laut.de-Kritik

Praller Gabentisch für Fans antiker Singer-Songwriter.

Review von

Gerade mal ein Jahr nach der Veröffentlichung seines letzten Meisterwerks "Pure Comedy" kommt Joshua Tillman alias Father John Misty schon wieder mit einem neuen Studioalbum um die Ecke. Müsste man nach einem Paket wie "Pure Comedy" nicht erst einmal kräftig durchatmen und ein paar Jährchen ins Land ziehen lassen, um all die lyrisch und musikalisch immer noch glänzende Arbeit richtig zu verarbeiten? Scheinbar nicht.

Mister Tillman drückt im sechsten Father John Misty-Jahr lieber aufs Gaspedal, anstatt auf die Bremse. Und zwar ohne auch nur einen Hauch an Qualität oder Authentizität einzubüßen. Abermals vor den Toren des Songwriter-Olymps predigend, dürstet es den Sänger nach Antworten. "People, what's the deal? You've been hurt and I've been hurt / But what do we do now?", fragt Joshua zum Abschied in die Runde ("We're Only People"). Stellvertretend für das vorangegangene Frage-und-Antwort-Spiel bringt es Joshua kurz vor dem letzten Beckenschlag treffend auf den Punkt.

Die Liebe ist ein großes Rätsel. Knapp vierzig Minuten lang dreht sich alles um große Gefühle, den eigenen Platz innerhalb einer Beziehung und stets in die Extreme driftende emotionale Achterbahnfahrten. Father John Misty gräbt im Sommer 2018 aber noch etwas tiefer. Unter der Oberfläche pulsiert das Herz eines einsamen Liebesuchenden, der die Hoffnung auf bessere Tage nicht aufgeben will.

Gewohnt zynisch und mit subtilem Humor gespickt legen sich die Lyrics über ein musikalisches Gerüst, mit dem man in den Siebzigern noch Millionen scheffeln konnte. Die trockenen Drums, das obligatorische Spalier-Duell zwischen Gitarre und Piano und die bisweilen verschnörkelte Melodieführung: Father John Mistys Gabentisch für Anhänger antiker Singer/Songwriter-Glanztaten zieht wieder einmal alle Jünger in seinen Bann.

Um Einiges reduzierter als noch vor einem Jahr spannt er einen dicken roten Faden zwischen aufkeimendem Elan ("Mr. Tillmann", "Date Night") und im Midtempo-Bereich verankerter Schwermut ("Hangout At The Gallows", "Please Don't Die"). Vielleicht gibt es da draußen einige Nörgler, die den musikalischen Wahnwitz des Vorgängers vermissen. Aber am Ende zählt das große Ganze. Und das hat trotz einiger Einbußen im Entertainment-Bereich immer noch mehr zu bieten als die meisten ähnlich gestrickten Genre-Produktionen der Neuzeit.

Trackliste

  1. 1. Hangout At The Gallows
  2. 2. Mr. Tillman
  3. 3. Just Dumb Enough To Cry
  4. 4. Date Night
  5. 5. Please Don't Die
  6. 6. The Pallace
  7. 7. Disappointing Diamonds Are The Rarest Of Them All
  8. 8. God's Favorite Customer
  9. 9. The Songwriter
  10. 10. We're Only People

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