laut.de-Kritik
Man darf Betroffenheits-Musik sagen ...
Review von Vicky ButscherManche behaupten, Belle & Sebastian machten Musik für Pferdemädchen, andere halten sie für unantastbar. Beide haben wohl nicht ganz Unrecht. Spätestens mit dem 98er Album "The Boy With The Arab Strap" und dem Indie-Disko-Hit "Sleep The Clock Around" wussten die meisten, dass sich hinter dem Namen eben nicht eine Belle und ein Sebastian verbargen. Wer's da immer noch nicht kapiert hatte, der wartete einfach noch zwei Jahre und hörte dann "Legal Man" im Club seines Vertrauens. Um alle Pferdemädchen, 60s-Kleidchen Trägerinnen und Träumer war es da geschehen. Aber eben nicht nur die betörte die sachte Musik der Schotten.
Da sich die Band zwischen zwei Alben gerne mal etwas Zeit ließ, ungerne auf Tour ging und doch nicht untätig rumsitzen konnte, entstanden unzählige EPs. Fein chronologisch sortiert finden sich die Stücke auf der EP-Sammlung "Push Barman To Open Old Wounds". Anders hätte es auch nicht ins aufgeräumte, perfektionistische Bild - das diese Band neben ihren verträumt-verpeilten Songs aufrecht erhält - gepasst.
Schon unter den ersten Outputs von Belle & Sebastian befindet sich der unglaubliche Song "Lazy Jane Painter Line". Und schon da fällt auf: Man darf die Stücke von Belle And Sebastian ruhig Betroffenheits-Musik nennen, keiner wäre böse. Die Band um Mastermind Stuart Murdoch kümmert sich um all die Janes dieser Welt, die endlich nicht mehr einsam sein wollen und doch aus ihrer Melancholie nicht herausfinden.
Auch wenn schnellere Songs wie "Le Pastie De La Bourgeoise" auf den ersten Blick ein anderes Bild zeichnen. Die Texte handeln wieder von Eskapismus, Unzufriedenheit und Einsamkeit - gerne auch inmitten von Menschen. Die Songs erzählen von schönen, unnahbaren Frauen ... nur um die Unantastbarkeit im nächsten Augenblick wieder mit ihrem Unglück zu demontieren. "She thought it would be fun to try pornography ... now Lisa go blind."
Die Songs sind extrem low-fi aufgenommen, was die Band auch auf der Zusammenstellung nicht änderte. Das mag ein wenig ärgern, möchte man die Songs laut hören. Sonst macht es aber gerade den etwas unschuldigen, scheuen, arty Charme der Band aus. Dies ändert sich im Laufe des Albums. Mit der Zeit wurde die Band professioneller, die Aufnahmen machten die Entwicklung mit.
"Legal Man" - das Belle & Sebastian mit den Moulinettes aufnahmen - lässt einen Einschnitt in der Karriere der Band hören. Zwar setzte die Band schon immer ein Meer an Instrumenten ein, doch erst mit diesem Song klangen Belle & Sebastian nach Bombast, oder - besser - Glamour. Manche Stücke hingegen sind einfach zu seicht. Exemplarisch dafür steht "The Gate", bei dem in einem zerwühlten Chaos der verschiedensten Instrumente die Melodie und die Songstruktur auf der Strecke bleiben.
"Push Barman To Open Old Wounds" präsentiert eine sehr schöne musikalische Zusammenfassung von Sanftheit und Melancholie in ihren verschiedensten Facetten. Leider finden zwischendurch einige Songs nicht zum Punkt. Doch die, die es schaffen, sind unverzichtbar. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo zwischen dem Pferdemädchen und der Unantastbarkeit.
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