laut.de-Kritik

Berührende Melancholie, belanglose Fröhlichkeit.

Review von

Die Traurigkeit als Quelle der Inspiration, die Glückseligkeit als Quelle der Belanglosigkeit? Zweifellos ein von Rezipienten etabliertes Klischee. Dass viele Kritiker melancholische Kunst ihrem fröhlichen Pendant vorziehen, ist ein offenes Geheimnis. Häufig wird Musikern, die depressive Pfade verlassen und dabei weiterhin große Kunst abliefern, durch ungewohnt mediokre Bewertungen Unrecht getan. Dann aber gibt es noch die wenigen Künstler, die sich ein solch positives Image erarbeitet haben, dass das Gros der Kritiken auch nach dem Stimmungsumschwung in ihren Veröffentlichungen überschwänglich bleibt. Bei Will Oldham, alias Bonnie 'Prince' Billy, handelt es sich um einen dieser Musiker. Auch nachdem sich die Stimmung im Großteil der Songs des Liedermachers aus Louisville anno 2008 gelichtet hatte, blieb Oldham Kritikerliebling. Insofern weiß man als Autor, der Wert auf den Versuch von Unvoreingenommenheit legt, dass man mit der eigenen Bewertung von "The Purple Bird" aus der Reihe tanzen wird.

Der Nachfolger des vorzüglichen "Keeping Secrets Will Destroy You" fasst die musikalischen Stärken und Schwächen Oldhams besser zusammen als jedes vorherige Album seiner Diskografie. "Turned To Dust (Rolling On)" eröffnet die stimmungstechnische wie qualitative Berg- und Talfahrt mit simplen Keyboardakkorden, Country Fiddle, Mandoline und einem eingängigen, mit Backgroundgesang unterstützten Refrain. Die ungewohnt hohe Anzahl an von Sessionmusikern eingespielten Passagen, darunter auch ein Mini-E-Gitarrensolo nach knapp zwei Minuten, setzt Produzent David Ferguson ungewohnt süffig in Szene. Dennoch: Der heimelige Country-Track sticht nicht aus der Genremasse hervor.

Der Wechsel in den Midtempo-Bereich, Einsatz von Fiddle und Mandoline, mehrstimmiger Gesang, klischeelastige Zweckreime ("You got yours and I got mine / Come on in, the water's fine"; aus "The Water's Fine") oder Händeklatschen ("Our Home"): Oldhams Repertoire, positive Emotionen musikalisch umzusetzen, bleibt auch diesmal beschränkt. Nie wirkt die immer wieder aufblitzende Heiterkeit aufgesetzt, sie bleibt authentisch, aber eben auch so vorhersehbar wie langweilig.

Kenner der Diskografie des 55-Jährigen irrten keineswegs, wenn sie beim Blick auf die Tracklist von "The Purple Bird" in den beiden Songs mit den traurigsten Titeln die stärksten des Albums gefunden zu haben glaubten. Bei "Sometimes It's Hard To Breathe" und "Is My Living In Vain?" handelt es sich tatsächlich um die beiden Albumhighlights. Erstgenannter, wunderbar dezent instrumentierter Track profitiert vom ungewohnt räumlichen Albumklang, beschwört eine hypnotisch-traumartige Atmosphäre. Im zweitgenannten, minimalistischen Song stellt Oldham im allerbesten Sinne wimmernd die Sinnhaftigkeit des eigenen Schaffens und Seins in Frage: "Is my labor in vain? Is my singing in vain?" Angesichts der hohen Qualität des Lieds kann man Oldhams eigener Antwort nur beipflichten: "No no, of course not!" Mag der Songtext auch keinem Seminar für ausgefeilt-dezente Lyrik entsprungen sein, so tut er im Zusammenspiel mit dem Akustikgitarrenriff doch vorzüglich, was er tun soll: berühren.

Während das nachdenkliche "New Water" mit schönem Bläsereinsatz überzeugt, schlittert "One Of These Days (I'm Gonna Spend The Whole Night With You)" mit Liebesplattitüden und "Ua-ua"-Lautmalerei haarscharf an der Kitschgrenze vorbei. Einmal mehr küsst die Muse Will Oldham ausschließlich, wenn dieser wolkenverhangene Balladen anstimmt.

Man freut sich für den sympathischen Musiker, dass es ihm wesentlich besser zu gehen scheint als zu "I See A Darkness"-Zeiten. Unabhängig davon: Die musikalisch depressiven Zeiten Oldhams waren in künstlerischer Hinsicht seine goldenen. Dass "Keeping Secrets Will Destroy You" so stark ausfiel wie lange keine Album des Songwriters mehr, überrascht angesichts seiner konsequenten temporären Rückkehr zur minimalistischen Somnambulität nicht. Auch auf dem abwechslungsreicheren Nachfolger erfüllen die grüblerischen Balladen ihren Zweck bravourös. Nur die Fröhlichkeit langweilt. Die Traurigkeit als Quelle der Inspiration, die Glückseligkeit als Quelle der Belanglosigkeit? In Bezug auf viele Musiker hat das von Rezipienten etablierte Klischee keine Grundlage. In Bezug auf Will Oldham schon.

Trackliste

  1. 1. Turned To Dust (Rolling On)
  2. 2. London May
  3. 3. Tonight With The Dogs I'm Sleeping
  4. 4. Boise, Idaho
  5. 5. The Water's Fine
  6. 6. Sometimes It's Hard To Breathe
  7. 7. New Water
  8. 8. Guns Are For Cowards
  9. 9. Downstream
  10. 10. One Of These Days (I'm Gonna Spend The Whole Night With You)
  11. 11. Is My Living In Vain?
  12. 12. Our Home

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