26. März 2025

"Ich bin zu alt für Underground"

Interview geführt von

In einem cosy Musikzimmer in Berlin-Mitte treffen wir Stefan Kozalla aka DJ Koze zum Gespräch. Starker Kaffee wird gereicht und man sitzt mit einem sehr entspannten Musiker, Labelbesitzer und Produzenten zusammen.

DJ Koze veröffentlicht am 4. April nach sieben Jahren sein neues Album "Music Can Hear Us". Darauf wimmelt es nur so von Gästen und Damon Albarn ist dabei wahrscheinlich die größte Überraschung. Doch Koze ist auch ohne eigene Produktionen nicht untätig. Der Mann ist viel unterwegs, spielt in diesem Sommer wieder auf einigen Festivals (u.a. Maifeld Derby, Primavera Sound). Für Roisin Murphy produzierte er vor zwei Jahren das Album "Hit Parade". Über "Tausend Tränen Tief" und die Kölner Clubmusik damals in den 1990ern sprechen wir natürlich auch. Der 53-Jährige hat an diesem Tag schon einige Interviews hinter sich gebracht. Dann sind wir dran. Ach, und: "Bitte keine Fragen über seine Ex-Band!"

Herzlichen Glückwunsch zu deinem neuen Album. Und zum Song mit Damon Albarn. Ich muss natürlich auf ihn zu sprechen kommen, obwohl das wahrscheinlich schon alle vor mir gemacht haben. Eine Sache hat mich zu Beginn etwas irritiert, als ich "Pure Love" zum ersten Mal hörte ...

DJ Koze: Autotune.

Genau. Wurde das schon angeprangert?

Nicht im Interview-Kontext jetzt, aber im Freundeskreis und in den Kommentaren bei YouTube war das ein Thema. Meine Antwort ist, dass Damon das selbst so wollte. Er spielte an dem Nachmittag mit dem Autotune-Effekt rum, da ist auch noch Vocoder und Megafon dabei. Und die Frage ist ja, so wie du es wohl auch meinst: Warum sollte die schönste Stimme der Musikgeschichte Autotune haben?

Die Idee dahinter ist, dass es hunderte Stücke mit ihm und seiner unverstellten Stimme gibt und eben nur einen Song mit Autotune, das ist doch vielleicht auch mal ganz schön. Nicht immer nur den Effekt Capital Bra und Co. überlassen. Ich finde, dass das auch was ganz Besonderes hat, weil Damons Stimme dadurch so komisch brüchig ist, es hat dieses Wegknacksende, als ob irgendetwas mit dem Mikro nicht stimmt.

Stimmt, wenn man das Stück mehrmals hört, gewöhnt man sich auch dran.

Genau und man hört ihn durch diesen Filter. Autotune ist ja wie ein Insta-Filter, es macht alles so weich und dann klingt es irgendwie modern und ist so eine Mischung aus Pop und Trap. Am Anfang war ich auch irritiert und dachte: Ach Scheiße, ich lieb doch deine Stimme. Aber dann dachte ich: Vielleicht ist es jetzt auch mal genau das. Damit wird es entkitscht. Ich finde es gut so.

Interessant zu hören, dass die Idee von ihm kam.

Ich hätte mich das auch nicht getraut.

Du hast auch den Remix zu Blumfelds "Tausend Tränen Tief" gemacht und Jochen Distelmeyer hat meiner Meinung nach auch eine wunderschöne Stimme.

Vor allem auf dem Stück.

Die dort aber auch mit Effekten bearbeitet ist.

Das Stück fanden wir damals so geil, es war die Hochzeit der Clubmusik für Kompakt. "Tausend Tränen Tief" ist 100 bpm und das Steve-Bug-Stück hat 120 bpm. Ich habe Blumfeld einfach auf 45 abgespielt und es live übereinandergelegt. Die beiden Lieder haben sich wie so ein Bootleg umschmeichelt und ergaben eine Einheit.

Das musstest du dir vorher wahrscheinlich von ihm absegnen lassen.

Ja, klar. Das Stück war der Club-Hit. Die Leute haben es gefeiert und sich gefreut: Danke, dass wir das Blumfeld-Stück in dieser Form heute Abend hier hören können. Und wir hören es trotzdem durch, auch wenn es jetzt vermickeymoused ist. Die Seele des Songs bleibt trotzdem im Club, auch mit Bassdrum und gepitchter Stimme. Jochen hat dann, glaube ich, sogar gesagt, dass wir diese Version veröffentlichen sollen. Dann habe ich das zu Hause noch mal aufgenommen, obwohl ich sowas eigentlich immer nur live im Club mache. Das hätte ich mich auch nicht getraut. Ich bin da immer respektvoll. Manchmal lieben die Künstler es und das wundert einen. Die Sänger sind selbst oft unsicher mit ihrer eigenen Stimme.

