laut.de-Kritik

Wie ein Indie-Film-Soundtrack.

Review von

"The Theory Of Absolutely Nothing" könnte genauso gut der Titel eines Coming-Of-Age-Indie-Films sein, so grob zwischen "The Perks Of Being A Wallflower" und "The Spectacular Now". Auch musikalisch kann man sich die Songs von Alex The Astronaut gut auf dem "Juno"-Soundtrack vorstellen, zwischen Belle & Sebastian, Kimya Dawson und Oldies von The Kinks und The Velvet Underground. Selbst inhaltlich packt Alexandra Lynn ernste Themen mit dem selben warmherzigen Optimismus an, wie die oben genannten Filme. Immer kurz vor cheesy, immer herzergreifend, nur stellenweise hätte etwas weniger Pathos dem Ganzen gut getan.

Aus dem Folk übernimmt die Australierin das Geschwätzige, das lyrische Erzählen, die sozio-politschen Anklänge und verknüpft das mit der Eingängigkeit von Pop. 2017 ist ihr Song "Not Worth Hiding" zu einer Hymne der australischen Bewegung für die gleichgeschlechtliche Ehe geworden, auf ihrem Debüt-Album nimmt sie sich nun unter anderem die Themen häusliche Gewalt und Abtreibungen vor. Keine kleinen Aufgaben, aber Lynn meistert sie dank ihrer sehr eindringlichen Erzählungen und ihres sehr dynamischen Songwritings.

Direkt im Opener "Happy Song" verpackt sie Gedanken über Vergänglichkeit und Nostalgie in einen erbaulichen Pop-Song: "You know that I love you but I think it's over / Will it still be over always, I don't know". Der Track besticht vor allem mit dem treibenden Refrain, sogar ein Da-da-Part kommt erstaunlich gut. Ab und zu scheint etwas Britpop durch, beispielsweise in "Split The Sky", das anfangs an Oasis erinnert. Die Songs bauen klassischerweise auf gestrummten Gitarren auf, sind aber alle aufwendig instrumentiert, im Hintergrund fügen sich Chöre, Piano und sogar Streicher zu einer meist geschmackvollen Soundkulisse zusammen. Besonders die Streicher hauchen manchen Songs, etwa "I Like To Dance", aber auch diesen Eindruck des leicht Pathetischen ein.

Was schade ist, weil das Stück über häusliche Gewalt rein textlich überzeugt und den musikalischen Kitsch gar nicht nötig hätte. Für den Song hat Lynn mit Helferinnen von Betroffenen gesprochen, um sich ein Bild entsprechender Beziehungen zu verschaffen. Besonders hart erwischt einen die sehr direkt formulierte Zeile: "I just wish he would stop hitting me".

Inhaltlich trifft sie hier den richtigen Ton und nährt sich dem Thema sehr gefühlvoll. "Banksia" und "Christmas In July" hingegen kommen mit dem perfekten Maß an Pathos daher, beide Songs laden zu verträumtem Schunkeln ein. Mit ihrer ausdrucksstarken Stimme und ihrem charmanten australischen Dialekt gedenkt Lynn in "Banksia" einer sehr jung verstorbenen Freundin: "And all of the roses will be too white because 20 years old’s too soon for goodbye".

Klanglich überzeugen aber die energievollen Titel am meisten, so etwa "I Think You're Great", das an die neuseeländische Band The Beths erinnert und mit seinen drängenden Drums mitreißt. "Caught In The Middle" erinnert an die ersten Alben der Shout Out Louds und wartet wie viele der Stücke mit einem eingängigen Refrain auf. "The Theory Of Absolutely Nothing" ist das starke Debüt eines jungen Menschen, der seine Sicht auf unsere teilweise düstere Welt optimistisch, aber nicht verklärend in Wohlklang übersetzt. Wer mit den eingangs erwähnten, etwas gefühlsduseligen Filmen etwas anfangen kann, sollte auch an dieser Platte seinen Spaß haben.

Trackliste

  1. 1. Happy Song
  2. 2. Lost
  3. 3. Split The Sky
  4. 4. I Like To Dance
  5. 5. I Didn’t Know
  6. 6. Caught In The Middle
  7. 7. Christmas In July
  8. 8. Banksia
  9. 9. I Think You’re Great
  10. 10. San Francisco
  11. 11. Outro

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