laut.de-Kritik

Von allem zu viel und trotzdem nicht genug.

Review von

"We're on the road to somewhere." In ein Land namens Over-The-Top-Emotionalism? Ich wünsche eine gute Reise und bleibe hier.

Glasvegas hatten schon immer den Hang zu gefühlvollen, vor Weltschmerz und Trauer strotzenden Songs. Was auf dem Debüt noch klar ging, ist heute eine in Eigenregie von Fronter James Allan produzierte Elegie of Boredom. Der Schotte mag die "emotionalste Stimme Großbritanniens" sein, wie es oft so schön heißt, trotzdem verfangen sich die Songs nicht im Kopf. Und erst recht nicht im Herz.

Das ist erstaunlich und eigentlich fast eine Kunst. Schließlich jault und weint und heult Allan ins Mikrofon, als gäbe es kein Morgen. Es gibt gezogene Gitarrenklänge. Da ist Drama und großes Gefühlskino, Stadionrock, Klavierballaden, Leid und Leidenschaft en masse. Aber auch nach mehrmaligem Hören tut sich da gefühlsmäßig nichts.

Das ist übertrieben, zu stark gewollt – eben von allem ein bisschen zu viel. Auch textlich macht sich bald das Gefühl breit (da ist also endlich eins!), dass hier (Liebeskummer sei dank?) ebenfalls nicht so viel zu holen war. Spätestens nach der fünften Wiederholung von "All I want is my babyyyyyyyy" wünsche ich mir, Allens Babyyyyyyyy würde endlich kommen und ihn zum Schweigen bringen.

Glasvegas beherrschen sicherlich die Instrumente, positiv fällt die Singleauskopplung "If" ins Gewicht, bei der tatsächlich auch 'echte' Dramaturgie hörbar wird. Das ist dann aber schnell wieder vorbei: "Neon Bedroom" ist eine so eintönige Ballade, dass sich die 4:11 Minuten hinziehen wie ein Marathonlauf. Allan inszeniere sich hier "als Mädchen im Teenageralter", frohlockt der Promozettel. Und ich denke: Das arme Mädel, muss ihre Jugend dröge sein. Etwas besser klappt die Balladenform noch mit Klavier in "Choices". Die Band arbeitet hier mit Hall und – wer hätte es gedacht – extremer Emotionalität.

Ein gelungenes Intro findet man in "Secret Truth". Sogar die Instrumentierung ist ganz ausgefuchst, dennoch gilt: Zu viel von allem und trotzdem nicht genug. Den Preis für den melodramatischsten Titel gewinnt "I'd Rather Be Dead (Than Be With You)". Keep calm and calm down, Allan!

Trackliste

  1. 1. Later...When The TV Turns To Static
  2. 2. Youngblood
  3. 3. Choices
  4. 4. All I Want Is My Baby
  5. 5. Secret Truth
  6. 6. I'd Rather Be Dead (Than Be With You)
  7. 7. Magazine
  8. 8. If
  9. 9. Neon Bedroom
  10. 10. Finished Sympathy

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