Vocoder oder ähnliche Effekte werden auch oft benutzt, wenn jemand gar nicht singen kann. Der Klassiker ist wohl Cher mit "Believe", obwohl sie eine gute Stimme hat oder hatte.

Das sind dann Stilmittel. Der Cher-Track war das Ikonischste, der Beginn von Autotune-Stücken. Es war der What-the-Fuck-Moment: Was ist das denn? Aber irgendwie auch geil, überzeugend. Maschinen, roboterhaft - das war ein Flash, als es rauskam. Dann noch Daft Punk und so. Irgendwann war es einfach ein Filter und jeder konnte in seinem Homestudio ein bisschen klingen wie Travis Scott. Ich hatte eine klare Aversion gegen Autotune, aber dann habe ich meinen Frieden damit gemacht, weil ich dachte: Ich verstehe das irgendwie, dass es so weit weg, dass es nicht so persönlich klingen soll. Das ist auch eine Idee.

Man muss sich drauf einlassen können. Jetzt mag ich den Song mit Damon auch ganz gerne. Und sag mal, ihr habt euch wirklich im Urlaub getroffen?

Ich habe 2018 schon mal einen Remix für Gorillaz gemacht ("Humility"). Ich wollte dafür nichts haben, sagte ihm aber, dass ich mich freuen würde, wenn er irgendwann mal auf einem Stück von mir singt. Ja und dann haben wir uns zufällig in Peru getroffen, da war er mit ein paar Musikern. Aber die eigentlich tolle Begegnung gab es backstage auf dem Coachella Festival 2022. Er war Sidekick von Billie Eilish und hat mit ihr einen Song performt ("Getting Older", Anm. d. Red.). Da war er auch noch mit seinem Projekt Africa Express - kann das sein? Wir haben eine Stunde in meinem Trailer geredet, diese Wägen, in denen man sich umzieht und aufhält. Das war sehr schön, das werde ich nie vergessen. Das ist ein totaler Hero, finde ich. Einfach so ein geiler Typ, wie man ihn sich vorstellt.

Das kann ich mir sehr gut vorstellen.

Mein Tourmanager Patric hat ihn nicht erkannt, weil er so eine Gucci-Schirmmütze aufhatte. Er dachte, das sei ein deutscher Hip Hopper. Ich habe original zu Damon gesagt: Komm lass uns jetzt den Champagner trinken. Dort gab es nur so Plastikbecher, aber das war gar kein Problem. Er ist einfach nur super.

Ich habe meine Liebe zu Damon beim letzten Blur-Album wiederentdeckt.

Dieser eine Song, in dem er über die Trennung zu seiner Frau singt, "Barbaric" ... Es ist nicht einfach, Rockmusik mit Würde zu machen, so als älterer Typ mit Gitarren. Alles an Rock ist alt und man hat nur eine begrenzte Palette an Möglichkeiten, wenn man nicht so experimentell abgeht wie Radiohead. In unserem 2025-Brain denkst du: Ja, das ist genau richtig, aber ich glaube, die denken noch nicht mal so doll darüber nach. Damon macht so viel Musik, das stimmt einfach. Sein Gefühl für die Welt.

Er kann auch nichts anderes machen. Er produziert so viele Songs, für sich und für andere und ist ja auch ständig unterwegs.

Die ganze Zeit. Ich habe das ja auch mitbekommen. Beim Suchen nach einem Termin für unseren Track meinte er zu mir im März: "Ja, am 24. Mai." Vorher ist er in Paris an der Oper mit afrikanischen Musikern, dann sind Blur-Proben im Wembley, dann noch Proben mit Gorillaz. Gleichzeitig dann aber auch so komischer Kleinkram, der macht halt immer irgendwas. Er muss nicht big sein mit Taylor Swift oder so. Wenn ihm was gefällt, dann macht er es. Er ist auch mega unkompliziert.

Mir scheint, du bist auch ganz entspannt und unkompliziert im Umgang mit deinen Gastmusiker:innen. Vor allem bringst du die unterschiedlichsten Künstler zusammen, wie aktuell beim Stück "Wie schön du bist" mit The Düsseldorf Düsterboys und Arnim Teutoburg-Weiß von den Beatsteaks. Es ist eine Hommage an Holger Biege, von dem ich vorher nie gehört hatte.

Du weißt aber jetzt, wer er ist?

