiniert live eingespielte Instrumental- und Vocal-Parts mit Electronica. In Mai und Juni stellt The Nomad "Quinnessence" auf einer weiteren Tour in seiner neuseeländischen Heimat vor; im August 2005 kommt das australische Publikum in den Genuss.
Doch wo bleibt Europa? Sugarlicks Recordings nimmt sich dieser Problematik an und veröffentlicht im Oktober 2005 mit "Concentrated" eine Art Best-Of-Compilation mit ausgewählten Tracks aus den bisherigen fünf Alben. Bei den Aufnahmen in den brandneuen Fresh Pruduce Sea View Studios in Houghton Bay, Wellington, sind Top-Musiker der neuseeländischen Musik-Szene beteiligt, darunter Tehi Mana von Fat Freddy's Drop, Rio aus den Reihen der Trinity Roots und Salmonella Dubs Mark Tyler. "Concentrated" erscheint als erstes Nomad-Album weltweit; zugehörige Konzerttermine außerhalb Neuseelands folgen Ende des Jahres.
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