laut.de-Kritik
Nostalgischer Neuanfang, der eine flüchtige Euphorie hinterlässt.
Review von Jan Hassenpflug"It's a long way back from seventeen", schwelgt Mark Hoppus in Erinnerungen an eine Zeit, in der Blink 182 noch schelmisch grinsend die jährliche High School-Party aus den Angeln hieven. Als dann der Ernst des Lebens anklopft, trennen sich die Wege vorerst. "Angels and Airwaves" oder "+44" heißen die gegensätzlichen Projekte, um den musikalischen Reifeprozess voranzutreiben. 2009 setzt sich die gemeinsame Vision durch, den sorgenfreien Skate-Punk vergangener Tage neu aufzulegen. Auf "Neighborhoods" und "Dogs Eating Dogs" vereinen sich die gewonnenen Erfahrungen. Doch eine übereinstimmende Vorstellung dessen, was das Trio in Gegenwart und Zukunft auszeichnen soll, scheint zerbrochen.
Dazu steht Tom Delonges Arbeitsmoral einer Fortführung der Bandgeschichte im Weg, finden Mark und Travis. Ein neuer Impuls muss her. Begleitet von einigen öffentlichen Scharmützeln kicken sie ihren Gitarristen und schleifen Alkaline Trio-Frontmann Matt Skiba auf die Bühne. Mit ihm soll der verloren geglaubte Blink-Spirit anno 2016 auch auf Albumlänge zurückkehren?
Jein. Denn auf "California" schwingt die Einsicht mit, dass sich das "First Date" nicht wiederholen lässt. Vielmehr gleicht der Grundtenor einem nostalgischen Blick zurück, ohne das Hier und Jetzt aus den Augen zu verlieren. Dank des Personalwechsels ergibt sich eine neue Identität aus alten Tugenden.
Die Vorab-Single "Bored To Death" wirkt wie ein Statement gegen jede Stilbruch-Paranoia. Spätestens im Hymnen-Refrain kehrt die Leichtigkeit des Teenager-Seins als losgelöster Ohrwurm zurück: "Life is too short to last long". Als hätte es eine solch bahnbrechende Erleuchtung gebraucht, befreit sich die neu formierte US-Kombo vom Lagerkoller der letzten Jahre.
Das erinnert auch ohne Toms junggebliebene Stimme tatsächlich an die gute alte Zeit. Wenngleich sich Mark und Matt gesanglich näher kommen, als es das alte Duo je tat, harmoniert das Wechselspiel der beiden erstaunlich gut. Dahinter legt Barker seine unverkennbare Drum-Signatur.
Sowohl der Opener "Cynical" als auch "She's Out Of Her Mind" strotzen nur so vor überschüssiger Energie, "Kings Of The Weekend" wagt es zumindest "til monday morning strikes again" noch einmal altbewährt abzuspacken. "Rabbit Hole" empfiehlt sich als eingängiger Wachmacher für den verkaterten Morgen danach. Pop-Punk nach dem Minimalprinzip ist nach wie vor das Faustpfand der Kalifornier. Da lässt es sich verschmerzen, dass "No Future" am Anspruch erstickt, besonders rebellisch aufzutreten.
Beim radiotauglichen Rest der Platte machen sich dann zu erwartende Alterserscheinungen bemerkbar. Referenzen zu Skibas Alkaline Trio verdeutlichen eine reifere Performance, die aber zuweilen durchhängt. Besonnen nimmt das Ensemble den Fuß vom Gas. Auf ihrer Reise durch "Los Angeles" und "San Diego" verfallen die drei einer spätsommerlichen Roadtrip-Melancholie, die im Titeltrack ihren Höhepunkt erfährt. Zwar assoziiert die Liebeserklärung an die Heimat das sonnige Leben an der Westküste ziemlich verlockend, dafür ist der Spannungsbogen des musikalischen Arrangements eher unterspannt.
Da fehlt eigentlich nur noch, ja genau, die Sternenhimmel-Ballade, um die wehmütige Atmosphäre abzurunden. Von akustischen Saitenzupfern eingeleitet ist die mit "Home Is Such A Lonely Place" schnell ausfindig gemacht. Gerade Skibas stimmliche Präsenz bewahrt den Charme der Nummer. Nur allzu gut könnte man sich vorstellen, dass Zeilen à la "I wish that we could save today" oder "Tomorrow is frightin but not today" den einen verkitschten Moment eines American Pie-Films veredeln.
Am Ende hinterlässt die Pendelei zwischen Lausbuben-Vergangenheit und künstlerischer Gegenwart trotz allem eine eher flüchtige Euphorie. Zu vielen der Kompositionen mangelt es an Substanz, um sich über verblassende Eindrücke hinwegzusetzen. Stücke wie das ausgelassene "Sober" oder "Left Alone" haben den Zwist im Grunde verinnerlicht. Sie eignen sich als Soundtrack eines unbeschwerten Sommers, dessen Magie zu schnell verfliegt.
Gemessen an der ungebrochenen Absicht, Verkrampfungen zu lösen und ein gutes Gefühl zu streuen, sind Blink 182 mit ihrer Comeback-Platte zurück in der Spur. Hier ein "Wohoo", da ein "Na Na", falls die Stimmung mal zu sehr ins Nachdenkliche umzuschwenken droht. Wer den Moment lebt, darf sich genügsam zurücklehnen. Aber ist es nicht genau das, was die Truppe seit jeher ausmacht?
12 Kommentare mit 14 Antworten
wie +44 in besten Zeiten *gähn
Die Geschehnisse um Toms Ausstieg/Rausschmiss sind doch etwas verkürzt. Letztendlich war es so, dass er mit seinem Verhalten Mark und Tom zur Trennung gezwungen hat.
Wenn ich mir seinen FB-Post so ansehe, sieht er es etwas anders.
Muss ich unbedingt reinhören! Zumindest die bisher veröffentlichten Songs haben mich neugierig gemacht. Hoffen wir, dass der Rest der Platte da mithalten kann
muss auch jetzt immer noch sagen, mir gefällt neighbourhoods besser als california. versteh auch nich warumm ersteres so schlecht ankommt.
wenn eots die eminem show war, dann war neighbourhoods das recovery .. würd ja gern nen bizkit vergleich ziehen aber da kam leider nach cs nix mehr
an alle blink fans gute neuigkeiten: es wird ein neues re release von california geben mit zig neuen tracks 'freut euch'
wann kommt das angeblich?
Ich vermisse Jerome K.
ich vermisse vielmehr oomphie
Bestes Album von der Band!