laut.de-Kritik

Schweizer Hip Hop wird erwachsen - unter Schmerzen.

Review von

Die Party ist nun also vorbei. "Schweizer Hip Hop ist erwachsen geworden" verkündet der Pressetext. Das Erwachsenwerden einer Jugendkultur ist stets ein schmaler Grat, lebt doch die Musik von jugendlicher Unbekümmertheit und einer gewissen Naivität. Erwachsene Vernunft scheint da fehl am Platz zu sein.

Nur wenigen Rappern traut man es zu, Hip Hop aus seiner Jugendlichkeit sanft ins Erwachsenenleben zu manövrieren. Baze gehört dazu, hat der Berner sich doch Szenevorschriften seit jeher verweigert und seine Hörer stets zum Fertigdenken aufgefordert. Sein Umgang mit der Sprache und die unnachahmliche Art, mit dem Flow zu spielen, animieren auch auf seinem dritten Soloalbum zum Hinhören.

Die Party ist nun also vorbei. Zu Grabe getragen ohne Blumen, Pfarrer oder Wein. Der Club ist leer und stinkt. Vorbei ist es mit durchgemachten Nächten und auf Parkbänken Übernachten, wie Baze auf den ruhigen Klängen des Titeltracks berichtet. Aufs Land zu ziehen und zu heiraten wird plötzlich zu einer ernsthaften Option. Doch die Leere bleibt.

Auf den elf Songs widmet sich Baze den Hochs (mit und ohne Antidepressiva), dem Rausch, der Flucht vor der Realität und besonders der darauffolgenden Leere. Versteckt hinter alltäglichen Geschichten, wie etwa den typisch schweizerischen Waschkückenkonflikten, denkt Baze über einige der großen Fragen des Lebens nach, ohne mit der Pathoskelle zu rühren.

Baze veranstaltet keinen Abgesang auf eine verlorene Jugend, sondern wirft einfach einen von Lebenserfahrung geprägten Blick auf unsere Zeit. Anstatt Parolen zu dreschen, wird mit herrlicher Beobachtungsgabe kommentiert und hinterfragt. Wenn er auf "Schniide Mer D'Haar" feststellt, dass er am liebsten woanders wäre, kommt nicht überraschend die versteckte Frage: "Nur wo?"

Die Party ist nun also vorbei, aber ist man wirklich bereit für das Bevorstehende? Auch das hinterfragt Baze: "Wir weigern uns unterbewusst, erwachsen zu werden, es ist einfach verdammt anstrengend als Erwachsener zu leben." Einen klaren Blick auf die momentane Situation und die im Rausch durchlebten Jugendjahre zu werfen, ist tatsächlich nicht immer angenehm. Frust und Hilflosigkeit prägen dann auch viele der Songs. Nichtsdestotrotz kann Baze auf dem abschließenden "Trinkgäud" resümieren: "Wenn die Zweifel der Preis sind für die Tage, an denen ich vor Glück sterben könnte, bezahle ich in bar und gebe Trinkgeld!"

Auch musikalisch zeigt "D'Party Isch Vrbi", dass Hip Hop durchaus erwachsen werden kann und es zwischen bewährter Samplekunst und cluborientiertem Synthie-Geballer noch viel Spielraum gibt. Erwachsen werden bedeutet hier alles andere als die Verspieltheit verloren zu haben. Eher zeigen die Produktionen von Benfay und Marton di Katz, dass Hip Hop eine Spielwiese mit fast unendlichen Möglichkeiten darstellt und man bedenkenlos mit verschiedenen Genres und Stimmungen jonglieren kann.

Die Musik will sich nicht in den Vordergrund drängen. Eher legt sie den Nährboden für die verschiedenen Emotionen, die Baze in seinen Texten transportiert und überzeugt mit überraschenden Wechseln. Nach sperrigen Drums und düsteren Synthies wird man plötzlich von einer nach Optimismus schreienden Gitarre aufgeschreckt, eine Mundharmonika spielt kurz auf, während E-Gitarren sich wie selbstverständlich ins Gesamtbild einbetten. Die beiden Produzenten versuchen mit ihrer Vielschichtigkeit nicht, erzwungen anders zu klingen und lassen Raum für eingängige Melancholie wie auf "Minigrip".

"D’Party Isch Vrbi" ist ein Album, dem man Zeit geben, mit dem man sich beschäftigen muss, das anstrengend ist, aber dafür auch konsequent. Es gibt viel zu entdecken auf den elf Songs, manches auch erst nach mehrmaligem Hören. Bereits nach wenigen Durchgängen ist aber eines sicher: Rap und Erwachsenwerden schließen sich nicht aus, können im Gegenteil zu richtig guter Musik führen.

Trackliste

  1. 1. D'Party Isch Vrbi mit Endo Anaconda
  2. 2. Minigrip
  3. 3. Remerooouun
  4. 4. Am Ändi Vom Tag
  5. 5. Schniide Mer D'Haar
  6. 6. Ruhetag
  7. 7. La Wartä
  8. 8. Huärä U Lämmer
  9. 9. Unger Tüflä
  10. 10. Afterhour
  11. 11. Trinkgäud

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