Ja, ein Soul-Sänger aus der DDR. Hat auch richtig gute Songs gemacht. Wie bringt man Arnim dazu, schön leise zu singen? Ich finde, das passt ziemlich gut zu ihm. Ich bin ein großer Fan von seinem Solostück "Belohne Dich Mit Mir".

Ich bin ein großer Arnim-Fan und hierbei war die Task ja wirklich dieses Sample von Holger Biege aus dem Jahr 1978, leicht hoch gepitcht wie bei Kanye West. Die Amis bedienen sich auch in ihrer Soul-Historie und pitchen das respektlos hoch, sind dabei aber trotzdem voller Liebe und gehen so ins Herz. Jetzt schöpfen wir mal aus unserem ostdeutschen Soul, aber mit vollem Bewusstsein, Ernsthaftigkeit und Liebe. Die Frage war: Wie bekommen wir die neu aufgenommenen Stimmen in ein homogenes Klangbild? Das ist nicht so einfach. Und ein frei assoziativer Text, der sich um das Sample dreht, ist superschwer auf Deutsch.

Die Düsseldorf Düsterboys haben dann die Kuh vom Eis geholt. Ich habe sie gefragt, wieso das so gut im Mix sitzt, genau richtig. Dann meinten die: "Wir haben das in unseren Laptop reingesungen und uns einen Kopfhörer zu zweit geteilt." Ich meinte nur: Das bleibt so, denn normalerweise nimmt man sowas dann noch mal auf. An der Stelle muss man auch mal ehrlich sagen: Wir krampfen uns hier monatelang einen ab, um mit Arnim die richtigen Textzeilen zu finden, und die singen einfach eine halbe Stunde ins Laptop rein und es passt perfekt. Aber so ist Musik manchmal. Sachen passieren ganz schnell oder es dauert ewig.

"Wenn ich mit meinen Helden etwas mache, ist das fast wie die Erfüllung eines Traums"

Die Düsterboys liebe ich auch sehr. Kanntest du Holger Biege schon vorher?

Da ich ein großer Manfred-Krug-Fan bin, meinte Arnim: Check mal Holger Biege. Das ist so der eher unbekannte Manfred Krug gewesen, hat aber ganz tolle Lieder gemacht. Seine Geschichte ist eher tragisch. Biege hat schlechte Erfahrungen mit dem Westen gemacht. So treuhandmäßig, wie die Heuschrecken ihm die Seele aus dem Leib rippen. Mit Annette Humpe gab es ein Gerichtsverfahren, weil die einfach eine Melodie von ihm benutzt hat. Es gab auch noch was mit Xavier Naidoo, der auch Interesse hatte, aber dann irgendwie verschwunden ist.

Seine Witwe Cordi hatte jedenfalls gar keinen Bock drauf, dass wir jetzt auch noch an seine Lieder gehen. Arnim hat sich mit ihr getroffen und ihr vermittelt, dass wir es ernst meinen, dass wir ihren Mann lieben und es eine Hommage an ihn werden soll. Arnims Vater stand sogar mal mit Holger zusammen auf der Bühne. Sie hat dann verstanden, dass wir keine Hip Hopper aus dem Westen sind, die im Werk ihres verstorbenen Mannes rumschnibbeln. Wir haben ihr die Platte geschickt und sie mag den Song jetzt ganz gerne. Das war alles fragil.

Das habt ihr aber gut gelöst.

Total. Irgendwie waren viele Lieder ganz fragil. Also einiges stand auf der Kippe.

Du meinst jetzt auf deinem neuen Album? Obwohl da auch viele dabei sind, mit denen du schon gearbeitet hast.

Ja.

Ich kann mir schon vorstellen, dass das oft eine sensible Angelegenheit ist.

Für mich ist es immer wie so ein kleines Wunder, wenn alles auf einer Platte sein kann und darf.

Das ist dann sicherlich auch ein langer Prozess. An dem Stück mit den Düsterboys habt ihr doch schon während der Pandemie gearbeitet.

Manche Stücke sind in einer Nacht, in drei, vier Stunden entstanden und manche ziehen sich über Jahre. Seit der letzten Platte ("Knock Knock") mache ich kontinuierlich Musik und die Roisin-Murphy-Platte ("Hit Parade") gab es ja auch noch.

Die war auch noch ein kleiner Hit nebenbei.

Ich weiß immer gar nicht, was ein Hit ist. Ist nicht Taylor Swift immer ein Hit?

