laut.de-Kritik
Der Bob Springsteen aus Köln schafft den Durchbruch.
Review von Alexander Cordas1981 und nach zwei gecharteten Alben waren Bap in der hiesigen Deutschrock-Szene alles andere als Unbekannte. Die ersten Gehversuche mit "Rockt Andere Kölsche Leeder" klingen in der Nachbetrachtung noch recht ungelenk und waren eher das Ergebnis von Wolfgang Niedeckens unermüdliche Kneipentouren, "Affjetaut" kam einem organischen Bandsound schon näher. Doch erst mit "Für Usszeschnigge!" gelang den Kölnern der Volltreffer.
Aus dem eher semi-ambitionierten lokalen Projekt ist Anfang der Achtziger eine Band entstanden, die die Gelegenheit beim Schopfe packen wollte. So war der Wechsel vom lokalen Label Eigelstein zum EMI-Sublabel Musikant ein logischer Schritt. Das brachte Niedecken sogleich Sellout-Vorwürfe aus der Szene ein, die er süffisant in "Eens Em Vertrau" abfrühstückte: "Ich will öm keine Preis dä Hofnarr sinn, dä jääjen Bares Schwachsinn singk"
Dass die dritte Platte letztendlich den nationalen Durchbruch markierte, war einmal mehr Kommissar Zufall geschuldet, denn den wohl bekanntesten Bap-Song "Verdamp lang her" hatte weder das Label noch die Band so richtig auf dem Schirm. Der Kommissar hört auf den Namen Wolfgang Neumann und war damals Radio-Moderator beim WDR. Neumann kümmerte sich nicht um die Ansage des Labels und spielte in seinen Sendungen immer wieder diese Nummer, die im heutigen Maßstab ohnehin als Single undenkbar wäre. Ein elend langes Intro, in dem nur Niedeckens Stimme und das Keyboard zu hören sind und der Refrain erst nach drei Minuten einsetzt? Das würde heutzutage in den Chefetagen der Plattenfirmen gepflegtes Gekicher auslösen. Der Text basiert auf Wolfgangs erkaltete Beziehung zu seinem erzkonservativen und im Katholizismus verwurzelten Vater, der ein halbes Jahr zuvor gestorben war. Die angestrebte emotionale Nähe zu ihm konnte er nicht mehr aufbauen, was der Text eindrücklich beschreibt. Als melancholische Ballade angelegt, wusste die Band zunächst nicht, was sie mit dem Text musikalisch anfangen sollte, ehe Klampfer Major Heuser mit dem ikonischen Gitarren-Lick um die Ecke kam. Das passte dann wie Arsch auf Eimer, der Klassiker war im Kasten.
Auch das zweite Stück "Südstadt Verzäll Nix", in dem Niedecken von den Macken seines Veedels schwadroniert, sollte im Balladenstil daher kommen. Heuser und Keyboarder Alexander 'Effendi' Büchel machten aus einer soften Geschichte dann ein härter rockendes Portrait der Heimatstadt, das nicht mehr lamentiert, sondern dezent wütend klingt. Den Keyboard-Klängen hört man an, dass die NDW mit ihren verspielten Harmonien nicht ganz an den rockenden Herrschaften vorbeigezogen ist.
Mit "Jraaduss" schließt Niedecken nach "Helfe Kann Dir Keiner" und "Anna" ein Beziehungsdrama mit versöhnlichem Text ab. Da verzeiht man sogar das etwas abgeschmackte Saxophon-Solo. Nach dem hemdsärmeligen und heute eher aus der Zeit gefallenen Text zum Rock'n'Roller "Waschsalon" folgt dann der nächste Höhepunkt.
"Jupp" war, ist und wird immer einer, wenn nicht der beste Bap-Song aller Zeiten sein. Das beginnt schon beim unfassbar schönen Akustikgitarren-Intro, das so wunderbar ins Ohr perlt, dass man Klaus Heuser nur auf Knien danken kann. Der Text dreht sich um einen Weltkriegsveteranen, der im Obdachlosenheim gelandet ist und sich die Zeit mit erfundenen Geschichten überbrückt, die er den Leuten gefragt oder ungefragt erzählt. Niedecken hat den tatsächlich existierenden Charakter dereinst persönlich kennengelernt und quasi eine Sozialstudie ins Song-Format gegossen. Posttraumatische Belastungsstörung existierte im Jargon der frühen Achtziger noch nicht, aber Niedeckens Text fühlt sich in die Figur des Jupps eindringlich ein. Das mündet instrumental dann in einem epischen David Gilmour'schen Gitarrensolo, das die Dramatik der Lyrics perfekter nicht hätte in Szene setzen können. Gänsehaut pur! Niedecken präsentiert sich hier als großer Geschichtenerzähler und Zuhörer. Wie er die Tragik in Worte fasst, ist Poesie in Reinform.
Aus dem Tal der Tränen reißt einen "Frau, Ich Freu Mich" mit einer Band on the Road-Geschichte heraus, in der auch Bruce Springsteen kurz erwähnt wird, mit dem Wolfgang Niedecken Jahre später sogar eine Freundschaft verbinden wird. Diese mündet 1995 sogar in einem Auftritt in einem Video zu "Hungry Heart", in der der Bap-Mastermind als Background-Sänger und -Gitarrist zu sehen ist. Überhaupt kann man das Schaffen von Niedecken auch als Inkarnation des kölschen Bob Springsteen ansehen, ist er doch vom Boss und Dylan gleichermaßen stark beeinflusst.
Mit "Ens Em Vertraue" und dem Schenkelklopfer "Müsli Män" finden sich auch zwei humorige Stücke auf dem Album, die eine Bap-Seite hervor kehren, die in der Folge leider etwas in Vergessenheit geriet. Abseits von Karneval-Klischees schlummert in Niedecken auch ein kleiner Clown, der diese Seite seines Schaffens später aber nicht gegen die Ernsthaftigkeit seiner Bandkollegen durchsetzen konnte. Schade eigentlich, zumal gerade die Beschreibung des Szene-Kaspers in "Müsli Män" einen unbestrittenen Charme besitzt und live auch immer wieder abgefeiert wird.
"Fuhl Ahm Strand" klingt fast so, als hätten Bap den "Tag Am Meer" vorweg genommen. Zwar behandeln beide Lieder thematisch unterschiedliche Felder, besitzen aber einen ähnlichen Flow. Wo die Fantastischen Vier im LSD-Rausch vor sich hin philosophieren, wirft Niedecken wehmütig einen Blick zurück auf vergangene Begegnungen, mit Kloß im Hals-Garantie. Die Coverversion von Eddie Cochrans "Summertime Blues" namens "Wo Mer Endlich Sommer Hann" beschließt den Reigen. Kein einziger Filler findet sich hier, ausnahmslos jede Nummer könnte in einer Best Of-Aufzählung landen.
"Für Usszeschnigge!" landete kommerziell die erste Pole Position in den Album-Charts und wurde dort erst vom Nachfolger "Vun Drinne Noh Drusse" abgelöst. Welches nun das bessere Album der beiden ist, hängt wohl nur von der jeweiligen Stimmungslage ab. "Kristallnaach" und Co. kommen um einiges ernster und nachdenklicher daher, wohingegen aus dem 1981er Werk eine später so nicht mehr eingefangene Spontaneität sprüht. Egal, wie man es sieht, beide Platten haben bundesdeutsche Musikgeschichte geschrieben und klingen, wenn man von einigen Akzenten im Sound absieht, auch heute noch absolut zeitlos.
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
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