laut.de-Kritik
Intensives Manifest der Düsternis.
Review von Philipp KauseGhalia Volt kann sich es nicht leisten zu sterben: "Can't Afford To Die". Frei nach dem Motto 'Alles im Leben hat seinen Preis, und der Tod kostet das Leben'. Im persönlichen Kontakt zeigt sich die Belgierin mit Wahlheimat Memphis so düster, verschlossen-lakonisch wie in ihrer introspektiven Musik. Auf "Shout Sister Shout" sticht mal der ein oder andere spitze Schrei aus ihrem rauchigen Vortrag heraus. Ab und an grätscht die Stimme an reinen Tönen scharf vorbei ins Kratzige. Besagtes "Can't Afford To Die" schrammelt in einem eigenwilligen Jingle-Jangle Gitarrenstil, den sie 'Pinching' nennt, und die Sängerin scheint einen perspektivlosen Junkie zu mimen.
"Shout Sister Shout" reiht sich nahtlos in die Diskographie des Rauen und Erdigen ein, für das die 31-Jährige schon lange steht. Als "One Woman Band" zupfte sie die Lead Guitar, während sie mit den Füßen Basstrommel spielte. Die geborene Vaultier ist eine wirkliche 'Volt'-Frau, eine Starkstrom-Performerin durch und durch. Minimale Ton-Verschiebungen reichen ihr, um Veränderungen zu vertonen, "Changes", die sie durchbuchstabiert, "Sii Äitsch Äy" usw., bis eines ihrer vielen seltenen Gitarrenmodelle aufheult. So schneidend, so leidend wie bei Hendrix.
Ghalias Radius ist die Welt aus Melancholie und zerplatzenden Illusionen, sie komponiert und jammt eine stringente Verpackung von Brüchen. Mit fiesen Themen wie Schlaflosigkeit wegen Husten, innere Unruhe und Liebeskummer ("Insomnia"), ungestillte Bedürfnisse, Resignation ("Can't Have It All") und gescheiterte Glückssuche ohne einen 'Mojo', einen Glücksbringer, im betörenden "No Happy Home", das so stoisch wie JJ Cale, so trocken wie Fogerty und CCR, so durchdringend elektrisch wie ZZ Top gniedelt.
Vor 30 Jahren, Ghalia krabbelt in einer Wohnung in Brüssel und lernt gerade die ersten Wörter brabbeln, da gründet ein gewisser David Catching ein Studio in der Wüste Joshua Tree. 1998 nimmt eine gewisse Band namens Queens Of The Stone Age dort ihr Debüt auf, David trommelt auf einem Stück, und der Sound klingt original richtig fett nach Wüste. In dieses Rancho de la Luna-Studio zog es auch Volt, nachdem sich die Virtuosin an Dobro und viersaitiger Cigarbox-Gitarre schon so manchen US-Traum erfüllt hat: Ob Chicago oder New Orleans - wenn ein Blues-Mekka sie faszinierte, dann bewerkstelligte sie es, sich dort vor Ort blicken zu lassen. Das Album ließ sie nun von Meister Catching produzieren.
Atmosphärischer Acoustic Desert Rock vom Feinsten samt Gitarrengewitter findet sich neben "Insomnia" dann im Titelsong "Shout Sister Shout". Das zugehörige Video zeigt eine Frau, die ihren Typen daheim raus wirft, eine, die eine Waschmaschine kaputt tritt und hämmert, und ein Mädchen in Pippi Langstrumpf-Optik, das schnaubend aus dem Unterricht heraus stapft und gegen überkommene Hausfrauen-Rollenbilder ihres antiquierten Lehrers protestiert.
Vielerorts macht sich eine ebenfalls kalifornisch, aber nicht nach Joshua Tree, sondern nach Küste klingende Orgel breit, frei nach dem Flower Power-Summer of '67 und den Doors. Schon der Album-Opener "Every Cloud" bietet da bei 2 Minuten 22 ein markantes und wuchtiges Nostalgie-Solo von Ben Alleman, Keyboarder aus L.A. Diese tolle, schwitzige Nummer eiert in zittrigem Rhythmus, heiser gekräht. Hört man nicht alle Tage, hat mit dem normierten Bluesrock unserer Zeit rein gar nichts zu tun. Insgesamt macht die erste Album-Hälfte um Volts Kerngeschäft einen Bogen und zeigt sich sehr 'Alternative'.
Im Blues-Abschnitt behauptet sich die Platte als intensives Manifest der Düsternis. Dunkles Verstärker-Ächzen grunzt in "Hell Is Not Gonna Deal With You". Mitunter extrem rau, abgeklärt, versunken taumelt "Dog Ya Around", irgendwie stringent und ziemlich lost zugleich und ein Vortragsstil, wie er im Blues selten vorkommt. Überraschend nimmt das spannende Album für den Schlusssong eine Kurve in Rock'n'Roll mit weichem Boogie-Piano in "Po' Boy John".
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