Nee, bei der hatte ich noch nie ein Hitgefühl. Die Songs bleiben gar nicht hängen. Ich könnte dir jetzt keinen Taylor-Swift-Song ansingen, aber "CooCool" schon. Oder "Wie Schön Du Bist", das bekomme ich manchmal stundenlang nicht aus dem Kopf. Das ist für mich ein Hit.

Taylor Swift bleibt bei mir auch nicht hängen.

Da kann ich mich schon mehr mit Roisin anfreunden. Ich schätze, eine Zusammenarbeit mit ihr macht ziemlich Spaß.

(schweigt und grinst)

Da fällt mir ein, dass Adele mal gesagt hat, dass sie nie wieder mit Damon Albarn zusammenarbeiten würde.

Ach, das finde ich jetzt interessant. Warum?

Das weiß ich leider nicht mehr. (hier kann man es nachlesen, Anm. der Redaktion)

Trotzdem macht es doch Spaß, mit anderen Künstlern zusammen zu arbeiten, oder?

Na ja, das sind ja immer Helden für mich, etwa José González beim letzten Mal oder Kurt Wagner von Lambchop. Das sind Helden aus meiner Jugend oder meiner ganzen musikalischen Sozialisierung. Wenn ich etwas mit denen zusammen machen kann, freut mich das total. Fast wie so eine Erfüllung eines Traums. Und die anderen Gäste, das sind oft Freunde, wie Sophia Kennedy oder Ada. Das sind Menschen, mit denen ich mich sehr viel austausche und dann machen wir auch noch zufällig Musik.

Wenn man eigene Helden trifft, wird man vielleicht auch mal enttäuscht.

Da könntest du recht haben.

Bist du denn noch aktiver Fan? Auf welchem Konzert warst du zuletzt?

Wo du das jetzt sagst: Ich bin großer FiL-Fan. (Patric kommt rein: "Noch fünf Minuten.")

Du meinst den Comiczeichner Philip Tägert?

Genau. Von ihm und seinem Stand-Up-Programm bin ich richtiger Fan. Der spielt bestimmt 30 Mal in Berlin.

Gefühlt, ja. Ich habe ihn letztes Jahr noch gesehen. Der ist sehr lustig.

"Ich kaufe nicht mehr viel Vinyl"

Was hast du noch für Fragen? Wir machen jetzt Quick-Check.

Wo hast du zuletzt aufgelegt?

Ich glaube, in München und London.

Wann hast du zuletzt mit Vinyl aufgelegt?

Vor 200 Jahren.

Kaufst du noch Vinyl?

Manchmal, aber dann eher sowas wie Nina Simone oder eine Re-Issue der Beach Boys. Das ist dann so ein Gefühl, dass mein inneres Kind einen Schokoladenriegel aus Vinyl bekommen muss. Aber eigentlich kaufe ich nicht mehr so viele Platten.

Auch keine Platten von Karaoke Kalk?

Ist nicht eine neue Platte von Donna Regina rausgekommen?

Die kommt bald.

Aber stark von mir, dass ich das weiß.

Du legst nur noch in großen Hallen auf. Kleinere Clubs kommen gar nicht mehr in Frage, oder?

Ich bin zu alt für Underground.

Apropos Alter: Wie lange hält man dieses Touren und Auflegen eigentlich aus? Blur waren ja letztes Jahr auch viel unterwegs. Ich bin schon nach zwei Stunden Konzert als Zuschauer vor der Bühne fix und fertig.

Ich auch und ich verstehe es auch nicht. Ich finde alles anstrengend daran, aber vielleicht müsste ich nur mein Mindset ändern.

Wie machst du das denn, wenn du bei so einem Festival vor tausenden Menschen stehst? Gibt es da ein Ritual? Meditierst du?

Ich meditiere mit Tequila.

Darf ich zum Schluss noch eine Fischmob-Frage stellen?

Nein.

Die ist auch nicht von mir. Darum hat mich die Redaktion gebeten.

Bitte nicht. Ich finde es furchtbar.

Finde ich auch. Warum muss man immer die alten Kamellen rausholen?

Okay, sag mal.

Wir posten zum Jahrestag auf Facebook immer die Meilenstein-Review "Männer können seine Gefühle nicht zeigen". In den Kommentaren beschweren sich dann immer Leute, dass es keinen LP-Repress gibt. Bei Ebay zahlt man wohl schon 150 Euro dafür. Kommt da vielleicht doch noch mal was?

Das macht mich ganz traurig, die Idee, da irgendwas zu machen.

Verstehe ich. Die Platte war super und Punkt, oder?

Ja.

Eine habe ich noch. Was war deine erste Liebe?

Spinat mit Fischstäbchen.

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