13. März 2024
"Ich gehe mit Pikachu zur Arbeit"
Interview geführt von Yannik GölzEs gibt Interview-Anfragen, die schlägt man einfach nicht aus. Als ich eine E-Mail von der Pokemon Company in meinem Postfach hatte, da wusste ich, dass ich anbeiße.
Und das, obwohl ich an diesem Punkt noch nicht wusste, was Pokemon und laut.de miteinander zu schaffen haben könnten. Pummeluff und Zirpeise interviewen wäre wohl nicht drin. Aber was dann kam, war eigentlich genauso cool: Zoe Wees und Jax Jones haben einen Song zum World Pokemon Day gemacht. Im Zoom-Gespräch erzählen sie, wie es dazu kam.
Aber das Gespräch handelt schließlich nicht nur davon. Geteilte Pokemon-Liebe zwischen Jax Jones und mir (und zumindest solider Neugier seitens Zoe) sind ein schöner Einstieg in ein Gespräch darüber, was Nostalgie eigentlich mit Kunst macht, an was man sich gerne erinnert und wieso das Internet eine gigantische Sample-Maschine ist.
Wir sind heute verabredet, um über eure Pokemon-Kollabo zu sprechen. Wer wäre da nicht sofort dabei? Deswegen erst einmal ganz grundsätzlich: Habt ihr eine starke Verbindung dazu? Zu den Spielen, zur Serie?
Jax: Zoe wird gleich nein sagen (lacht).
Zoe: Echt nicht so krass wie andere. Aber als ich klein war, hat es natürlich trotzdem jeder gespielt. Also bin ich irgendwie doch auch damit aufgewachsen. Es war immer da.
Jax: Ich lass jetzt durchschimmern, wie alt ich bin, aber - ich bin seit dem allerersten Titel dabei. Seit Pokemon Rot. Fürs Protokoll: Mein erstes Starter-Pokemon war Glumanda. Ich lieb's! Damals war das die klassische Geschichte, ein Freund hat mir das Spiel ausgeliehen und hat es dann nie wieder gesehen. So gut fand ich's! Und ich habe einfach versucht, damit durchzukommen. Einfach Tauchstation, bis er von selbst fragen muss. "Wo ist das Spiel?" - "Welches Spiel?" (beide lachen).
Klassisch
Jax: Außerdem habe ich natürlich die Serie geschaut, die ganz am Anfang. Ich kann nicht glauben, dass Ash nicht mehr Teil davon ist in den neuen Folgen. Ergo: Ich bin damit aufgewachsen. Aber erst, weil ich jetzt wieder professionell mit Pokemon zu tun habe, ist es in mein Leben zurück. Ich gehe zu den Weltmeisterschaften und sehe die Community, ich lass mir auch das Kartenspiel erklären. Das sieht ehrlicherweise ein bisschen kompliziert aus.
Das hab' ich auch nie gerafft. Es sieht lustig aus!
Jax: Es sieht supercool aus!
Aber wie kommt man denn dazu, einen Song für Pokemon zu machen? Vor allem, wenn es schon "Ich will der allerbeste sein" gibt?
Jax: Ich habe davor schon mit Pokemon an einem Song namens "Phases" gearbeitet. Das lief so, dass wir ein Musikvideo mit Pikachu-Tänzern gedreht haben. Das fand ich ziemlich lustig, also haben wir die Zusammenarbeit vertieft, sind in Kontakt geblieben und ich habe ihnen erzählt, dass ich an "Never Lonely" mit Zoe gearbeitet habe. Die ganze Idee fanden sie auch super. Und weil vor ein paar Wochen der World Pokemon Day gestiegen ist, haben sie einen Song dafür haben wollen. Also haben wir den Song gepitcht und dafür haben sie mit uns dieses Video gemacht. Für Zoe und mich war das wohl das Aufwändigste, das wir je gedreht haben, oder?
Zoe: Ja, definitiv.
Okay, ich versuche jetzt den Plot von diesem Video zu rekonstruieren: Erst seit ihr in einem Raumschiff, da tanzen alle, dann entführt ihr ein Pikachu. Ist das korrekt? Warum habt ihr ein Pikachu entführt?
Jax: Also. Entführen ist ja mal ein sehr starkes Wort! (beide lachen). Das Konzept für das Video orientiert sich an den alten Daft Punk-Videos. Weißt du, welches ich mein? Nicht "One More Time", hier, "Digital Love". Da sind sie auch im Weltall und performen. In diese Richtung sollte der Song ja auch mit all den Synthies. Also hatte ich eh diese Vision davon, wie Zoe im Kosmos eine Party steigen lässt - und ich nehme an, das Pikachu dazuzuholen, das war so das Sahnehäubchen.
