laut.de-Kritik
Indie-Hits treffen auf Kraut-Rock und flächigen Noise.
Review von Philipp SchiedelDas Sheffielder Label Warp Records war vor gar nicht so langer Zeit das zentrale Organ intelligenter Techno-Musik. Inzwischen bröckelt der Putz dieses Monuments aber gehörig. Das neueste Albums der Boards Of Canada – zu Warp-Hochzeiten eines seiner absoluten Aushängeschilder – schafft es kaum mehr, größeres Interesse zu generieren. Währenddessen konzentriert sich das Label lieber überaus erfolgreich auf Bands, die man kaum in Verbindung mit den Warp-Urgesteinen wie Aphex Twin oder Autechre bringen kann.
Noch bevor Warp mit Maximo Park und ihren knackigen Pop-Songs die Welt eroberte, überraschte das Label Mitte 2004 als es mit den New Yorkern !!! im Schatten von James Murphy das Tanzbein schwang. Fast zeitgleich öffnete sich der Warp-Horizont mit dem Zweitwerk von Gravenhurst auch leisen Akustik-Tönen.
Letztere bestehen eigentlich nur aus einer Person: Nick Talbot. Und der überrascht auf seiner dritten Platte "Fire In Distant Buildings" (seine Zweite auf Warp) die Hörer nun ein weiteres Mal: Er macht überhaupt nichts von dem, was man von ihm erwartet hätte. Talbot startet mit dem Siebenminüter "Down River" zwar ruhig und jazzy, doch von der Lagerfeuer-Gitarre, die einen Großteil seines vorherigen Schaffens ausmachte, ist hier rein gar nichts zu spüren. Gravenhurst lassen sich vom Rhythmus und dem Psychedelischen des Krautrock sowie von den krachigen Flächen des Noise-Rock beeinflussen.
Diese Melange zündet gleich im zweiten Song "The Velvet Cell" in einem heißen Anwärter auf den Song des Jahres. Hypnotisch scheppern die Akkorde im Takt und die Drums treiben den Indie-Hit zum Kopfnicken. Horrorfilm-Fan Talbot fiepst dazu mit seiner weichen und schüchternen Stimme "To understand a killer / I must become a killer". Wer hätte gedacht, dass Talbot so was kann? Herzlichen Glückwunsch, das ist großartig!
Das war es dann aber schon mit Hits. Talbot überzeugt danach lieber durch leise Töne, denn mit Catchyness. Mit ruhigem Songwriting, wie in dem zuckersüßen "Animals" oder dem reduziert-folkigen "Cities Beneath The Sea" schafft er das Kunststück trotz seiner Fieselstimme niemals nervend heulig zu klingen.
Intensiv und bedacht entdeckt der Bristoler Brillenträger die Langsamkeit dieses Mal von einer anderen Seite als von der des Heulsusen-Folk. The Velvet Underground lassen grüßen! Und während sich Talbot in Anlehnung an eben jene und My Bloody Valentine in ausufernde Krach-Orgien stürzt, verfranst er sich am Ende der Platte leider doch etwas zu sehr in überflüssigem Gefiemel. Die letzten beiden Songs – die durchaus ihre genialen Seiten haben - bringen gemeinsam ganze 19 Minuten auf die Waage. Da hat man schneller wieder auf Track Zwei gedrückt, als die Songs zu Ende sind.
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