laut.de-Kritik

Guten Abend, Spinner!

Review von

Mensch, Bosse! Da muss man ja im deutschen Poplexikon nachschauen, was du die letzten Jahre eigentlich so getrieben hast. Den Band "Be-Bu" aus dem Regal gewuchtet, und dort steht: Bosse (B.), Axel, genannt Aki, geb. 1980. Ewiges niedersächsisches Pop-Versprechen. Uneingelöst, s.a. -> Wir Sind Helden oder ->Virginia Jetzt! B. bog ab "Guten Morgen, Spinner" immer dort falsch ab, wo ->Locas In Love die richtige Ausfahrt nahmen. Befindet sich Stand 2023 in der -> künstlerischen Irrelevanz, deutlichstes Zeichen: Nahm 2018 einen Song mit -> Casper auf. Stetig steigender kommerzieller Erfolg bis "Alles Ist Jetzt". "Sunnyside" lief 2021 deutlich schlechter.

Hm, na ja, gar nicht mal so gut. Schade, denn "Frankfurt Oder" bleibt eines meiner Lieblingslieder. Vielleicht wirft "Übers Träumen" ja den Bock um! Für 2024 ist eine "große Hallen- und Open Air Tour" angekündigt. Will man ihm nicht übel auslegen, ich kann mich an ein Interview mit dem Sänger von vor etwa zehn Jahren erinnern, Deutschlandfunk im Autoradio, Autobahn zwischen Hamburg und Bremen, Bosse erzählt authentisch und nicht weinerlich, wie er trotz seines Erfolgs von der Musik kaum leben kann. Das muss ja auch nicht immer so sein.

Schwierig wird es, wenn Lieder wie "Ich Liebe Dich So" ins Spiel kommen, das ich wirklich jedem ans Herz legen möchte, um am lebenden Exemplar zu lernen, wie Refrains nicht gehen. Man fühlt förmlich, wie sehr Bosse sich selbst hasst für diesen Stuss. Der Braunschweiger spuckt immer noch One-Line-Stubs, nur fehlt ihnen im Gegensatz zu früheren Alben jede Emotionalität. Eine Kalenderspruch-Fließband-Produktion, das ist "Übers Träumen". "Ich Liebe Dich So" mit seinem geradezu lächerlichen Stumpfsinn würde selbst Helene Fischer nicht durchgehen lassen. Man kann sich kaum vorstellen, wie besoffen man sein müsste, um dieser simpelsten Stampferei zu folgen. Denn auch als Schlager funktioniert dieser Song keinesfalls, dafür ist er viel zu lieblos.

Mitgeschrieben und produziert hat Dennis Neuer, der schon den großartigen Fil Bo Riva schlechtproduzierte. "Ich Liebe Dich So" wird fast noch unterboten vom Kosakenfieberwahn "Ein Traum", das Bosse nicht ernsthaft so abgesegnet haben kann. Ich fühle jetzt schon mit ihm, wenn er live auf seiner Stadiontour zum ersten Mal kapiert, bei was er da mitmacht. Und das zum vierten Mal, denn seit "Engtanz" kommt nur noch Mist. Dabei hört man an der schönen, charakteristischen Stimme Bosses manchmal immer noch den Künstler durch, der sich qua Begabung auf der fürchterlichen Schmonzette "Bleib Bei Mir" oder auf dem gerade noch okayen Indie-Standard "All-Time Favourite" ihren Weg durch die Produktion bahnt. Das bleiben aber kleine flackernde Elemente in tiefster Dunkelheit: LEA ist natürlich limitiert, trotzdem dominiert sie "Nur Noch Ein Lied", und Bosse geht einfach weg aus seinem eigenen Lied, als würde er sich freuen, die Bürde endlich teilen zu dürfen.

Stellenweise ist "Übers Träumen" wie im billigen, lustig-peinlichen Mittelteil von "Ice Cream Universum" nicht nur abartig schlecht, sondern auch noch wirr. "Kreuzbergmädchen" soll wohl verträumt sein, ist aber einfach nur ein Tohuwabohu. Alligatoah versagt auf "Salzwasser" wie immer. Vollkommen künstlich ist neben einem Sommernarrativ noch etwas Flüchtlingsthematik untergebracht. Am Ende des Tages fehlt "Übers Träumen" Lust und Elan. "Fiebertraum" ist die billige Ausrede eines Lieds und genau wie die generischstmöglichen Pop-Schablonen "Schlaf Bei Mir Ein" und "Hanna" einfach nur faul.

Gerade ruhige, aber irgendwie epochal wirkende Lieder wie "Fiebertraum" oder "Royales Morgenblau" sind der neue Bosse-Standard, denn da bringt man die bis auf wenige Ausnahmen maximal drei Minuten rum, und kann bedeutungsschwanger säuseln, ohne sich zu viel Gedanken machen zu müssen. Dazu passend kann Düzen Tekkal was Deepes über die Lage der Nation auf "Ich Tagträume" sagen, zum Abschluss säuselt Bosse noch etwas uninspiriert vor sich hin. 17 Uhr, Album eingespielt, wieder was erledigt, Schulterklopfen vom Management. In zwei, drei Jahren dasselbe nochmal.

Trackliste

  1. 1. Bleib Bei Mir
  2. 2. All-time Favourite
  3. 3. Ein Traum
  4. 4. Ich Liebe Dich So
  5. 5. Loslassen Lernen
  6. 6. Kreuzbergmädchen
  7. 7. Ice-Cream Universum
  8. 8. Salzwasser feat. Alligatoah
  9. 9. Fiebertraum
  10. 10. Hanna
  11. 11. Nur Noch Ein Lied feat. Lea
  12. 12. Royales Morgenblau
  13. 13. Schlaf Bei Mir Ein
  14. 14. Ich Tagträume feat. Düzen Tekkal

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