laut.de-Kritik
Sperrig, düster, apokalyptisch und alles andere als massentauglich.
Review von Stefan FriedrichVor vier Jahren hatte Thomas D noch Rückenwind und dieser trieb ihn ganz nach oben in den Charts. Bei "Lektionen in Demut" dürfte der Wind indes von vorne kommen, denn 2001 präsentiert sich Thomas D sperrig, düster, apokalyptisch und alles andere als massentauglich. Schon allein dafür gebührt dem Stuttgarter eine Menge Respekt.
"Lektionen in Demut" braucht einige Durchläufe, um halbwegs ins Ohr zu gehen. Der Durchschnitts - "Mein MC ist krasser als deiner!" - Hip Hop-Fan kann gleich zu Hause bleiben, denn Thomas D entfernt sich hier weiter als je zuvor von seinen Wurzeln. Außerdem sind die Texte tiefsinniger als alles, was bislang aus der Feder eines deutschen MCs kam. Soziale Kälte, Werteverlust, Endzeitstimmung - Thomas D 2001 erinnert an "Blade Runner" - Dunkelheit, ständiger Regen, Depression... Das mag zu dieser Jahreszeit nicht jedem passen, wer andererseits im Moment nicht den Nerv für die von den Medien verordnete permanente Partylaune hat, dem könnte "Lektionen in Demut" ans Herz wachsen. Vor allem die erste Single "Uns trennt das Leben" trifft es mal wieder ziemlich genau auf den Punkt, textlich wie auch musikalisch.
Gerade musikalisch bietet die Platte aber auch ihren einzigen Angriffspunkt. Wirkte das Debut "Solo" eben gerade wegen seiner vielen Beteiligten so lebendig, so klingt "Lektionen in Demut" über weite Strecken nicht abwechslungsreich genug, um über die gesamte Dauer zu fesseln. Viele Kompositionen ähneln einander zu sehr, um Akzente setzen zu können, trotz der guten Texte. Hat man das Album wirklich oft gehört, gibt sich dieser Eindruck zwar etwas, trotzdem hätte Thomas D das komplette Album vielleicht nicht nur von And.Ypsilon und Ralf Goldkind produzieren lassen sollen.
Wer sich von "Lektionen in Demut" eine Wiederholung des Debuts von 1997 erwartet hat, der wird herb enttäuscht. Wer Thomas D jedoch ohne Scheuklappen in die Abgründe seiner Welt folgt, der wird für sein Durchhaltevermögen belohnt.
4 Kommentare
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Extrem gute Scheibe.
Tja, da sieht man mal wieder, dass nur tote Fische mit dem Strom schwimmen. Die meisten Leser empfinden dieses Album als extrem schlecht. Warum? Thomas D kratzt hier nicht nur an der Oberfläche, er hält den Menschen den Spiegel vor und spricht aus, was keiner hören will. Er bringt es auf den Punkt. Statt anfangen, nachzudenken, wird die Scheibe in die Ecke geschmissen und die Scheinwelt aufrechtgehalten. Das ist die Gesellschaft, in der wir leben.
Ich danke Thomas D für dieses grandiose Album, welches sicher eines der besten und vor allem eines der ehrlichsten ist. Die Wahrheit ist natürlich unbequem.
Und ich danke der laut.de Redaktion, dass auf sie verlass ist und sie diese Genialität zu schätzen weiß.
Ich danke auch allen anderen, die sich für dieses Album, besonders für die Texte, begeistern und ihre rosarote Brille in die Tonne treten.
Alle anderen: wacht bitte auf, bevor es zu spät ist!
Schließ mich an. Ich find das Album ziemlich nachdenklich, ehrlich, poetisch und intelligent. Deutsche Texte, die durchdacht sind und etwas zu sagen haben, ohne Klischees oder Wünsche zu bedienen, sondern einzig und allein Missstände unverschönt aufgreifen. Das find ich auch gut.
Die Texte sind grandios, und etwas derartig tiefsinniges gab es im deutschen Hip-Hop (oder überhaupt) noch nicht. Thomas D zeigt dem Hörer den Spiegel und lässt in tief in die eigene Seele blicken. Von den Texten her daher top.
Allerdingsn (wie schon im Artikel erwähnt) ist der größte Angriffspunkt der Platte die Musik. Die ist eindeutig zu eintönig um das ganze Album am Stück zu hören und ähnelt sich streckenweise zu deutlich.
Eine Menge Pros, ein paar Contras und ein Album, über das jeder selbst entscheiden sollte, die Texte sind es aber in jedem Fall wert, sich die Platte zuzulegen.