Zoe, wann bist du ins Bild gekommen? Warst du von Anfang an dabei oder wurdest du erst später eingeweiht, dass du gerade einen Pokemon-Song machst?
Zoe: Als Jax nach Hamburg gekommen ist, da wusste ich nicht, dass wir mit Pokemon zusammenarbeiten werden. Wir haben einfach zusammengearbeitet, den Song aufgenommen. Und ... yeah! Er hat mir dann erzählt, was aus dem Projekt geworden ist und ich fand das ziemlich aufregend. Yeah.
Aber interessant, dass der Song ja auf jeden Fall sehr anders als deine Musik sonst klingt, oder?
Zoe: Ja, es ist ein ganz anderer Stil, aber irgendwie mag ich's auch. Ich hätte sowas niemals für meine eigene Single gewagt, deswegen find ich's supercool, dass ich mich in diesen Nebenprojekten ein bisschen ausprobieren kann. So lerne ich ja auch, was mir gefällt. In den letzten Monaten habe ich ein paar so Songs geschrieben, weil der Sound mich ein bisschen gepackt hat.
Sicher auch cool, so etwas im Live-Repertoire zu haben.
Zoe: Es macht einfach Spaß, weißt du? Es ist fun, alle wollen tanzen.
Jax: Das liebe ich ja auch mit anderen Künstlern: Zeug machen, das sie sonst nie gemacht hätten! Das war halt in diesem Moment ein Song, der aus der Freundschaft zwischen Zoe und mir entstanden ist. Eine kleine Zeitkapsel. Wenn sie weitergeht, wird sie wieder ihren eigenen Sound machen, ich werde auch sonst anderen Sound machen. Aber dass sie ein bisschen davon inspiriert wurde, das bedeutet mir eine Menge!
Zoe: Danke!
"Das Internet ist eine riesige Sample-Maschine!"
Eine Sache, die mich an dem Song interessiert, ist die Rolle von Nostalgie. Nostaglie ist gerade ja das große Zugpferd der Popmusik. War Retro-Sound von Anfang an das Ziel oder hat sich das erst so ergeben?
Jax: Ach, durch die Pandemie habe ich eine Menge alte Musik gehört, mit der ich aufgewachsen bin. Und Daft Punk ist natürlich superwichtig für mich, weil sie eine ganz andere Zeit perfekt einfangen. Außerdem: Durch das Internet gibt es ja auch keine herkömmliche Nostalgie mehr. Musik heute ist so vielseitig und in den letzten fünfzig Jahren kommerzieller Musik ist alles so archiviert und zugänglich, dass nichts außer Reichweite scheint. Früher, da brauchte man ja noch diese Kumpels mit Plattensammlung, die Jahre gebraucht haben, ihr Zeug zu entdecken. Heute ist alles einen Klick entfernt. Deswegen geht es nicht darum, etwas zurückzubringen, weil alles immer da ist. Es geht darum, die Dinge neu zusammenzusetzen. Weißt du, wie ich mein? Drake macht Jersey, als wäre das brandneu. In Electronica ist Trance gerade wieder ein Riesending. Mir kommt es so vor, als ginge es in moderner Musik darum, durch die Äras zu skippen und damit zu tun, was man halt tun muss. Solange man Spaß damit hat! Das ist doch keine Nostalgie mehr, das Internet ist einfach von Natur aus eine riesige Sample-Maschine!
Stimmt total! Es ist ja auch auffällig, dass es nicht mehr so krasse Genre-Kids gibt wie früher. Selbst vor zehn-fünfzehn Jahren noch, da war man eben ein Hip Hop-Typ oder ein Metal-Typ oder ein Techno-Typ. Heutzutage hört halt jeder alles. Weil es so einfach ist.
Jax: Ich finde es verrückt, man kann Electro neu denken. Charli XCX hat zum Beispiel diesen neuen Song gemacht, "Von Dutch".
Banger.
Jax: Absolut! Und der klingt irgendwie wie Electronica aus den 2000ern, aber er hätte trotzdem nur heute gemacht werden können! Und trotzdem macht gerade niemand etwas Vergleichbares. Etwas Ähnliches wollte ich mit "Never Lonely" erreichen - Zoe macht diese superemotionale, intensive, total auf die Stimme fokussierte Musik und das ist an sich ja schon interessant, um es gegen einen Dance-Backdrop zu legen. Es schafft Kontraste. Was passiert, wenn man es jetzt wie die Achtziger klingen lässt, was passiert, wenn man dies macht oder das macht? Und das macht mir so viel Spaß?
