laut.de-Kritik

Zwischen Wut und Weisheit.

Review von

10 Tracks, 43 Minuten und eine Kopfnicken-Garantie. Mit einer Attitüde à la Kraftklub, Casper oder Prinz Pi liefern Heisskalt mit "Vom Tun Und Lassen" ein wahrhaft literarisches Werk ab. Doch nicht nur textlich haben sie wieder einen rausgehauen – auch musikalisch glänzt die Platte mit druckvollen Gitarren und, wie ich finde, einem noch beeindruckenderen Schlagzeugspiel.

Das Album eröffnet mit "Alle Zeit", einem Song, der sich zunächst ungewohnt sanft herantastet. Fast hypnotisch zieht er in seinen Bann – bis nach etwa zwei Minuten die Stimmung kippt. Dann kommt das besagte Schlagzeug ins Spiel und übernimmt das Kommando. Gegen Ende baut sich der Beat spürbar auf, begleitet von der Zeile: "Renne und springe ins Nichts und im Fallen schließ ich die Augen und spanne die Flügel." Plötzlich bricht alles ab – ein Synthesizer legt sich wie eine kosmische Decke über den Song, und für einen Moment scheint alles schwerelos. Schließlich kehrt die Stimme des Frontsängers hallend zurück: "Alles ist gut. Du bist nicht allein. Ich halt dich nicht aus und sperr dich nicht ein. Tu, was du willst, nimm, was du brauchst. Es geht immer weiter, wie du es erlaubst."

Härter und schneller geht es mit "Vampire" weiter – ein Motiv, das die Musikszene immer wieder inspiriert. Hier dient es als Metapher für jemanden, der der Wahrheit so konsequent aus dem Weg geht wie ein Blutsauger dem Sonnenlicht. Spätestens beim zweiten Refrain sitzt der Text und lädt zum Mitgrölen ein. Und wieder sticht das Schlagzeug hervor – während in der Rockmusik meist die Gitarre das Sagen hat, sind es hier eindeutig die Drums, die den Ton angeben.

Der Vergleich mit Kraftklub kommt nicht von ungefähr. Besonders "Lehnen Im Licht" erinnert mit der fast gesprochenen Strophe bei etwa zwei Minuten stark an die Chemnitzer Band – nur dass Heisskalt deutlich roher, lauter und kompromissloser unterwegs sind. Der Song endet in einem regelrechten Inferno aus Screams und verzerrten Sounds.

Während sich die nächsten beiden Tracks in ähnlicher Manier weiter entfalten, schlägt "Dieses Gefühl" eine völlig andere Richtung ein. Kein Schlagzeug, keine schnellen Riffs, keine kratzigen Stimmen – stattdessen pure Emotion. Man wartet auf einen eruptiven Höhepunkt, einen dramatischen Wechsel in der Tonalität – doch er bleibt aus. Stattdessen hinterlässt der Song eine beklemmende Leere, die sich wie ein stiller Raum voller unaufgelöster Gefühle anfühlt.

"Dieses Gefühl" ist jedoch nur von kurzer Dauer. Die nächsten beiden Tracks sind so eng verwoben, dass sie sich fast wie ein einziger anfühlen. Man muss nicht genau hinhören, um zu erkennen, dass "Vom Schlimmsten" nahtlos in "Mit Worten Und Granaten" übergeht. Und der Titel ist Programm: Lautstärke, Wut, Krawall. Empfehlung für empfindliche Ohren: lieber leiser drehen. Empfehlung für alle anderen: Kopfhörer auf und Regler bis zum Anschlag.

Nach diesem Feuerwerk lassen Heisskalt das Album mit zwei ruhigeren Songs ausklingen, die den Fokus stärker auf die Texte legen. Doch auch hier bleibt es knifflig, die Bedeutung der Lyrics vollständig zu entschlüsseln. Metaphern, Vergleiche, Anaphern, Allegorien, Euphemismen – die Band hat tief in die Trickkiste der Rhetorik gegriffen. Und das mit Erfolg!

Trackliste

  1. 1. Alle Zeit
  2. 2. Vampire
  3. 3. Lehnen Im Licht
  4. 4. Wasser, Luft Und Licht
  5. 5. Sommer
  6. 6. Dieses Gefühl
  7. 7. Vom Schlimmsten
  8. 8. Mit Worten Und Granaten
  9. 9. Heim
  10. 10. Teilchen

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2 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor einem Tag

    -ey wie sollen wir uns nennen?
    -ich hab ne geile idee...heisskalt!
    -...wat?
    -verstehste, ist'n wortspiel, eiskalt, und eis reimt sich auf heiß...
    -...boah...brillant!
    -und lass das mit doppel-s statt ß schreiben!!
    -geilo!!!!

    • Vor einem Tag

      Der Bandname ist tatsächlich der größte Abturner an der ganzen Geschichte. Würde mich ja fast schon als Fan bezeichnen, aber jedes Mal wenn ich versuche jemandem die Band schmackhaft zu machen, macht’s der Name eher schwerer als leichter.

  • Vor einem Tag

    Waren schon vor der Bandpause ein musikalischer Sonderfall, den man nur mögen konnte: Postpunk, Indie, leicht kryptische Texte und immer nach vorne und auf die 12. Vom Tun und Lassen schließt nachtlos an die beiden im Duktus ähnlichen Alben davor an, Idylle war eher schwächer und belangloser. Von daher sehr zu begrüßen, dass sie wieder da sind und so sind wie sie sind.