laut.de-Kritik

Bushidos Albtraum.

Review von

Der Plot fällt gleich mit der Tür ins Haus. Nicht sonderlich subtil posieren sie auf dem Cover innig umschlungen zum sozialistischen Bruderkuss. "Biedermann & Brandstifter" verspricht quasi Bushidos Albtraum in gleich mehrfacher Hinsicht zu werden. Zu Sicherheit setzen Conny und Elmäx eine düster elektronische "Triggerwarnung" an den Anfang. Denn die beiden Rapper servieren mit Songs über "legal gewählte Demagogen" oder das Schicksal von Geflüchteten schwere Kost, die sie zwar ruhig, aber mit pessimistischem Grundton darbieten: "Friedliche Lösungen sind nicht mehr zu erwarten."

In Max Frisch' Drama "Biedermann und die Brandstifter" lädt Gottlieb Biedermann die Missetäter freiheraus in sein Heim ein. Obwohl sie ihre destruktiven Pläne ganz offen darlegen, schenkt er ihnen bis zum Eintritt der Katastrophe keinen Glauben. In "Triggerwarnung" überträgt Der Plot die Grundidee in auf die aktuellen Verhältnisse. Zunächst werden rechte Protestgruppierungen verharmlost oder ihre Relevanz in Frage gestellt, um im Hinblick auf die Sitzverteilung im Bundestag plötzlich für eine große Überraschung zu sorgen: "Wir hielten 94 Sitze für Ufos aus dem All."

"Das Haus brennt und wir stehen davor." Die Leugnung des Offensichtlichen durchzieht auch "Niemand Hat Die Absicht". Walter Ulbricht bestritt noch "eine Mauer zu errichten", heute zweifeln besorgte Bürger die zersetzenden Motive der Rechten an, während die Flammen bereits um sich greifen. Zum sich anschleichenden Trap-Gerüst ziehen die Fackelträger unbehelligt durch die Gesellschaft: "Anstatt uns zu verstecken, drehen wir tanzend Pirouetten. Wir versuchen anzuecken, aber keiner nimmt uns wahr. Wenn jemand nach uns fragt, heißt es: Wir sind gar nicht da."

Immer wieder sucht Der Plot das Extreme im kreuzbraven Bürgertum. "Ein Fundamentalist hat ein' Turban auf", besagt das Klischee über "Fundamentalisten". Die Experten der Nachrichtendienste müssen indessen ein genaueres Auge für drohende Gefahren besitzen: "Ist auch egal, du arbeitest ja nicht für den Verfassungsschutz. Du musst nicht erkennen, wen man besser schnell verhaften muss." Spätestens seit Hans-Georg Maaßen dürfte den meisten bewusst sein, dass dort nicht nur neutrale Beobachter ihre Arbeit verrichten: "Fundamentalisten arbeiten in Deutschland für den Staat."

Ihren ernsten Anliegen ordnen Conny und Elmäx das Musikalische unter. Nur punktuell weichen sie minimal von ihrem schnörkellosen Vortrag ab. "Libero" und "Mama Porzellan" erlauben sich einen leicht poppigen Einschlag mit einer Hook im Stile der Antilopen Gang. Inhaltlich fehlt natürlich die Leichtigkeit, wenn sie sich in "Mama Porzellan" dem Bevölkerungsanteil annehmen, der fehlende Meinungsfreiheit bemängelt, aber letztlich doch nur Widerspruchsfreiheit einfordert: "Alle paar Meter rollen sie Fettnäpfchen aus. Die meisten Dinge, die ich denke, sprech' ich nicht mehr aus."

Doch Der Plot nimmt auch das liberale Milieu ins Visier. In herrlicher Selbstgefälligkeit nimmt sich "Frische Avocados" des Mantras an, wonach der Kunde immer Recht habe. "Hauptsache, ihr habt Spaß", fordert der Veranstalter des "Alles-wird-besser-Festival", während sich die Müllberge anhäufen. "Casey Affleck" skizziert unterdessen das mitunter fehlende Reflexionsvermögen, das im Zuge der MeToo-Debatte allzu oft in einer Täter-Opfer-Umkehr mündet: "Wie kann's sein, dass wir jede Grenze überschreiten und uns trotzdem noch als Gentleman begreifen?"

"Demokratie ist ein Scheißjob", fasst Der Plot im abschließenden "Da Warten" den vorangestellten Kampf gegen die Biedermänner und Brandstifter zusammen. Wie strapaziös und frustrierend all die Debatten ausfallen können, wissen Conny und Elmäx ganz genau: "Da warten Machtkampf und Verschwörungstheorien. Da wartet lange kämpfen, um dann doch den Kürzeren zu ziehen." Aber die Einmischung lohnt sich und liegt letztlich in der Verantwortung jedes Einzelnen: "Wenn ich jetzt nichts sage, bin ich selber schuld. Wenn ich jetzt nichts tue, bin ich selber schuld."

Trackliste

  1. 1. Triggerwarnung
  2. 2. Libero
  3. 3. Niemand Hat Die Absicht
  4. 4. Fundamentalisten
  5. 5. Am Ende Gewinnen Die Deutschen
  6. 6. Frische Avocados
  7. 7. Mama Porzellan
  8. 8. Leuchten
  9. 9. Casey Affleck
  10. 10. Ich Habe Fragen
  11. 11. Da Warten

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2 Kommentare mit 4 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Ja cool, da haben die Antilopen Gang, Zugezogen Maskulin und jetzt auch Der Plot dieses Jahr im Prinzip dreimal das gleiche Album veröffentlicht. /polemik

    Um es zuzuspitzen, wenn man als eher links bis zentriert politisch gesinnter Mensch mal erfahren will, was diese Rechten eigentlich mit "Gutmenschlichkeit" meinen, eignet sich dieses Album sehr gut.
    Das Problem ist dabei gar nicht mal der Inhalt oder die Themen, Gott bewahre, da muss man drüber sprechen... nur lernt man irgendwie beim Hören nicht viel mehr, als man schon vorher wusste: Die Rechten sind alle böse dumme Menschen, wir sind alles Heuchler (s. Frische Avocados), Toxic Masculinity ist superböse (s. Casey Affleck), hihi Fußball ist dumm und betont nur die Herrschsucht der Deutschen etc. pp. Und bei "Niemand hat die Absicht" kann man, wenn man ganz böse sein will, die erste Strophe auch aus der Sicht eines Ausländers interpretieren.

    Das Cover, was bereits schon früher von (ausgerechnet) Bass Sultan Hengzt mal gemacht wurde, provoziert auch weniger als es sollte. Bei Hengzt war es, wegen seiner Fanbase, tatsächlich eine wirklich mutige Sache. Der Plot selber suhlt sich da aber in einer Fake-Edgyness.

    Positiv anzumerken sind aber Dinge wie Flow, Stimme und Beats. Da hatten die Jungs schon immer ein großes Talent für und wahrscheinlich auch deshalb den Namen, den sie heutzutage haben.

  • Vor 4 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.