Zoe, wie ist das für dich? Bist du mit Dance aufgewachsen? Was ist deine Beziehung dazu?
Zoe: Ich bin nicht damit aufgewachsen, nein. Als ich so fünfzehn war, da habe ich zwar angefangen, Musik von DJs wahrzunehmen und es hat mir gefallen. Ich habe auch Songs mit EDM-Artists gemacht und mit ihnen geschrieben. Ich fand das faszinierend, weil ich bin mit Sad Music aufgewachsen. Mit Classics.
Für was für Musik bist du am nostalgischsten?
Zoe: Hmm. Also aufgewachsen bin ich mit Hanna Montana. Miley Cyrus.
Classic.
Jax: Ich liebe das! Habt ihr den neuen Song von Miley Cyrus mit Pharrell gehört?
Nein, noch nicht.
Zoe: Ich auch nicht. Ist er gut?
Jax: Ich liebe ihn. Es ist etwas ganz Neues für Miley. Ich liebe einfach, wenn Artists etwas Neues probieren. Deswegen, Zoe, war ich auch so begeistert, als du mir deine neue Musik gezeigt hast. Da war ganz neues Zeug dabei. Richtiger Artist-Shit, ich war begeistert.
"Meine Tochter fragt, ob ich mit Pikachu zur Arbeit gehe"
Was geht ab im Hause Wees?
Zoe: Gute Frage. Es klingt ein bisschen mehr nach Hip Hop, ein bisschen schwarzer, finde ich. Mehr Fun, es geht mehr nach außen. Man könnte sogar dazu tanzen! Einfach ein bisschen anders, als ich es bisher gemacht habe.
Jax: Das war genau mein Eindruck von deiner neuen Musik! Du wirktest einfach ein bisschen selbstbewusster und entspannter mit dir selbst, als könntest du authentischer mit deinem eigenen Geschmack sein. Das war supercool. Ich kann mir vorstellen, dass du dich da in Sachen Kultur ein bisschen durchsetzen musst, weil es nicht die Sache ist, die die breite Masse immer hören will. Aber ich glaube daran.
Was für eine Art Hip Hop?
Zoe: Ich meine, ... hmm. Ganz ehrlich, ich bin nicht der allergrößte Rap-Hörer. Ich mag eine Menge Rap, aber eigentlich höre ich nur Sad Music. Aber ich war sehr inspiriert von all den Leuten, die mit mir an der neuen Musik gearbeitet haben. Sie sind alle Schwarz und lieben Hip Hop, da waren so viele Rapper mit am Werk, also war ich auch dafür zu haben. Die Energie im Raum hat mich mitgenommen.
Ich liebe, dass diese Begriffe für Gen Z Genre-Begriffe abgelöst haben. Sad Music, Silly Music. Das ist eigentlich so viel hilfreicher.
Jax: Shoutout an Sad Girls Club Music.
Zoe: Welcome to the club! (lacht)
Eine letzte Frage, um den Bogen auch zu Pokemon zurückzuschlagen: Das ist ja auch eine Sache, die supernostalgisch für viele Leute ist. Sind diese Nostalgien des Sounds und für das Franchise irgendwie verwandt?
Jax: Das Ding ist: Für uns ist Pokemon jetzt gerade nostalgisch. Aber das Zeug lebt und atmet in voller Action! Geh mal zu diesen Weltmeisterschaften, da ist das so akut, wie etwas nur sein kann. Da duelliert sich dann ein Teenager mit einem Typen Mitte vierzig und zehntausend Leute gucken zu. Ich weiß nicht, das klingt nicht nach Nostalgie, das klingt nach dem Hier und jetzt! Aber es ist ja auch der Kreislauf der Dinge. Es ist eine Marke, die ich bewundere, es ist eine Marke, die man weltweit kennt. Und irgendwie will ich das auch für meine Musik, weißt du? Ich will etwas machen, das genau so universell ist, das Leute überall verstehen und lieben können. Diese Sachen ziehen mich zu Pokemon. Außerdem liebe ich halt, dass meine Tochter Pikachu treffen kann. Sie fragt mich dann, ob ich heute mit Pikachu zur Arbeit gehe (alle lachen).
Das ist supersüß.
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