laut.de-Kritik
Die Pop-Welt liegt ihm trotz Lady Gaga kaum zu Füßen.
Review von Alexander EngelenGibt es jemanden, der diesen Wale Folarin eigentlich nicht mag? Gründe dafür gäbe es objektiv betrachtet jedenfalls keine. Seine Liveshows begeistern Szene- wie Mainstream-Publikum, seine Kollaborationen und Remixes (mit Weezy, Ting Tings, M.I.A., Justice, Duffy, The Roots) haben ähnliche Breitenwirkung. Und dann sind da noch seine Mixtapes - genial Durchdachtes, ja Großtaten, die in der endlosen Schwemme digitaler Downloads meilenweit herausstechen.
Wale hat Potential noch und nöcher. Die Resonanz auf sein Debüt "Attention Deficit" wird die Entscheidungen bringen, ob dem Rapper aus der US-Hauptstadt Washington D.C. die Tür zum oberen Ende der musikindustriellen Nahrungskette offen steht. Dahin gibt es für den 25-Jährigen zwei Wege: Einerseits könnten ihn überwältigende Verkaufszahlen auf ein neues Level hieven. Andererseits könnte ein Werk von außergewöhnlicher Qualität das szeneinterne Ansehen ankurbeln. Respekt bleibt im Rap nach wie vor eine Leitwährung.
Die Wahrheit: Wale hat vor dieser Weggabelung - Pop-Appeal contra künstlerischer Anspruch - die Nerven verloren und versucht sich seitdem querfeldein durchs Dickicht zu schlagen. Für ein künstlerisches Statement, das die griesgrämigen Meinungsmacher im Sturm nehmen könnte, ist die Platte zu mainstreamig. Für einen kommerziellen Supererfolg ist sie nicht mainstreamig genug. Die Machete als Entscheidungsalternative - ob das den Rapper ans ersehnte Ziel bringt?
Den Hans Dampf in allen Gassen hat eben selten jemand ohne Kollateralschaden mimen können. Allen kann man es eben nicht Recht machen. Beim Versuch dessen, schrumpft die richtig begeisterte Gefolgschaft zwangsläufig. Eine breite Mittelschicht, die künstlerisch Wertvolles ausgiebig konsumiert, scheint es musikalisch kaum zu geben. "Dumb It Down" wird nicht umsonst so inflationär gebraucht. So auch bei Wale Folarin.
Dabei ist der Versuch, das Angebot möglichst breit zu streuen, in Wales Karriere nicht neu. Den angestrebten Griff in alle Richtungen treibt Wale jedoch auf "Attention Deficit" noch weiter voran: Aus der ehemaligen Verbindung zwischen hip und Hip Hop etwa durch den Justice-Remix "W.A.L.E.D.A.N.C.E." werden zwei Kollaborationen mit TV On The Radio-Gitarrist Dave Sitek ("Triumph" und "TV On The Radio"). Die Mainstream-Nähe, der Wale bis dato an der Seite von Mark Ronson frönte, führt das Lady Gaga-Feature in der Hook von "Chillin'" auf eine ganz neue Stufe.
Für einen poppigen Jazmine Sullivan-Refrain auf Cool & Dre-Beat ("World Tour") gibt es ein Bun B-Feature ("Mirror"), der leicht oberflächlichen Kritik an der TMZ.com-Generation auf "90210" steht die selbstbiografische Hautfarbenauseinandersetzung mit Def Jam-Seele Chrisette Michele auf "Shades" entgegen. Wale ist ein Allrounder. Er kann alles gut, aber eben nichts herausragend.
"Mama Told Me" hätte Kanye West auf Orchesterpomp einen Tick besser machen können. "Pretty Girls", ein so gutes wie einfaches Pop-Stück mit dem Mane (!) der Stunde Gucci wäre mit Lil Wayne einen Deut unterhaltsamer. Und "Let It Loose", das typische Neptunes-Stück (infizierendes Nerv-Instrumental, Pharrell in der Falsett-Hook), könnte Genre-Präsident Carter ein bisschen mehr den Rap-Stempel aufdrücken. Dass Wale alle drei Stücke gleichermaßen interessant interpretiert, ist ohne Zweifel ein Zeichen für sein außergewöhnliches Potential. Aber eben auch nicht mehr als das.
Wale scheint sich in den Erwartungshaltungen aus den unterschiedlichen Richtungen verrannt zu haben. Die Pop-Welt wird ihm trotz Lady Gaga kaum zu Füßen liegen, die anspruchsvollen Hip Hop-Fans vermissen solch großartige Songs wie "The Kramer" oder "The Artistic Integrity", die Wale auf seinen Free Download-Mixtapes (!) präsentierte.
Auf dem von Percussions, Flöten und Glockenspiel durchzogenen "Prescriptions" offenbart sich schließlich, dass sich Wale seiner Lage scheinbar bewusst ist. Die letzten Worte auf "Attention Deficit" klingen trotzig beschwörend, fast ein wenig sauer: "I am Hip Hop. Past, present and future." Hoffentlich hat sich hier niemand selbst ein Ei gelegt.
14 Kommentare
"Mirror" ist ein Übersong! Lang nicht mehr sowas Gutes gehört im 2009er Hip-Hop-Universum.
'mirrors' ist wirklich sehr gut. bun b bringt sowieso und besonders dieses jahr alles zum scheinen, egal wo er auftaucht.
mit etwas wohlwollen wären auch 4 punkte drin gewesen, finde ich. wale macht den spagat eigentlich recht gut.
bin aber auch kein langjähriger fan von ihm, vermutlich hagelt es da erstmal enttäuschte erwartungen.
@Frusciantey (« "Mirror" ist ein Übersong! Lang nicht mehr sowas Gutes gehört im 2009er Hip-Hop-Universum. »):
dann haste ja anscheined nicht viel mitbekommen...
auf jeden fall war 2009 bestimmt kein "schlechtes, uninteressantes" jahr für hiphop und dieser wale-fuzzi leider nur ne kleine leuchte in der flut von wirklich guten veröffentlichungen.
Vielleicht sollte laut.de bei jedem Beitrag einfach automatisch ein "IMO" einfügen. Ich kann bspw. mit Clueso auch nicht viel anfangen, aber mein Gott...jedem das Seine.
btw: Hab sonst keinen in deiner Liste gefunden, den ich nicht mag. lol
nah da is ja auch prall mit qualität gefüllt ^^