laut.de-Kritik

Weniger Punk, mehr auf den Punkt.

Review von

Bevor es um das Berliner Duo Gurr etwas ruhiger wurde, machte es 2018 noch mit zwanglosen Garage-Songs von sich reden. Erst zelebrierte "Hot Summer" alles andere als den Sommer, dann folgte der hektische Weihnachtssong mit Art Brut-Frontmann Eddie Argos.

"She Says" markierte dieses Frühjahr die Fortsetzung, nun legen Andrey Casablanca und Laura Lee die gleichnamige EP nach. Im Gegensatz zu hibbeligen Schrammelhits wie "Rollerskate" oder "1985" schalten Gurr auf dem ersten Song "Hush" einen Gang zurück. Mit viel Hall driften sie gar in Richtung Shoegaze.

Das rhythmischere "Bye Bye" prägen dann flirrende Delays. Mit Schwung und knackigen Handclaps geht es weiter in Richtung "Mittletown Mall" und lässigem Indierock. "Of Hollywood" wirkt wiederum nachdenklich, geradezu tröstend: "Baby dry your eyes, there are more things to life".

Eine Besonderheit bleibt der einzige deutschsprachige Song "Zu Spät", Gurr beschäftigen sich mit den Widrigkeiten des digitalen Zeitalters: "Gestern noch gefallen, heut will ich dich nie wieder seh'n. Wann warst du zuletzt online, ich fühl mich wie ein Drink oder auch zehn". Diese "Sorgen aus Gold" werden im dazugehörigen Video mit Bela B. in der Rolle eines NDR-Seelsorgers bebildert.

Apropos Medien. "Fake News" dreht sich ebenfalls um die neue digitale Welt ("Shifting channels to look outside ... vacantly, it's not what it seems ... we're all so restless."). Der an sich recht unschuldig daherkommende Song irritiert mit einem Video, in dem sich bis zur Geschmacklosigkeit geschminkte junge Frauen genüsslich und oral ihrem Smartphones widmen. Alles aufgenommen in einer verzerrt wirkenden VHS-Optik, die schon lange auf diversen Social Media Kanälen Einzug hält. Das abschließende "Hush" beruhigt im Abgang die Gemüter mit entspanntem Schellenkranz und fluffiger Gitarre.

Gurr setzen auf ihrer neuen EP auf weniger Punk, weniger Garage und dafür mehr Bandbreite. Die Berlinerinnen zeigen dabei nicht nur, dass sie ein Händchen für eingängigen und doch unangepasstem Sound haben. Man hört ihnen auch die Erfahrung vieler Livekonzerte an.

Trackliste

  1. 1. Hush
  2. 2. Zu Spät
  3. 3. She Says
  4. 4. Middleton Mall
  5. 5. Of Hollywood
  6. 6. Bye Bye
  7. 7. Fake News

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