laut.de-Kritik

Ein Rundum-Eklektizismus mit Ideen für zehn.

Review von

"Sag' mir mal schnell ein, zwei Eindrücke vom neuen Album", quengelt der Kollege. Dabei sollte er es nach drei voran gegangenen Longplayern längst wissen: Mit "ein, zwei Eindrücken" kommt man Fat Freddy's Drop gewiss nicht weit.

Gerade einmal neun Stücke umfasst die Tracklist von "Bays". Die Fülle musikalischer Ideen, die die Neuseeländer darin unterbringen, korrespondiert mit dieser Kürze allerdings null. Nicht, dass einen das angesichts von Studioalbum Nummer vier noch wirklich überrascht, aber: Mit den Einfällen, die Fat Freddy's Drop auch diesmal wieder für jedes einzelne Stück verbraten, bestreiten andere mindestens ihre halbe Diskografie.

Zurecht geloopte Sprachfetzen pirschen aus der Ferne heran und lassen sich, kaum in greifbare Nähe gerückt, von Bläsern ablösen. In das frisch aufgeschüttelte Rhythmusbett schmiegt sich Joe Dukies weicher, unaufgeregter, dennoch ungeheuer charakteristischer, ausdrucksstarker Gesang und vervollständigt ein pluckerndes, pulsierendes, irisierendes Stück Funk. Das einzige, das noch zum Rundum-Eklektizismus fehlt, trägt die Nummer im Titel: "Wairunga Blues".

In "Slings & Arrows" brauchen Fat Freddy's Drop nur einen Wimpernschlag, um von befremdlich oldschooligen Computerspielsounds zum entspannt zurückgelehnten Reggae-Groove zu wechseln, den Bass und Bläser im Schlepptau führen und in dessen Fahrwasser Dub-Effekte an die Oberfläche blubbern. Backgroundgesang flankiert und akzentuiert die Lead-Vocals, die zugleich distanziert und ungeheuer umgarnend anmuten.

In "Wheels" verbinden Fat Freddy's Drop in hypnotischen Wiederholungen den allem zugrunde liegenden Dub-Vibe mit Elektro- und House-Elementen. In "Razor" treffen die Synthies auf einen Bass, der so auch direkt aus einem Nirvana-Track schrappen könnte. Der Gesang bringt die Nummer auf Kurs. Über Umwege via fiepend grellen Tönen und 70er-Jahre-Psychedelik landet das Stück am Ende wieder genau da, wo es begonnen hat.

Der Percussion und den Gitarren von "Makkan" bringen Bläser den Jazz. "Fish In The Sea" schüttelt Afro-Funk ordentlich durch. "Novak" wirkte mit seinem breitbeinig daher schlendernden Gebaren, der angeschickerten Flötenmelodie und seinen Bläsern bei einem Begräbniszug durch New Orleans nicht fehl am Platz.

Scheinbare Gegensätze überwinden Fat Freddy's Drop ohne erkennbare Mühe. In "10 Feet Tall" lassen sie im Nachhall des schwelgerischen Auftakts leichtfüßige Melodien zwitschern. Dem zunehmend dicker pumpenden Dubreggae-Fundament stellen sie präsente Stimmen gegenüber. Die zunächst federführenden Bläser treten zur Seite, überlassen das Ruder dem Bass.

All das geschieht mit solcher Ruhe und Selbstverständlichkeit, dass man sich oft in ganz anderer Umgebung wiederfindet, ohne genau rekapitulieren zu können, wie zum Teufel man da eigentlich hingekommen ist. Entwicklungen vollziehen sich nie abrupt, sondern ganz allmählich. Stillstand gibts nicht, deswegen langweilen die Nummern selbst dann nicht, wenn sie in die Länge ausufern.

Die vielen Details halten bei der Stange, ein Großteil derer verbirgt sich allerdings in den Zwischenebenen. Um die verborgene Komplexität der Arrangements zu erfassen, braucht es einen zweiten und dritten Blick. Trotz allem wirken die Kompositionen weder verkopft noch konstruiert. Dafür gehen die Herren an den Instrumenten mit viel zu viel Musikalität und Spielfreude zu Werke.

Zudem präsentieren sich die Neuseeländer inzwischen wirklich glänzend aufeinander eingegroovt. Die Routine, mit denen die Beteiligten einander in die Hände arbeiten, erinnert an das Auftreten der Budos Band: Auch bei denen fügen sich Einzelteile, die scheinbar nichts miteinander zu schaffen haben, zusammen, als sei nie etwas anderes vorgesehen gewesen.

Trackliste

  1. 1. Wairunga Blues
  2. 2. Slings & Arrows
  3. 3. 10 Feet Tall
  4. 4. Wheels
  5. 5. Razor
  6. 6. Makkan
  7. 7. Fish In The Sea
  8. 8. Cortina Motors
  9. 9. Novak

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